Rauchende Colts einmal bzw. zwei Mal anders!
Die kurze Geschichte des ambitionierten Magazins „Gunsmoke“
Reinhard Windeler
Nur auf zwei Ausgaben im Abstand von zwei Monaten brachte es im Jahre 1953 das US-amerikanische Magazin „Gunsmoke“, obwohl es mit gediegener Gestaltung und hochkarätigen Western-Autoren aufwarten konnte.
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Der Gedanke liegt nahe, dass das schnelle Ende an den Namensrechten gelegen haben könnte, denn obwohl die Fernsehserie mit demselben Titel (dt.: Rauchende Colts) erst 1955 startete, gab es doch bereits seit 1952 eine Radiosendung, die so hieß. Allerdings erschien nach den beiden Ausgaben (Juni, August) auch noch ein „Giant Gunsmoke“, in dem remittierte Exemplare verbunden und nochmals auf den Markt gebracht wurden, was CBS wohl kaum zugelassen hätte, wenn der Sender die Fortführung des Titels untersagt hätte.
Ein anderer Grund könnte der Preis gewesen sein. Während die gängigen Pulp-Magazine damals 25 Cent kosteten, mussten für „Gunsmoke“ 35 Cent auf die Ladentheke gelegt werden, also satte 40 % mehr. Außerdem hatte es auch ein kleineres, nämlich ein Digest-Format. Andererseits hatte derselbe Verlag (Flying Eagle Publications) ein knappes halbes Jahr vorher das ähnlich konzipierte Krimi-Magazin „Manhunt“ ebenfalls zum Preis von 35 Cent und im selben Format gestartet, und „Manhunt“ wurde nicht eingestellt, sondern erschien jahrelang sogar monatlich und überlebte – ohne Preissenkung – bis weit in die 1960er Jahre hinein; erst mit Ausgabe # 114 war 1967 Schluss.
Es mag auch sein, dass die damaligen Leser düstere, grimmige Geschichten ohne Garantie für einen glücklichen Ausgang zwar im Krimi-Genre goutierten, nicht aber im Western, wo sie einen strahlenden Helden erwarteten, der am Ende das schutzbedürftige Girl erobert. Das könnte zu ungenügenden Verkaufszahlen geführt haben.
Letztlich blieben die wahren Beweggründe für die bedauernswerte Kurzlebigkeit von „Gunsmoke“ ungeklärt.
Die
beiden Ausgaben – zum Lesen von # 1 Gunsmoke, Vol. 1, No. 1,
zum Lesen von # 2 Gunsmoke, Vol. 1, No. 2 [jeweils bitte auf den Link klicken] – enthielten auf jeweils 144 Seiten zwei längere
Geschichten, sogenannte Novelettes, und zehn bzw. neun
Kurzgeschichten sowie ein paar nicht-fiktionale Artikel. Auf der
Innenseite des hinteren Umschlags wurden den Lesern einige der
Autoren etwas näher vorgestellt.
Auffällig sind die ungewöhnlichen Inhaltsverzeichnisse auf der Innenseite des vorderen Umschlags, in denen die Short Stories weder nach Seitenzahlen noch alphabetisch nach Autorennamen oder Titeln geordnet sind, sondern ihre Reihenfolge wie zufällig zustande gekommen erscheint.
Ein Editorial, wie man es zumindest in der allerersten Nummer eines Magazins erwarten würde (und bei „Manhunt“ auch findet), sucht man vergebens, was erstaunlich ist, denn der Name des Herausgebers, der seinerzeit mit John McCloud angegeben wurde, war tatsächlich ein Pseudonym von ScottMeredith (1923 – 1993), der trotz seiner Jugend schon über viel Erfahrung im Verlagswesen verfügte.
Im Jahre 2011 stellte Peter Enfantino in seinem Blog „Bare Bones“ – zum Lesen – alle dreiundzwanzig Stories vor und bewertete sie. Darauf beruht die folgende Rangliste:
✫✫✫✫ Vier Sterne (5 Stories):
✫✫✫ Drei Sterne (8 Stories):
Steve Frazee (*1909): The Big Die-Up (# 2, S. 86 – 97); Enfantinos Fazit: „Frazee verschwendet keine Zeile und packt die Charakterbeschreibung eines ganzen Romans in ein Dutzend Seiten.“
Evan Hunter (*1926): The Killing at Triple Tree (# 1, S. 60 – 70); Enfantinos Fazit: „Die letzten Absätze treffen den Leser schnell und heftig wie eine Ladung Schrot ins Gesicht und hinterlassen ein unvergessliches Bild in seinem Kopf.“
Elmore Leonard (*1925): The Boy Who Smiled (# 1, S. 130 – 140); Enfantinos Fazit: „Die fesselnde Geschichte wechselt in verschiedenen Phasen die Perspektive. Man kann dabei zusehen, wie aus Elmore Leonard ein wunderbarer Geschichtenerzähler wird.“
Frank O’Rourke (*1916): Final Payment (# 2, S. 1 – 22, Novelette); Enfantinos Fazit: „Es ist von Anfang bis Ende eine fesselnde, befriedigende Geschichte (wie sie in Western tausende Male erzählt wird) über zwei Männer, deren Hass aufeinander sie beide zu verschlingen droht.“
Jack Schaefer (*1907): Judd (# 1, S. 82 – 95); Enfantinos Fazit: „Die Geschichte funktioniert sowohl als schön erzähltes Moralstück als auch als Analogie des alten Westens, der vom neuen verdrängt wird.“
✫✫ Zwei Sterne (8 Stories):
H.A. De Rosso (*1917): Killer (# 2, S. 62 – 84, Novelette)
Bill Erin (*1919): Blue Chip Law (# 1, S. 141 – 144)
Bill Gulick (*1916): The Courting Feud (# 2, S. 122 – 133)
A.B. Guthrie Jr. (*1901): Newcomer (# 1, S. 52 – 59)
Noel Loomis (*1905): The Man Who Had No Thumbs (# 1, S. 1 – 16, Novelette)
Nelson Nye (*1907): Rock Bottom (# 1, S. 17 – 27)
Louis Trimble (*1917): No Guns (# 2, S. 48 – 58)
Robert Turner (*1915): Incident at the Bar W (# 2, S. 134 – 140)
✫ Ein Stern (2 Stories):
Charles Beckman Jr. (*1920): Showdown (# 2, S. 141 – 144)
Bennett Foster (*1897): Scalp Dance (# 2, S. 98 – 110)
Steve Frazee (*1909): Great Medicine (# 1, S. 96 – 119, Novelette)
Evan Hunter (*1926): Snowblind (# 2, S. 114 – 121)
John Prescott (*1919): Thirst (# 1, S. 40 – 50)
Jack Schaefer (*1907): The Hairy Mr. Frailey (# 2, S. 23 – 37)
Robert Turner (*1915): The Gunny (# 1, S. 120 – 128)
Bryce Walton (*1918): The Old Chief’s Mountain (# 1, S. 71 – 81)
Nelson Nye (*1907): Homecoming (# 2, S. 38 – 47)
Frank O’Rourke (*1916): The Crooked Nail (# 1, S. 28 – 39)
Soweit ersichtlich, hat keine der Geschichten jemals eine deutsche Übersetzung erfahren.