Montag, 5. August 2024

Weird Western - 2024-08-05

Weird Western Comics aus Italien

So mancher der Western-Heroen, mit denen uns die italienischen Comicverlage in vergangenen Jahrzehnten reichlich versorgt haben, bekam es in seinen Abenteuern nicht nur mit den üblichen weißen und roten Widersachern zu tun, sondern musste sich immer wieder auch mit übernatürlichen Phänomenen oder Gegnern auseinandersetzen. Solche für den traditionellen Wilden Westen atypischen Handlungen finden sich so mancher Geschichte, die aber eigentlich immer ein grosses Manko aufweist - nie - bzw. nur sehr selten - wurde etwas davon ins Deutsche übertragen. 

Es gibt zwar zumeist einige wenige übersetzte Episoden von TEX, ZAGOR etc. und aus den 1960er Jahren ist mir noch RIKKO IM WILDEN WESTEN in Erinnerung, eine Piccolo-Serie bei Lehning (1960-61, 48 Ausgaben) von G. Angiolini. Hier erleben der Titelheld und seine Gefährten Spannendes in einer ziemlich phantastischen Unterwelt mit indianischen Hohepriestern, reißenden unterirdischen Flüssen usw.

Doch auf nach Italien. Im Land "wo die Zitronen blühn",  blüht(e) auch der Western. Einige Titelillustrationen aus dem Bereich des Weird Western seien hier gezeigt. Es gab viel mehr, doch hier ist jeder Fan bzw. Sammler aufgerufen, sich selbst eingehender mit der Materie zu beschäftigen.

Mit irgendwelchen indianischen Priestern - vermutlich aus dem Umfeld der mesoamerikanischen Hochkulturen hat es IL GRANDE BLEK zu tun. Für 200 Lira - das muss schon lange her sein - sehen wir Blek am rechten Bildrand, eine züchtig bekleidete Frau (Opfer, Priesterin (?)) in der Bildmitte, eine Feuerschale sowie ein Priester mit phantastischem Kopfputz in Rückensicht, alles garniert vor einem an die olmekische Kultur erinnerndem Idol mit weitaufgerissenem Mund - wer denkt hier nicht an Baal, dem einst Kinder geopfert wurden. So schafft man Atmosphäre und erweckt beim Rezipienten Interesse das Heft zu kaufen und zu lesen (Albi di Blek a colori. Raccolta, N. 68)

Bei MIKI geht es konventioneller zu so in der Ausgabe Albi di Miki. Raccolta a colori, N. 72'. Den Vordergrund zieren drei Reiter zu Pferd, darunter MIKI vorne links. Beherrscht wird die Illustration allerdings vom Bild einer mittelalterlichen Burganlage, komplett mit Bergfried und zinnenbewehrten Mauern. Eine große gelbe Sonne (oder Mond (?))  vor einem dunklen Himmel erhöht den atmosphärischen Eindruck. Zu sehen ist somit nichts eigentlich Phantastisches - aber, was hat eine mittelalterliche Wehranlage im Wilden Westen zu suchen?

Im inzwischen gesetzten Alter von 75 Lenzen ist TEX nach wie vor der 'non plus ultra'-Held der italienischen Westerncomics (und des Westerncomics überhaupt (?)); er begegnet im Verlauf  seiner epischen Reisen und Fahrten durch den Westen immer wieder phantastischen und horrorhaften Elementen und macht übersinnliche Erfahrungen. Aurelio Galleppini hat auf dem Titel eines Heftes eine solche Szene festgehalten. 
La scogliera dell'orrore (Die Klippe des Horrors) zeigt TEX, wie wir kennen, mit gelben Hemd, blauer Hose und braunem Cowboyhut in der Hand einen Revolver mit dem er auf einen Tyrannosaurus zielt, der gerade dabei, das Wrack eines Schiffes zu zerlegen. Hier also die phantastische Urzeit der Riesenechsen, die bis hin zu den jüngeren Eskapaden der Filmindustrie in Sachen Jurassic Park immer wieder Rezipienten der populären Unterhaltungsmedien in ihren Bann zieht.

Ebenfalls im Hause Bonelli erscheint mit ZAGOR (ein paar Episoden auf deutsch als: Rocky. Sohn der großen Wälder) seit Jahrzehnten ein weiterer Western-/Abenteuercomic, der inzwischen auch schon längst zum Klassiker geworden ist. Die grossen Wälder, im Original Darkwood, sind die Heimat Zagors. Unverkennbar in seinem ziemlich lächerlichen Kostüm (irgendwo lassen Superman & Co. hier schön grüßen) abenteuert er sich dort durch die wildesten und absurdesten Szenarien der Abenteuerwelten. Western, Fantasy, Horror, Grusel, phantastische Gegenden mit urtümlichen Ungeheuern, Seeabenteuer und Piraten, dies alles findet sich in Darkwood und Umgebung. 

In der Sammlung ZAGOR RACCOLTA (N. 184) wurden zwei frühere Ausgaben neu veröffentlicht: Orrore nel buio - La scorta mohawk. Man nutzte dafür auch die alten Titelbilder (hier signiert FERRIG {d.i. Gallieno Ferri}). 
Zu sehen ist Zagor, festgeschnallt auf dem Tisch in einer Folterkammer, die neben diversen Folterutensilien auch mit einem Skelett sowie mit einen Totenschädel als Ingredienzien des Grauens aufwarten kann. Im Hintergrund und im Vordergrund Gefängnisgitter sowie ganz vorne ein fellbedecktes zähnefletschendes Ungeheuer in Rückensicht. Will das Monster Zagor etwas Böses oder will es ihn sogar retten? Zagors entsetzter Gesichtsausdruck läßt ersteres befürchten.

Ab 1997 gesellte sich mit MAGICO VENTO, einem ehemaligen US-Soldaten, der zum indianischen Schamanen wurde, eine weitere Comicfigur hinzu. In den von Gianfranco Manfredi erdachten und von verschiedenen Zeichnern umgesetzten Stories spielen immer wieder Übersinnliches und indianische Legenden mit. 

Das beispielhaft  ausgewählte Cover der Ausgabe 102 (2006) Il ritorno di Aiwass zeigt ein typisches aus dem Horrorgenre bekanntes Motiv. MAGICO VENTO kniet neben einer attraktiven, wohl ohnmächtigen jungen Frau, wendet seinen Kopf allerdings nach hinten und sieht drei grauenhafte Monster ('Untote'), die zähnefletschend und mit Krallen bewehrt der Erde (ihren Gräbern?) entsteigen. Wird MAGICO VENTO das Mädel vor diesen Schreckensgestalten und möglicherweise vor einem Schicksal 'schlimmer als der Tod' retten können? Die Antwort ist klar, nur über das Wie darf man sich Gedanken machen.

Soweit ein kleiner Streifzug durch die Weird Western der italienischen Fumetti. Mehr zum Thema in der Sekundärliteratur (s.u.)
Karl Jürgen Roth



Paul GREEN: Encyclopedia of Weird Westerns: Supernatural and Science Fiction Elements in Novels, Pulps, Comics, Films, Television and Games (2d ed. 2016)


Roberto AZZARA / Giuseppe MARESCA: Weird Zagor. Il fantastico nella saga dello spirito con la scure (2023)

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