I.
Cornelia Summerfield ritt mit locker gehaltenen Zügeln und leicht nach hinten geneigtem Kopf den Pfad durch den Canyon hinunter, mit einem verträumten Blick in ihren Augen, und wenn sie poetisch veranlagt gewesen wäre, hätte sie vielleicht gedacht, dass Gott in seinem Himmel und mit der Welt alles in Ordnung war – wie der Dichter Browning sagte (1). Cornelia war nicht besonders poetisch, aber sie war sich dennoch der morgendlichen Sonne bewusst, die den mit Kiefern bewachsenen Westhängen des Canyons eine federleichte Struktur verlieh, indem sie die Spitzen ihrer Nadeln in bronzenes Licht tauchte, und sie nahm den warmen Schimmer der roten Felsen wahr. Dies trug fast ebenso sehr zu ihrem wohligen Gefühl bei wie das Wissen, dass sie von ihrem Ausflug um einiges reicher zurückkehren würde.
Wenn es einen Wermutstropfen gab, dann war es die Tatsache, dass sie auf Glendy Burke ritt, aber das ließ sich nicht ändern. Bluebell hatte gelahmt, zwei andere Pferde standen nicht zur Verfügung, und Thad weigerte sich strikt, Rinderarbeit auf Glendy Burke zu verrichten, was Cornelia ihm kaum verübeln konnte. Glendy Burke war ein hübscher, aber eigenwilliger Brauner, der Gutmütigkeit vortäuschte, aber ein weiches Maul hatte und zu passivem Widerstand neigte, wenn seine Vorstellungen nicht mit denen seines Reiters übereinstimmten – um nur ein paar seiner Macken zu nennen. Aber es gab Schlimmeres als mit ihm in die Stadt zu reiten, um die Post zu holen, und wieder zurück, insbesondere wenn man erwartete, einen Umschlag mit einem Scheck über dreihundert Dollar ausgehändigt zu bekommen.
Das Geld hatte Cornelias von ihrer Großtante geerbt, die kürzlich im Osten gestorben war. Cornelia konnte sich nicht besonders gut an sie erinnern, da sie sich nicht mehr begegnet waren, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war, aber der Eindruck von ihrer Tante, den sie vom Hörensagen hatte, war eine lange Kette von Missbilligungen. Tante Grace hatte die Nase über den Mann gerümpft, den Cornelias Mutter geheiratet hatte; sie hatte die Nase über den Umzug der beiden nach New Mexico gerümpft; sie hatte es missbilligt, als er vor drei Jahren starb, obwohl sie nie erläutert hatte, was er ihrer Meinung nach in dieser Situation hätte besser machen können. Aber als ihre Missbilligung vor achtzehn Jahren eine kurze Auszeit einlegte, war sie Cornelias Patentante geworden, und sie hatte sich an ihren lebenslangen Entschluss gehalten, ihr in ihrem Testament etwas zu hinterlassen. Lachend sagte Cornelia zu ihrer Mutter, dass es gut gewesen war, dass Tante Grace sie nicht mehr gesehen hatte, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war, sonst hätte sie vielleicht ihre Meinung geändert. Sie hätte sicherlich die Nase über eine Großnichte gerümpft, die ihrem Bruder beim Rinderhüten half und in den neumodischen Hosenröcken rittlings auf ihrem Pferd saß. Und Cornelia vermutete, dass sie auch über ihren unmodernen, aber sehr praktischen breitkrempigen Stetson-Hut die Nase gerümpft hätte.
Aber Tante Grace hatte ihr Leben im Osten in gnädiger Unkenntnis dieser Ungeheuerlichkeiten verbracht, und zu gegebener Zeit kam ein Brief ihrer Anwälte, der auf dem Postamt abgeholt und zwischen zwei Montgomery-Ward-Paketen (2) zum Anwesen der Summerfields gebracht wurde, und damit war Cornelia eine Erbin. Und in dieser Woche lag der Umschlag mit dem Scheck über dreihundert Dollar wahrscheinlich auf dem Postamt und wartete auf sie, und Cornelia hatte vor, den Scheck in der Stadt einzulösen und das Bargeld nach Hause zu bringen, damit ihre Mutter, Thad und die anderen Kinder den Reichtum in seiner ganzen Fülle sehen konnten, bevor sie damit dringend benötigte Anschaffungen machte. Cornelia war ein sehr loyales und großzügiges Mädchen, das ihre Erbschaft bereits als der ganzen Familie gehörend betrachtete, und sie plante voller Vorfreude ein Dutzend verschiedener Verwendungsmöglichkeiten dafür, während sie Glendy Burke den von der Sonne erwärmten Pfad durch den Canyon gemächlich hinabtrotten ließ. Bilder von Schuhen für die Kinder, Stoffballen, neuen Wassertanks und reparierten Zäunen für die kleine Ranch tanzten in ihrem Kopf.
In der Stadt tauschte Cornelia Grüße mit Bekannten aus, hauptsächlich mit Cowboys und Kindern von anderen Ranches aus der Nachbarschaft, die gekommen waren, um ihre Post abzuholen, aber sie blieb nicht so lange zum Reden, wie sie es manchmal tat. Sie band Glendy Burke vor dem Postamt an das Haltegeländer und ging hinein, um die Summerfield-Post in Empfang zu nehmen. Der dünne Umschlag mit der Absenderadresse der Anwälte darauf war da, und Cornelia hielt ihn getrennt von den übrigen zwischen ihren Zähnen, während sie Pakete, Magazine und Briefe in ihre Satteltaschen packte. Sie ging mit ihm die Straße hinunter zur Bank, stattete auch ihr einen kurzen Besuch ab und kam wie auf Wolken mit einem Säckchen aus Gamsleder voller Münzen in der Hand wieder heraus. Dreihundert Dollar! Cornelia segnete Tante Grace aus tiefstem Herzen, wahrscheinlich mit mehr Wärme, als irgendjemand der alten Dame zu Lebzeiten entgegengebracht hatte, denn die Geldsorgen der Summerfields waren zumindest vorerst vorbei.
***
Als sie auf dem Nachhauseweg den Canyon hinaufritt, verknotete sie die Zügel locker und hängte sie an den Sattelknauf, und während Glendy Burke langsam den Pfad hinaufschritt, dem jedes der Summerfield-Pferde im Schlaf hätte folgen können, drehte sie sich um und löste die Schnallen der Satteltasche hinter ihrem linken Knie und fischte das kleine schwere Gamsledersäckchen wieder heraus. Sie löste die Kordeln und ließ ein paar Münzen in ihre Handfläche gleiten, um sich nochmals zu vergewissern, dass sie wirklich da waren, und um voller Zufriedenheit über die ihr eröffneten Möglichkeiten zu brüten. Es fanden immer Dreierdebatten zwischen ihr, ihrer Mutter und Thad darüber statt, was sie mit den geringen Geldbeträgen, die sie mit ihrem Vieh verdienten, am besten zuerst tun sollten, und am Ende einigten sie sich immer auf eine vernünftige Lösung; aber jetzt würden keine Debatten mehr nötig sein, denn es war eine Menge Geld da, wofür auch immer es nach Meinung aller drei ausgegeben werden sollte. Cornelia ließ die Münzen eine nach der anderen zurück in das Säckchen fallen, lächelte über das leise klirrende Geräusch, das sie machten, zog die Kordeln zu und verstaute es wieder in ihrer Satteltasche. Sie streckte sich und schüttelte ihren langen glänzenden Zopf aus braunem Haar über ihrer Schulter, nahm die Zügel auf, entknotete sie und gab dem brauen Wallach einen Stups, damit er vom Schritttempo zu einem leichten Traben wechselte, als sie sich ihren Weg durch den Wacholder und das üppige Gestrüpp bahnten, das neben dem Pfad wuchs, und der Canyon sich für eine Weile verengte.
Eine halbe Meile weiter hob Glendy Burke den Kopf, seine Ohren richteten sich nach vorne, und eine Sekunde später hörte Cornelia vor sich Steine klappern und ein Pferd schnauben. Sie folgte der Richtung, in die die Ohren des Braunen zeigten, und ihre Augen erkannten die Gestalt eines Pferdes und eines Reiters, die etwa zehn Meter vor ihr im Gebüsch verborgen waren. An der Seite neben dem Pfad zu warten, war ungewöhnlich. Die Sonne beschien die Gestalt von hinten, sodass das Gesicht des Reiters im Schatten seines Hutes lag. Der Schweif des Pferdes schlug durch einen kleinen Wirbel von zu Boden sinkendem Staub nach Fliegen, was verriet, dass sie erst vor etwa einer Minute oder so dort angehalten hatten. Für einen Bruchteil einer Sekunde hätte Cornelia beinahe die Zügel angezogen, doch sie war diesen Weg seit Jahren jede Woche geritten und jedem Reiter, den sie traf, ob sie ihn kannte oder nicht, freundlich begegnet, und sie sah keinen guten Grund, jetzt zu zögern. Als sie sich näherte, lenkte der Mann sein Pferd auf den Pfad, sodass er ihr zugewandt war, aber nicht den Weg blockierte, und einen Moment lang dachte sie, er würde an seinen Hut tippen und wie ein normaler Fremder vorbeireiten. Aber in der letzten Sekunde, bevor sie aneinander vorbeigeritten wären, zog er den Kopf seines Reittieres abrupt vor Glendy Burke zur Seite, sodass die beiden Pferde fast zusammenstießen, und ehe Cornelia reagieren konnte, langte er herüber und ergriff das Zaumzeug des Braunen.
„Bleib’ genau da stehen“, sagte er. „Ich habe eine Waffe, aber ich möchte sie nicht herausholen, wenn es nicht sein muss. Steig’ von deinem Pferd.“
Cornelia öffnete ihren Mund, um heftig zu protestieren, aber nachdem sie den Mann, der ihr Zaumzeug hielt, ein paar Sekunden lang gemustert hatte, schloss sie ihn wieder und gehorchte. Es hätte nichts gebracht, Glendy Burke die Sporen zu geben und sich zu loszureißen, denn selbst wenn der Mann das Zaumzeug losgelassen hätte, hatte er sich eine Stelle ausgesucht, an der zwischen den Felsvorsprüngen an den Canyonwänden nur ein paar Meter Platz waren, und sie hätte ihr Pferd nicht an seinem vorbeidrängen können. Cornelia saß ab und warf dabei einen Blick auf das Pferd des Mannes. Der offensichtliche Grund für sein Verhalten wäre gewesen, dass er ein frisches Reittier stehlen wollte, um ein vom Verfolgtwerden erschöpftes zu ersetzen, aber sein Pferd sah weder verschwitzt noch angestrengt aus. „Na los, beweg’ dich!“ sagte er. „Geh’ auf die andere Seite von ihm und mach’ Platz. Ich hab’ nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Und auch keine Manieren“, sagte Cornelia mit einer Missbilligung, die Tante Grace würdig gewesen wäre, und ging wie gefordert um Glendy Burke herum. Sie beobachtete den rätselhaften Mann, als er absaß, und wünschte sich sehnlichst eine Waffe. Der Mann mochte irgendwo zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahre alt sein, hatte sich seit mehreren Tagen nicht mehr rasiert und war in jeder Hinsicht durchschnittlich, abgesehen von den unfreundlichen Falten schlechter Laune, die von seinen Mundwinkeln nach unten verliefen. Er ließ die Zügel seines Pferdes zu Boden fallen, damit es stehen blieb, ging zur linken Seite von Glendy Burke und schnallte die Satteltasche ab. Er griff mit einer Hand hinein und zog das Gamsledersäckchen heraus, als wüsste er genau, wo es zu finden war, und mit einem Mal verstand Cornelia. Er konnte ihr nicht aus der Stadt gefolgt sein; sie hätte ihn oder sein Pferd erkannt, wenn sie auf der Hauptstraße gewesen wären. Er musste irgendwo auf dem mit Gestrüpp bewachsenen Hang versteckt gelegen haben, an dessen Beginn sie die Münzen so zufrieden durch ihre Finger hatte gleiten lassen und sie wieder in ihre Satteltasche gesteckt hatte.
„Rühren Sie das nicht an!“ platzte es automatisch aus ihr heraus. Der Mann beachtete sie nicht. Er öffnete das Säckchen, schüttelte einen Teil des Geldes halb heraus, ließ es mit einem zufriedenen Blick klimpernd zurückfallen und steckte das Säckchen in seine Westentasche. Er schlug die Klappe der Satteltasche wieder zurück und durchwühlte sie, als suchte er nach anderen Sachen von Wert.
„Sie wissen, dass ein Mann, der eine unbewaffnete Frau ausraubt, noch schlimmer ist als ein Kojote, der Schafe stiehlt“, stellte Cornelia fest.
Ein Brummen war die einzige Antwort.
„Oder vielleicht hat man Ihnen das nie beigebracht“, fügte sie boshaft hinzu. „Ich sehe, dass man Ihre Bildung vernachlässigt hat.“
„Sei ’mal nicht so lose mit deinem Mundwerk“, sagte der Mann, und sein Blick schoss mit einem Ausdruck auf sie zu, der Cornelia beinahe wünschen ließ, sie hätte nichts gesagt. „Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst da stehen bleiben. Geh’ da rüber und pass auf, was ich sage!“
Ehe Cornelia sich rühren konnte, duckte er sich unter Glendy Burkes Hals hindurch, packte sie fest an ihrem Arm und schob sie ein paar Schritte vom Pferd weg, sodass sie beinahe stolperte und über die Felsbrocken fiel, die vor der Canyonwand verstreut lagen. Er ließ sie los, wandte sich wieder dem Braunen zu und öffnete die andere Satteltasche. Während Cornelia sich den Arm rieb, beobachtete sie ihn aufmerksam, wobei sie zwischen aufwallender Wut und etwas ungewohnter Vorsicht schwankte. Die meisten Männer in diesem Teil des Landes würden es nicht wagen, einer anständigen Frau etwas anzutun; sogar diejenigen, denen es an Ritterlichkeit mangelte, wussten, dass die nichtstaatliche Justiz sie schnell einholen würde, wenn sie es täten. Aber von jeder Regel gab es Ausnahmen, und ein übles Temperament, das bereits verspottet worden und zumindest so unverfroren war, eine Frau auszurauben, könnte eine davon sein. Cornelia hatte nicht wirklich Angst, aber sie wäre lieber etwas weiter weg von ihm gewesen.
Sie warf einen unauffälligen Blick auf das Pferd des Räubers, das ein paar Meter rechts von ihr stand und ihnen den Kopf zugewandt hatte, sodass sie den Steigbügel auf einer Seite sehen konnte — ein kräftig aussehendes, graues Pony mit einem eckigen Kopf, rauem Fell und einer Markierung, die sie für ein texanisches Brandzeichen hielt. Bedächtig ging Cornelia ein paar Schritte zur Seite, wobei sie den Rücken des Mannes im Blick behielt, um sicherzugehen, dass er nichts gehört hatte — dann wirbelte sie herum und rannte auf das Pferd zu, schwang sich in den Sattel, riss den Grauen herum und jagte den Pfad hinauf. Ein Schrei ertönte hinter ihr. Solange er nicht schoss … Sie hatte eine Minute lang ein Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern, während sie sich über den Hals des Grauen beugte, aber es kam kein Schuss; und als sie über die Schulter schaute, erhaschte sie für eine halbe Sekunde einen Blick auf den Mann, der sich bemühte, in den Sattel des Braunen zu kommen, ehe eine Biegung des Canyons dafür sorgte, dass er aus ihrem Blickfeld verschwand.
Natürlich würde er versuchen, sie einzufangen. Aber er hatte Glendy Burke, der, mochte er auch noch so prächtig aussehen, keinen Funken Ausdauer hatte und noch bevor er eine Meile zurückgelegt hätte, im Schneckentempo laufen würde, und sie saß auf dem kastenköpfigen Texas-Grauen, der eindeutig ein Bündel von Dynamos und Stahlfedern war, die in einem unansehnlichen Äußeren verpackt waren, und nach ein paar Sätzen wusste Cornelia, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Sie würde den Räuber nicht wiedersehen.
***
Daher war es nicht die fröhliche, triumphierende Erbin Cornelia, die nach Hause kam, um ihr Gold und ihr Silber ihrer Mutter in die Hände zu schütten, sondern eine wütende Cornelia auf einem fremden Pferd, die Gift und Galle über den Dieb spuckte, der ihr Tante Graces Erbe entrissen hatte, kaum dass sie es in ihren Händen gehalten hatte.
„Wie konnte mir das nur passieren?“ schimpfte sie. „Wenn ich nur irgendetwas anders gemacht hätte — wenn ich ihm meine Zügel übergezogen hätte, als er mein Zaumzeug packte — oder ich mich geweigert hätte, von meinem Pferd zu steigen —, es muss doch eine Möglichkeit gegeben haben, wie ich da hätte rauskommen können!“
„Du hast genau das Richtige getan“, sagte Mrs. Summerfield bestimmt. „Das mit dem Geld ist wirklich sehr schade, und ich kann dir nicht verdenken, dass du dich aufregst, aber besser, zehn Mal so viel Geld zu verlieren, als dass du zu Schaden gekommen wärst. Du weißt nicht, was der Mann getan hätte, wenn du ihm Schwierigkeiten gemacht hättest.“
„Ich weiß“, sagte Cornelia, „aber es macht mich wahnsinnig! Ich könnte dem Mann den Hals umdrehen. Nein, ich nehme an, das könnte ich nicht. Denn wenn ich ihm den Hals umdrehen könnte, hätte ich immer noch das Geld“, sagte sie mit bitterem Humor und ging nach draußen, um zu versuchen, ihren Verdruss zu verbergen, denn sie hatte das Gefühl, dass es die Enttäuschung ihrer Mutter über den Verlust nur verstärken würde, wenn sie sich anmerken ließ, wie sehr sie sich darüber ärgerte.
Sie führte das Pferd, auf dem sie nach Hause gekommen war, in die Scheune, und Thad folgte ihr. Cornelia ließ die Zügel fallen und sich selbst mit verschränkten Armen und einem Seufzer gegen die Wand sinken. Sie musterte den Grauen kritisch, als ihr Bruder den Sattelgurt zu lockern begann. „Tja, ich schätze, das ist alles, was dabei für mich ’rausgesprungen ist“, sagte sie. „Er wird keinen Schönheitspreis gewinnen, aber wir werden ihn gut gebrauchen können. Der Sattel ist allerdings nicht so schön wie meiner.“
Thad warf den Sattelgurt hoch und wollte den Sattel anheben, ließ ihn jedoch mit einem pfeifenden Ausatmen wieder zurückfallen. „Meine Güte, der ist aber schwer. Ich frage mich, was —“
„Wahrscheinlich die Satteltaschen. Lass mich ’mal —“ Cornelia trat neben ihren Bruder und löste die Rohlederschnüre am Sattel, und als Thad den Sattel abnahm, ließ sie die Taschen auf ihren Arm gleiten — und ihr unerwartetes Gewicht brachte sie so aus der Balance, dass sie ruckartig zupacken musste, um sie aufzufangen. „Was ist bloß drin in den Dingern?“
Sie wuchtete sie über die Stangen einer Pferdebox und öffnete die Schnallen einer Klappe. Das erste, was sie in die Finger bekam, war ein quadratisches Paket, das nicht sehr fachmännisch in braunes Papier eingewickelt war. Die verknotete Schnur widersetzte sich ihren Bemühungen, sie über die Ecke des Pakets zu schieben, eine Minute lang, dann gab sie plötzlich nach, das Papier entfaltete sich, und ein Dutzend Bündel grüner Geldscheine segelten durch Cornelias fassungslose Hände. Mit offenem Mund sah sie auf die auf dem Boden verstreuten Bündel hinunter, dann schaute sie mit großen Augen hoch zu Thad, und sie starrten sich eine Sekunde lang an. Cornelia drückte Thad das geöffnete Paket in die Hände und kramte erneut in der Satteltasche — sie holte einen Leinensack und dann noch einen heraus. Die schweren Säcke waren voller Goldmünzen, die heller und frischer geprägt waren als die, die sie an diesem Morgen von der Bank bekommen hatte, und ein Vielfaches davon wert.
Sie durchsuchten beide Satteltaschen, breiteten das ganze Geld auf dem Scheunenboden aus und zählten es — es waren ungefähr viertausend Dollar in Scheinen und etwa halb so viel in Goldmünzen, dazu ein kleiner Beutel mit Goldstaub, dessen Wert Thad und Cornelia nicht einzuschätzen wussten. Cornelia war fast außer sich vor Freude. „Eintausendneunhundertvierzig … eintausendneunhundertsechzig … achtzig! Oh, Mutter hatte recht — es war das Beste, was ich tun konnte, als ich mich aus dem Staub gemacht habe, und ich hab’s noch nicht einmal gewusst! Das hier sind mehr als sechstausend Dollar, Dutzende Male mehr als das, was ich verloren habe!“
Thad, der auf Händen und Knien neben ihr über dem Schatz hockte, setzte sich auf und sah Cornelia misstrauisch, aber nicht sehr überrascht an. Er war drei Jahre jünger, aber praktischer veranlagt, gewissenhafter und in jeder Hinsicht konventioneller, und er hatte wenig Illusionen über die Gedankengänge seiner Schwester. „Cornelia, du denkst doch nicht daran, dieses Geld zu behalten?“
„Warum denn nicht? Ich habe es von einem Dieb gekriegt, der meins gestohlen hat; er hatte kein Recht dazu. Es ist — nun ja, es ist Finderlohn, oder nicht?“
„Es ist Diebesgut, nichts anderes! Was glaubst du, wo er es herhat? Vom Goldsuchen?“
Cornelia lehnte sich ungeduldig auf ihren Fersen zurück. „Das ist genau der Punkt: Wir wissen nicht, wo er es herhat. Wir wissen nicht, wem es eigentlich gehört, also können wir es nicht zurückgeben. Warum sollten wir es dann nicht behalten?“
„Ich könnte mir schon denken, wo es herstammt. Dieses Zeug war von einer Bank. Sieh dir an, wie neu die Münzen sind und wie die Scheine gebündelt sind. Man kann Scheine anhand der Nummern identifizieren, oder weißt du das nicht? Was glaubst du, was passiert, wenn du anfängst, gestohlene Scheine auszugeben und die entdeckt werden?“
Cornelia zuckte die Achseln. „Dann sage ich die Wahrheit, nehme ich an.“
„Man würde uns alle als Mittäter anklagen. Darauf würde ich wetten! Wie willst du beweisen, wie du es bekommen hast, vor allem, nachdem du es wochen- oder monatelang verheimlicht hast? Keiner würde eine Geschichte wie die, die heute passiert ist, glauben.“
„Dann denke ich mir eben eine bessere aus; das würde ich sicher hinkriegen, wenn ich müsste.“
Thad schnaubte. „Wie denn? Dass du Glendy Burke und dreihundert Dollar gegen dieses Pferd und Tausende eingetauscht hast? Jeder, der Glendy Burke kennt, würde darüber herzlich lachen.“
Cornelia wollte etwas erwidern, hielt dann aber inne. Mit einem seltsam strahlenden Blick in ihren Augen nahm sie ein Bündel Geldscheine und blätterte die Enden nachdenklich mit ihrem Daumen durch. Dann ließ sie es fallen, stand auf und wandte sich dem grauen Pony zu. Sie ging um es herum und betrachtete es mit den Händen in den Hüften und dem Anflug eines Lächelns eingehend von allen Seiten. Thad folgte ihr argwöhnisch, denn er wusste, dass dieser Gesichtsausdruck normalerweise der Auftakt zu einer großartigen Idee war, die ihr auszureden Stunden dauern würde.
Cornelia lachte laut auf, wirbelte herum und packte ihren Bruder an den Schultern. „Ich weiß genau, was wir tun werden. Und du steckst dein Gewissen lieber für eine Weile in einen Sack, denn du wirst dich im Brandzeichenfälschen versuchen.“
II.
Ein paar Tage später ließ sich Cornelia auf der M-7 Ranch zu einem Besuch bei den engsten Freunden und Nachbarn der Summerfields blicken. Es war fast Essenszeit, sodass die ganze Familie und die in der Umgebung der Ranch beschäftigten Angehörigen der Mannschaft sich in der Nähe des Hauses und der Schlafbaracke befanden und zusammenkamen, um sie zu begrüßen. Cornelia ritt ein graues Pony mit einem eckigen Kopf und einem Brandzeichen an der Hüfte, das so fleckig war, dass man es kaum lesen konnte, ein Pferd, das niemand auf der M-7 jemals zuvor gesehen hatte, und natürlich ließen Kommentare und Fragen zu ihm nicht lange auf sich warten.
„Ja, wir haben ihn gerade erst bekommen. Bis jetzt gefällt er mir sehr gut. Ich weiß, dass er wie das sprichwörtliche hässliche Entlein aussieht, aber er kann ziemlich gut mit Rindern umgehen und ist zäh wie Leder. Morgens bockt er auch nicht allzu viel.“
„Wo haben Sie ihn her?“ fragte Mitch Craddock, einer der M-7 Cowboys.
Cornelia lächelte. „Ihr würdet es mir nicht glauben, wenn ich’s euch erzählen würde, nehme ich an.“
„Ist einen Versuch wert. Ich höre mir gerne Geschichten an.“
„Na ja, eine große Geschichte ist es nicht.“ Cornelia machte absichtlich eine Pause, ließ sie ein paar Sekunden warten und sagte dann mit einem eindeutig süffisanten Grinsen. „Ich habe Glendy Burke gegen ihn eingetauscht.“
Ungläubigkeit und Spott kamen erwartungsgemäß im Chor: „Das haben Sie nicht getan!“ „Das hätten Sie nicht gekonnt.“ „Ach, Sie nehmen uns auf den Arm, Miss Cornelia.“
„Tu’ ich nicht! Ich sage euch: Als ich neulich auf Glendy Burke geritten bin, bin ich einem Fremden begegnet und hab’ angehalten, um mich kurz mit ihm zu unterhalten, und — tja, kurz und gut: Er ist auf Glendy Burke weitergeritten, und ich bin auf diesem hier nach Hause gekommen.“
„Der muss ein ziemlicher Dummkopf gewesen sein“, sagte Bert Farrell, „oder aber Sie sind eine tolle Pferdehändlerin, Miss Cornelia. Diese kleine Unterhaltung hätte ich nur zu gerne gehört.“
„Da gab’s nicht viel zu hören“, sagte Cornelia mit einem verschmitzten Funkeln in ihren Augen. „Mir schien, dass er es eilig hatte. Jedenfalls hat er nicht viele Fragen gestellt. Und wenn Glendy Burke eine Stärke hatte, dann war es der erste Eindruck, den er machte.“
„Wenn ich mir so wenig Zeit genommen hätte, um ein Brandzeichen zu verändern, dann hätte ich vermutlich auch nicht viele Fragen gestellt“, sagte Mitch Craddock und schielte auf das Kunstwerk auf der Flanke des Grauen. „Ich hätte ihn hinterher gerne gehört, als er entdeckt hat, was er sich hat andrehen lassen. Ich wette, da sind ihm einige Kraftausdrücke eingefallen.“
„Ich bin froh, dass ich sie nicht gehört habe“, sagte Cornelia, und in ihrer Wange zeigte sich ein Grübchen.
„Ein oder zwei Stunden lang muss er ihn für einen ziemlich feinen Kerl gehalten haben“, sagte Bert Farrell, „und als er dann gemerkt hat, dass er beim Pferdehandel mit einem Mädchen den Kürzeren gezogen hat — da hat er wahrscheinlich geflucht, bis die Luft gebrannt hat.“
Cornelia lachte und streichelte den struppigen Hals des grauen Pferdes. „Ehrlich gesagt, kann man es kaum einen Pferdehandel nennen. Ich musste kaum ein Wort sagen.“
„Na ja, es sind nicht immer die vielen Worte, die einen guten Pferdehändler ausmachen. Sie hatten trotzdem das bessere Ende für sich, oder nicht?“
„So kann man das wohl sagen“, räumte Cornelia ein.
***
Trotz ihrer Bescheidenheit hielt die gesamte M-7 die Geschichte für einen tollen Witz, und in den folgenden Wochen wurde sie im ganzen County erzählt: Wie Miss Cornelia Glendy Burke von den Summerfields in Nullkommanichts bei einem Fremden eingetauscht und im Gegenzug ein richtig schickes kleines Rinderpony bekommen hatte. Im Rinderland waren die Tugenden, Laster und Persönlichkeiten von Pferden fast genauso bekannt wie die der Menschen, und genügend Leute kannten Glendy Burke, um den Witz zu verstehen. Immer wenn Cornelia einen Bekannten besuchte (und in diesen Wochen machte sie viele Besuche), wurde sie darauf angesprochen, und sie nahm die scherzhaften Komplimente jedes Mal mit offensichtlicher Freude entgegen.
„Ach, na ja, ich habe einfach eine Gelegenheit gesehen und sie beim Schopf gepackt“, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln, das nach Ansicht ihrer Zuhörer völlig dadurch gerechtfertigt war, dass sie Glendy Burke auf diese Weise mit Gewinn losgeworden war. Dann wechselte Cornelia immer das Thema und bat den Vormann oder das Familienoberhaupt um Ratschläge zu Verbesserungsmaßnahmen an der Ranch. Sie sagte wenig über ihre genauen Pläne, stellte aber viele Fragen, hörte zu und nickte, als würde sie Ideen für die Zukunft sammeln, und erweckte den Eindruck, dass auf der Summerfield-Ranch Verbesserungen für fast alles ins Auge gefasst wurden. Sie ließ sogar durchblicken, dass sie möglicherweise darüber nachdachten, weiteres Vieh zu kaufen und vielleicht ein oder zwei Arbeitskräfte einzustellen. Es war natürlich eine Frau, eine Nachbarin, die ihre Neugierde schließlich nicht mehr bezähmen konnte, sodass sie direkt fragte, was den meisten Leute im Hinterkopf herumging: „Du bist vor Kurzem zu etwas Geld gekommen, oder nicht, Cornelia? Ich glaube mich zu erinnern, dass deine Ma eine Verwandte erwähnt hat, die verstorben ist und dich bedacht hat.“
„Die liebe alte Tante!“ sagte Cornelia mit strahlenden Augen. „Sie war großzügiger als ich mir hätte vorstellen können.“
Auch diese Bemerkung machte die Runde, allerdings ohne sie wirklich im Zusammenhang zu verstehen. Niemand im County hatte Tante Grace gekannt.
***
Ungefähr anderthalb Wochen nach Cornelias Besuch auf der M-7 kam es eines Abends nach Einbruch der Dunkelheit in der Scheune der Summerfields zu folgendem Gespräch zwischen Thad und Cornelia:
„Wie lange wollen wir das noch weitermachen?“
„Bis es klappt, natürlich.“
„Bist du dir so sicher, dass es klappen wird?“
„Natürlich wird es das“, sagte Cornelia. „Er muss ein schrecklich habgieriger Mensch sein, sonst wäre er nicht ein solches Risiko für mein kleines Säckchen mit Münzen eingegangen, wo er doch schon ein Vermögen in seinen Satteltaschen hatte. Glaubst du, dass er das alles so einfach sausen lässt?“
Thad musste zugeben, dass das logisch klang.
„Es wäre sowieso besser, wenn es bald passiert“, sagte er. „Mir fehlt so viel Schlaf, dass ich es kaum noch aushalten kann. Ich schlafe tagsüber praktisch im Sattel ein.“
„Ich bin ja auch nicht untätig, oder?“
„Das ist das Mindeste, wo das Ganze doch allein deine Idee war“, sagte Thad scharf.
„Ich konnte es ja nun ’mal nicht alleine hinkriegen, oder?“ sagte Cornelia, was ein Kompliment war, auf das sich nichts erwidern ließ. „Also gut, heute Abend bist du zuerst dran. Ich gehe jetzt ins Bett. Ich löse dich in ein paar Stunden ab.“
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Illustration KI, modifiziert KJR |
***
Nur wenige Nächte später, als das Anwesen der Summerfields in scheinbar tiefem Schlaf lag, glitt ein Schatten, der nicht dorthin gehörte, von der Schulter des felsigen Hügels, der ein paar Dutzend Meter entfernt war, herunter und bewegte sich leise zwischen dem Haus und dem großen Corral. Der Eindringling hatte das ganze Grundstück kurz nach Einbruch der Dunkelheit umrundet und ausgekundschaftet und gelangte so ohne Schwierigkeiten zum Scheunentor. Die nachts menschenleere Scheune war der sicherste Ort, um mit seiner Suche zu beginnen.
Er öffnete das Tor so leise er konnte, ging hinein und zog es hinter sich zu, wobei er den Riegel zum Teil vorschob, damit es sich nicht bewegte. Dann holte er ein Streichholz heraus, riss es an und orientierte sich in dem kleinen Lichtschein. Er schüttelte das Streichholz aus und bewegte sich im Dunkeln in die Richtung, wo seiner Vermutung nach die Sättel aufbewahrt wurden — um das allzu Offensichtliche gleich von Vornherein auszuschließen.
Er brauchte nur zwei Streichhölzer und ein paar Minuten, um den Sattel zu finden, den er wiedererkannte, und um festzustellen, dass die dazugehörigen Satteltaschen nicht da waren. Er stand einen Moment da, holte Luft und dachte nach. Die Scheune war nicht groß; es würde nicht zu viele abgelegene Ecken geben. Aber der Heuboden war eine Möglichkeit. Er ging dahin zurück, wo er sich erinnerte, die Leiter gesehen zu haben.
Als er die Leiter anfasste, knarrte das Tor hinter ihm. Er drehte sich mit einem Ruck um und sah, dass es einen Spalt offenstand, und das schwache Licht von draußen spiegelte sich matt auf den Zwillingsläufen einer Schrotflinte, die um die Ecke des Torrahmens ragten und auf ihn gerichtet waren.
„Keine Bewegung“, sagte Thad Summerfield. „Diese Flinte ist mit Schrot geladen.“
Der Mann rührte sich nicht, entweder, weil er den Befehl befolgte, oder weil er kaum glauben konnte, was ihm widerfuhr. Zu recht nahm er an, dass die Stimme hinter der Schrotflinte jung war, aber er wusste, dass die jungen Leute in diesem Land oft außerordentlich gut mit einer Schrotflinte umgehen konnten.
„Haben Sie eine Waffe?“ fragte Thad ruhig. „Holen Sie sie ’raus und legen Sie sie da drüben auf die Fensterbank, und dann gehen Sie da weg. Und versuchen Sie nicht abzuhauen, denn auch wenn Sie weglaufen, treffe ich Sie noch am Bein oder sonstwo.“
***
Die Koalition aus einer großartigen Idee und nüchternem gesundem Menschenverstand, die immer dann zustande kam, wenn die Summerfield-Geschwister gemeinsam etwas unternahmen, hatte alles detailliert geplant. Cornelia ritt zur M-7, weckte das Haus und bat um Hilfe bei der Ablieferung eines Gefangenen beim Sheriff des Countys, und mehrere Männer ritten mit ihr zurück und fanden den gefangenen Räuber in der Küche der Summerfields sitzen. Er war nicht mehr der Mann, der er einmal gewesen war. Thad saß rittlings auf einem Stuhl und hatte die Schrotflinte über der Rückenlehne auf seinen Gefangenen gerichtet, aber es hatte weniger damit zu tun als vielmehr damit, dass er fast eine Stunde lang von drei kleinen Kindern intensiv beäugt worden war, die sich auf einer Bank am anderen Ende des Küchentischs zusammendrängten, eine Erfahrung, die nur wenige Männer überstehen, ohne dass sie etwas mit ihnen macht. Mrs. Summerfield, die sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt hatte, bot ihren Nachbarn eine Tasse Kaffee an.
Am folgenden Nachmittag saß Cornelia auf einem Stuhl im Büro des Sheriffs, und in ihrem zweitbesten Kleid und mit ihrem Matrosenstrohhut sah sie von oben bis unten wie eine junge Dame aus. Mitch Craddock, Bert Farrell und ein paar andere Männer, die die ganze Geschichte hören wollten, standen im Raum herum, und Thad lehnte hinter seiner Schwester an der Wand und versuchte so auszusehen, als wäre er von Anfang an mit der ganzen Sache einverstanden gewesen. Das gestohlene Geld, das der Sheriff an diesem Morgen telegrafisch bis zu seinem Ursprung zurückverfolgt hatte, lag auf dem Schreibtisch.
„Es war eigentlich ganz einfach“, erläuterte Cornelia. „Ich wusste, dass die Geschichte, wie ich Glendy Burke gegen ein gutes Pferd eingetauscht hatte, ein guter Witz sein würde, und dass sie überall im County erzählt werden würde. Wenn der Dieb sich noch in einem Umkreis von fünfzig Meilen aufhielt, würde er sie sicher von irgendjemandem hören. Ihn würde niemand erkennen, denn bei der erstbesten Gelegenheit, wo er ein anderes Pferd stehlen konnte, hatte er Glendy Burke sicherlich stehen lassen. Ich wusste, dass er immer noch in der Nähe sein würde, weil er sich nicht damit abfinden wollte, dass das Geld, mit dem ich mich aus dem Staub gemacht hatte, für ihn verloren war. Ich hab’ so getan, als wäre ich zu einer Menge Geld gekommen, mehr als ich von Tante Grace erwartet hatte. Wenn er davon hörte, würde er wissen, dass wir das Geld nicht den Behörden übergeben hatten, sondern nichts davon erzählt hatten und vorhatten, es zu behalten und auszugeben. Und natürlich würde er herkommen und versuchen, es zu holen.“
„Aber haben Sie sich gar keine Sorgen gemacht, dass — also, dass er es Ihnen wegnehmen könnte?“ fragte der Sheriff und entschuldigte sich fast für die Frage.
Cornelia zuckte die Achseln. „Eigentlich nicht. Denn Thad oder ich sind jede Nacht wach geblieben und haben auf ihn gewartet. Und wenn man mit einer Schrotflinte hinter jemandem auftaucht, kann der nicht viel ausrichten, selbst wenn er wollte.“
„Erinnern Sie mich daran, das irgendwo aufzuschreiben und mir zu merken“, murmelte Bert Farrell.
„Tja“, sagte der Sheriff, der sich wie die meisten Anderen Cornelias Logik nicht entziehen konnte, „Sie haben Glück, denn in Texas gibt es eine Gesellschaft, die eine Belohnung von fünfhundert Dollar auf den Mann ausgesetzt hat, der eine ihrer Postkutschen überfallen hat. Die Beschreibung passt auf ihn. Ich werde dafür sorgen, dass er und das Geld dorthin zurückgeschickt werden, und ich werde denen schreiben, dass sie die Belohnung an Sie schicken sollen. Das wird ein nettes kleines Zubrot für Sie, jetzt, wo Sie den Großteil von dem Geld Ihrer Tante zurückbekommen haben.“
„Ach — da ist noch etwas“, sagte Cornelia und löste die Kordel ihres Ridiküls. „Das Münzgeld da ist nicht vollständig. Ich habe dreihundert Dollar beiseite gelegt, bevor wir es versteckt haben, denn wenn er doch nicht erwischt worden wäre oder wenn er mein Geld ausgegeben oder versteckt hätte und wenn es für all das keine Belohnung gegeben hätte, wollte ich nicht um mein Erbe gebracht werden.“ Sie zog ein zugeknotetes Taschentuch aus ihrem Beutel, löste den Knoten und schüttete die Goldmünzen in einem ordentlichen Haufen neben dem übrigen Geld auf den Schreibtisch.
Der Sheriff wusste nicht, was er sagen sollte, was bei ihm nur selten vorkam. Die anderen Männer grinsten breit vor Vergnügen, und Thad Summerfield machte große Augen.
„Schließlich“, sagte Cornelia und verschloss ihr Ridikül wieder ordentlich, „hätte man ihn ohne mich nicht erwischt, oder?“
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken der Autorin für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.
Fußnoten:
(1) In dem Gedicht „Pippa’s Song” des Engländers Robert Browning (1812 – 1889) aus dem Jahre 1841 heißt es: „God’s in His heaven — All’s right with the world!“
(2) Aaron Montgomery Ward (1843 – 1913) gründete 1872 in Chicago einen Versandhandel, der seine Artikel im „Montgomery Ward Catalog” präsentierte, aus dem insbesondere die Bewohner ländlicher Gebiete Waren aller Art, die sich sonst nur schwer beschaffen ließen, bestellen konnten und geliefert bekamen.