I.
Abenddämmerung. Sie kamen gewöhnlich in der Abenddämmerung. Der Sheriff und sechs Männer, alle zu Pferd, alle bewaffnet. Die unausgesprochene Bedrohung, die davon ausging, spielte sich in quälender Langsamkeit ab. Die Bewegungen ihrer Reittiere waren die einer Herde, so wie sie sich in einem Albtraum zusammen bewegen mochten, langsam, lässig, in großen Schritten; ihre Köpfe warfen sie zurück, Messingringe am Zaumzeug sangen, und durch den Oktoberstaub auf dem Weg schleiften schwer die Hufe. Mit der Bewegung seines Reittiers unter seinem Sattel war der große Revolver des Sheriffs an seiner Hüfte zu sehen. Der fünfzackige Silberstern, der an seiner offenen Weste steckte, war ebenfalls zu sehen, er blinkte in dem letzten Rest des schwindenden Sonnenlichts. Der Sheriff hatte gerade die Syracuse First National Bank ausgeraubt. Hatte dabei einen hübschen jungen Kassierer getötet. Schien ihn aber nicht zu kümmern.
„Vertrauen Sie mir. Um diese Tageszeit ist keiner zuhause, Deputy, außer vielleicht Irma und Gott“, lachte der Sheriff, packte den Sattelknauf, beugte sich nach vorne und spuckte einen Strahl braunen Tabaksaft auf den Boden.
„Was glauben Sie, wo die sind?“ fragte der Deputy, der auf einem gefleckten Rotschimmel neben ihm ritt und unter der Krempe eines großen grauen Stetsons hinausspähte. Der Hut war ihm mindestens zwei Nummern zu groß, und der Knoten, mit dem das rote Halstuch, das er unter dem Hut auf seinem Kopf trug, festgebunden war, hing in seinem Nacken wie ein Pferdeschwanz.
„Wer? Irma oder Gott?“ machte der Sheriff sich über ihn lustig.
„Nein, Josh, ihr Mann, und ihre beiden Jungs. Sie wissen schon, das Mannsvolk“, antwortete der Deputy todernst. Wie auch die anderen Reiter saß der Deputy kerzengerade im Sattel. Er trug eine offene schwarze Weste. Der Griff des Revolvers an seiner Hüfte war im Holster nach hinten gedreht.
„Ich nehme an, ihre Arbeitsschicht in den Minen geht bis weit nach Einbruch der Dunkelheit. Seine Frau Irma ist vielleicht irgendwo in der Nähe, aber das bezweifle ich. Und selbst wenn jemand zuhause ist, was soll’s? Es spielt keine Rolle, wer zuhause ist. Das sind Farbige. Ich habe eine Dienstmarke. Sie haben eine Dienstmarke. Ein Mann mit einer Dienstmarke kann sich darauf verlassen, wenn er am helllichten Tag Farbige überfällt, wäre Gott trotzdem der einzige Zeuge, und Gott zählt nicht. Gott ist doch sowieso auf unserer Seite, oder nicht?“
„Glaub’ schon“, vermutete der Deputy und kaute dabei.
„Glaub’ schon? Das können Sie ruhig glauben! Ich hätte gedacht, dass ein Mann in Ihrer Position schon seit einiger Zeit begriffen hat, dass es von Gott kommt, dass wir in diesem Land das Sagen haben. Von einem Mann, der da oben sitzt und einen großen alten Hut auf seinem Kopf und diese Marke trägt, so wie Sie. Außerdem, wenn Sie mich gefragt hätten, worüber ich mir Gedanken mache, müsste ich sagen, dass das Einzige, worüber ich mich wundere, ist, was genau der Grund dafür ist, dass Sie zwei Hüte und nicht nur einen tragen?“
„Was?“
„Ich sagte: Warum tragen Sie eigentlich zwei Hüte?“
„Zur Sicherheit. Ein Hut ist dafür da, dass ich ’was auf dem Kopf hab’, und den anderen trage ich zur Sicherheit.“
„Zur Sicherheit…“ Der Sheriff holte Luft, zog die Hosenträger unter seine Weste nach vorn, um seinem Bauch mehr Raum zu geben, und stieß ein Lachen aus, das die Pferde unruhig zu machen drohte: Hooh, hooh, hooh!
„Zur Sicherheit! Sie sind wirklich ein komischer Kauz, Deputy.“ Hooh, hooh, hooh!
Der Rest der Truppe stimmte in das Gelächter ein. Ihre Stiefel baumelten neben den Steigbügeln, während die Pferde weiter langsam vor sich hintrabten.
***
Irma befand sich im Blockhaus und war mit einem Quilt beschäftigt, den sie aus roten, gelben, grünen und violetten Stoffstücken zusammensetzte. Sie genoss eintönige Arbeit. Sie trug ihre Gedanken Tausende von Meilen weit weg von dem flachen, trockenen Land, das das Haus umgab, dem einzigen Land, das sie je gekannt hatte, einem Ödland aus Felsen, Staub und Speergras, das sich in alle Richtungen bis zum Horizont erstreckte, als hätte Gott sich nicht die Mühe gemacht, diesen Teil der Schöpfungsgeschichte detailliert auszuführen. Sie hörte weder das Gelächter noch sah sie den Sheriff und seine Männer, konnte sie weder sehen noch hören, aber sie spürte, dass sie kamen, nicht, weil sie die Staubwolke gesehen hätte, die die Prozession in der Nähe der südöstlichen Grenze des Grundstücks aufwirbelte, an der Stelle, wo der Weg den Maisspeicher und die Schweineställe trennte, oder weil sie das Messing am Zaumzeug klingen gehört hätte; aber dass sie kamen, erkannte sie an dem Gefühl von Angst, Trauer und Resignation, das sie von Geburt an geerbt hatte, und daran, wie das Blut in ihren Eingeweiden brodelte, ein Überbleibsel aus den Tagen der Sklaverei, und an dem widerlichen Geruch von Achselhöhlen und den raubtiergleichen Gelüsten aus dem langen Atem dessen, was die tiefste Verkommenheit an fleischlichen Abscheulichkeiten bot, wie sie schon Jesaja kannte.
Ihr Verstand spürte, dass sie kamen, nicht weil es ein Anzeichen gab, dass das Gesetz im Anmarsch war, sondern wegen der Geschichten, deren Erbin sie war, Geschichten über das, was dauernd passierte, wenn der Sheriff kam, wegen der Warnungen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden und in ihren Träumen auftauchten, seit sie sechs Jahre alt war, ausgelöst von behördlichen Bekanntmachungen, die Zwangsvollstreckungen und Scheunenbrände ankündigten, von der Brutalität, mit der Fleisch lustvoll ausgepeitscht wurde, bis es aufplatzte und nie wieder ganz verheilte, und von den Pfiffen, dem Gejohle und den Beleidigungen der Stadtbewohner in Rudds Taverne sowie der Angst, die durch die Blicke verursacht wurde, mit denen ihre Familie gemustert wurde, wenn sie in Billies Laden einkauften, als hätten sie sich zusammengerottet, um etwas zu stehlen und sich aus dem Staub zu machen. Sie waren lebenslang zu schwarzer Haut, vollen Lippen, platten Nasen, breiten Hüften und krausem Haar verurteilt.
Diese Verurteilung war der Grund, weshalb sie ihren Ehemann anflehte, ja geradezu anbettelte, die Arbeit in den Minen aufzugeben, die Stadt zu verlassen und sich woanders niederzulassen. Dies ist kein Ort für einen guten Mann. Es ist definitiv nicht richtig, dass unsere Söhne in diesen Kampf verwickelt werden. Sie blieben trotzdem, ihr Ehemann und die Söhne. Ihr Mann war erwachsen. Er war früher schon einmal weggeritten, weil er Männer verfolgte, und er war unversehrt zurückgekommen. Vergeltung an Männern, die ihn misshandelt hatten und wegen der Untätigkeit der Behörden ungeschoren davongekommen waren, in die eigene Hand zu nehmen, war eine Ehrensache für einen erwachsenen Mann, nicht für einen Jungen.
Ihren Söhnen, Caleb und Cassius, wuchsen Barthaare, und sie trugen Schusswaffen. Das machte sie erwachsen genug, um in den Minen zu arbeiten, aber nicht erwachsen genug, um den Kampf eines erwachsenen Mannes aufzunehmen. Caleb war ein Jahr älter als Cassius, aber beide Jungs waren im gleichen Tempo aus ihren Hosen herausgewachsen. Ihre Hosen waren an den Knien abgenutzt, genau an den Stellen, an denen sie sich Morgen für Morgen hinknieten, um Eier unten aus dem Hühnerstall zu fischen, bevor sie mit Essen in Henkelmännern und mit roten Bergmannslaternen zu den Minen gingen. Cassius studierte die Bibel. Er war glatt rasiert. Caleb hingegen hatte den buschigen roten Bart eines erwachsenen Mannes und hatte das Lesen nie richtig gelernt. Doch abgesehen von der Gesichtsbehaarung war ein Junge, der fast ein Mann war, einem Sheriff, der Dienstmarke eines Sheriffs und dem großen Revolver eines Sheriffs nicht gewachsen, selbst wenn das Motiv für seine Jagd einfach nur Gerechtigkeit war, um zu rächen, was der Gejagte getan hatte. Sie verlor sich in Gedanken wie diesen, während sie auf einem Hocker saß, der von einem Wirrwarr von Overalls, Mänteln, Säcken, Eissägen, Töpfen, Pfannen und Langwaffen überragt wurde, die an Haken an den Wänden und vor den Fenstern hingen, die an allen Seiten aus den Holzstämmen geschnitten waren und das schwindende Sonnenlicht einrahmten, das es schaffte, bis in den Raum hinein zu gelangen.
Um das Blockhaus zu erreichen, musste die Prozession das Maisfeld passieren, wo Irma den Jungs immer dabei zusah, wie sie herumtobten und die Reihen entlang rannten, als die Maisstängel und die schlaffen Blätter noch hüfthoch waren. Mochten die Jungs jetzt auch groß genug sein, um für die Arbeit in den Minen verpflichtet zu werden, schien es doch erst gerade gestern gewesen zu sein, dass sie immer noch Angst vor den Pferden hatten, die ihr Ehemann Josh im Corral neben dem Haus hielt. Sie erinnerte sich, wie stolz er darauf war, dass seine Familie außer vier oder fünf billigen Gäulen immer auch ein prächtiges Hengstfohlen besaß. Das Zusammensetzen eines Quilts ließ Irma viel Zeit, um Gedanken wie diese durch ihren Kopf strömen zu lassen. Deshalb war die Abenddämmerung ihre liebste Tageszeit. Dann hörte sie die Hunde.
Sie kläfften, bellten und knurrten und drehten sich in alle Richtungen, als sie sich beim Anblick der sich langsam bewegenden Prozession des Sheriffs von ihren Ketten erhoben. Das lockte Irma an das Fenster, wo sie unter der Krempe ihrer Haube die Prozession der Reiter kommen sah. Sie kamen immer noch langsam, zwanglos, überheblich.
Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Es war offensichtlich, dass eines der Pferde, der gefleckte Schimmel, lahmte. Sie blinzelte mehrmals, um mit den Gedanken Schritt zu halten, die ihr durch den Kopf rasten. Sie blickte auf die Haken an den Wänden und dachte an das schöne Hengstfohlen im Corral. Es hatte zwei weiße Fesseln, und es war scheckig, zugeritten, ein Prachtexemplar. Ein Energieschub setzte ihre Beine in Bewegung.
Sie verlagerte ihr Gewicht zur Tür, die auf die hintere Veranda führte, leise, bedächtig. Der unebene Dielenboden knarrte nicht. Sie hielt den Atem an und stellte sich auf die Zehenspitzen. Ihr Herz schien in ihrer Brust zerspringen zu wollen. Oh, Josh, Caleb, Cassius, warum seid ihr jetzt nicht hier, wenn ich euch brauche? Von einem der Haken zog sie die Henry herunter, die einzige gute Langwaffe, die sie besaßen. Ihre Hände zitterten, als sie mit dem Daumen über die Messingplatte rieb und den Repetierhebel betätigte. Die Erinnerung daran, wie sie vor über dreißig Jahren einen Mann tötete, um ihr Leben zu retten, blitzte in ihr auf. Damals hatte sie keine Wahl. Heute verschwammen mehrere einander ausschließende Alternativen in ihren Gedanken.
Auf dem zehn Meilen langen Weg in die Stadt gab es drei weitere Gehöfte. Zwar gab es hier mitten im Nirgendwo nicht viele Ranches, aber diese war die einzige, die Farbigen gehörte. Die Reiter konnten keinem zufälligen Plan gefolgt sein, wenn sie sich die Mühe machten, hierher zu kommen. Sie mussten eine bewusste Wahl getroffen haben, nicht eine der anderen Ranches aufzusuchen, sondern hierher zu kommen.
Irma trat an das Fenster an der Vorderwand des Blockhauss, um bestätigt zu finden, was sie vermutete. Sie kamen in böser Absicht. Sie spürte das Gewicht der Henry, die an ihrer Taille ruhte, und spürte die Macht, die von der Waffe ausging. Sie konnte die Reiter jetzt deutlicher sehen. Sie befanden sich auf dem Feldweg, der geradewegs zum Haus führte. Sie konnte sehen, wie sie ihre Pferde auf das Fohlen im Corral ausrichteten und sich wahrscheinlich darüber unterhielten, es zu stehlen. Sie schob sieben Patronen in den Seitenschlitz des Gewehrs, lud es. Sie dachte: Du bist einfach nur eine dumme Frau. Klar, du hast ein Gewehr, aber wie um alles in der Welt willst du sie alle erschießen, bevor mindestens einer von ihnen dich erwischt? Ist ein Pferd einen so hohen Preis wert? Außerdem müsstest du die Stadt hinter dir lassen, bevor das Gesetz es entdeckt. Die Prozession hielt am Corral an und zog die Aufmerksamkeit der eingepferchten Pferde auf sich.
In der Erwartung, etwas zum Fressen gereicht zu bekommen, führte das Hengstfohlen die restlichen Gäule genau zu den Reitern an der oberen Stange des Zauns. Das Fohlen schnaubte an der verwitterten Zaunlatte. Irma verfluchte das Tier und dachte, dass der Preis für Verrat bei einem Tier nur eine Pfefferminzstange auf der ausgestreckten Hand eines Fremden war. Irma konnte die Reiter jetzt reden hören. Sie waren immer noch nicht abgestiegen.
„Ich glaube, das Fohlen ist ein Hengst, oder?“ sagte der Deputy auf dem lahmenden gefleckten Rotschimmel.
„Ein Mann, der so viel Hut auf dem Kopf hat wie Sie, ist wahrscheinlich nicht gut darin, ein Hengstfohlen von einem Stutfohlen zu unterscheiden, oder? Zum Kuckuck, selbst mit einer maßstabsgerechten Zeichnung in der einen Hand und einer Lupe in der anderen würden Sie den Unterschied nicht erkennen, oder? Sind Sie noch Jungfrau, Deputy?“ lachte der Sheriff.
Gelächter.
Die übrigen Männer beugten sich über ihre Sattelknäufe und warteten, während der Hilfssheriff sich mit dem Fohlen anfreundete. Der Sheriff schwang ein Bein über sein Pferd und ließ sich, die Zügel immer noch in der Hand, zu Boden gleiten.
„Sie sind derjenige, der den Schimmel so geritten hat, dass er sich verstaucht hat. Wir sollten einfach weiterreiten und Sie hierlassen, dann können Sie sich das Fohlen alleine unter den Nagel reißen“, sagte der Sheriff.
„Wir reiten seit Jahren zusammen und sind die ganze Zeit zusammengeblieben, und noch hat uns niemand wegen Pferdediebstahls eingebuchtet. Es ist mir schnurz, ob Sie alle weiterreiten oder nicht, während ich mir das Fohlen hole, um ehrlich zu sein.“
„Nein, es wird wohl keiner Ihren Kopf in eine Schlinge stecken, zumal wir den einzigen Strick im County haben … Den einzigen Strick und den einzigen Friedensrichter. Gehen Sie schon rein da und freunden Sie sich an mit diesem schönen Fohlen.“
Irma holte tief Luft und trat vom Fenster zurück. Sie hatte recht. Die Männer führten nichts Gutes im Schilde. Sie waren gewöhnliche Pferdediebe. Die Dienstmarken hatten nichts zu bedeuten, jedenfalls nichts Gutes. Sie überlegte, dass sie durch die Hintertür des Blockhauses gehen und sich verstecken könnte. Sie könnte das Ganze einfach geschehen lassen. Nachgeben und nichts dagegen unternehmen, dass sie das Fohlen mitnehmen, nur um sie loszuwerden. Nachdem sie sich das, worauf sie es abgesehen haben, genommen haben, werden sie wieder verschwinden. Sie musste sich ihnen nicht in den Weg stellen. Sie konnte die Sache einfach ihren Lauf nehmen lassen, konnte sie tun lassen, was sie wollten, ohne einzugreifen.
***
Der Deputy sprang von seinem Pferd. Plötzlich stand auch er auf seinen Beinen. Der Sheriff ging vorsichtig auf das Blockhaus zu, wie ein Rotwild, das sich nicht sicher ist, ob es grasen oder nach Raubtieren Ausschau halten soll, während der Deputy sich unter der untersten Stange hindurchwand, um den Corral zu betreten. Der Sheriff war höchstwahrscheinlich klug genug, zu erkunden, ob jemand zuhause war, ob es Zeugen gab.
Irma wich zurück. Dass der Sheriff näher kam, würde sie zwingen, sich zu entscheiden, ob sie antworten wollte oder nicht. Wie in Trance ging sie, die Henry fest umklammert, von der Vorderwand des Hauses rückwärts. Der Lauf war auf den Boden gerichtet. Ihr Ringfinger krümmte sich um den Abzug. Sie ging so weit wie möglich von der Haustür weg. Das Klopfen des Sheriffs war beharrlich, fordernd, bestimmend. Mindestens drei oder vier weitere Mal klopfte er an, und dann war Stille. Irmas Rücken drückte sich gegen die kalten Holzstämme an der hinteren Wand. Ihr Pulsschlag hämmerte gegen ihren Kiefer und die Seite ihres Halses.
„Jemand zuhause?“ kam der fragende Ruf des Sheriffs.
Sie antwortete nicht, konnte nicht antworten. Eine Antwort würde bedeuten, eine Entscheidung treffen zu müssen, sich über das weitere Vorgehen klar zu werden. Sie hatte sich weder entschieden noch war sie sich klar geworden. Sie blieb stumm, regungslos, unverwandt. Ihr Herz raste und pumpte wahnsinnige Mengen von Adrenalin durch ihr Blut, um den Anforderungen der Situation gewachsen zu sein. Liebster Jesus, steh’ mir bei …
Vom Corral aus rief der Deputy: „Scheint unser Glückstag zu sein, Sheriff! Sieht aus, als wäre niemand zuhause!“
Der Sheriff war nicht überzeugt. Er klopfte fester. Es kam keine Antwort, also klopfte er noch fester, immer und immer wieder.
Der Deputy drängte: „Warum gehen Sie nicht einfach rein, Sheriff? Möchte zu gerne wissen, was es zum Abendessen gibt.“
„Nichts da. Verschwinden Sie von hier.“
Ihre Köpfe fuhren zur Ecke des Blockhauses herum. Irma hielt den Lauf der Henry waagrecht und richtete ihn direkt auf den Sheriff. Sie hatte den Kopf des Sheriffs im Visier.
Sie bemerkte den überraschten Gesichtsausdruck des Sheriffs, das Erschrecken eines Mannes, der überzeugt war, dass er gleich seinen letzten Atemzug machen würde. Irma hatte ihn überrumpelt. Sie kam jetzt langsam näher, ohne den Blick vom Visier ihres Gewehres zu nehmen, und bahnte sich ihren Weg durch das kniehohe, nach Regen dürstende Gras. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie den Deputy zu Fuß im Corral und die anderen Reiter, die noch auf ihren Pferden saßen. Ihre Reittiere starrten verständnislos auf das Schauspiel und schlugen mit ihren Schwänzen, um Fliegen zu verscheuchen.
Irmas Blick huschte zwischen dem Sheriff, dem Deputy und den Reitern, die noch auf ihren Pferden saßen, hin und her, um sie davon abzuhalten, plötzliche, dumme Bewegungen zu machen, und um gleichzeitig deutlich zu machen, dass eine Frau, die sie überrumpelt hatte, eine Frau war, die ohne Weiteres in der Lage war, die Situation zu beherrschen. Sobald dem Sheriff klar geworden war, dass er es mit einer Frau zu tun hatte, verwandelte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht in Erleichterung, ja sogar in Belustigung.
„N’Abend, Ma'am“, sagte der Sheriff und traute sich, an die Krempe seines Stetsons zu tippen.
Irma hatte sich entschieden, sich nicht zu verstecken. Stattdessen hatte sie sich entschieden, das Risiko einzugehen, durch die Hintertür zu schlüpfen und um die Ecke des Blockhauses herumzugehen. Sie wusste, wie man Pferdediebe überrumpelte. Sie wusste, wie sie das Recht in ihre eigenen Hände nahm. Sie wusste, was sie vorhatten, und sie wusste, welchen Beitrag die Henry leisten konnte, um für Gleichheit zu sorgen.
Sie würde nicht zulassen, dass der Sheriff und seine Männer ihre Rechte verletzten, einfach das Anwesen ihrer Familie betraten, sich nahmen, wonach ihnen der Sinn stand, und einfach davonritten. So ging das nicht, ob sie nun eine Farbige war oder nicht. Sie würde es auf gar keinen Fall zulassen, dass sie dieses schöne Fohlen mitnahmen, zumindest nicht kampflos. Sie würden die Autorität einer farbigen Frau – oder überhaupt irgendeiner Frau – oder die Eigentumsrechte von Farbigen nie wieder achten, wenn sie sich nicht zur Wehr setzte. Sie wusste, dass sie in der Unterzahl war, aber der Lauf einer Langwaffe veränderte diese Gleichung völlig. Dessen war sie sich sicher.
Irma erteilte einen energischen Befehl – mit einer männlichen Stimme, von der sie nicht einmal wusste, dass sie sie besaß, einer Stimme, die nicht nur nicht zitterte, sondern auch keinerlei Anzeichen dafür gab, dass sie jemals zittern würde: „Sie sagen den Kerlen da drüben, sie sollen ihre Pistolen fallen lassen, wieder aufsitzen und von diesem Grundstück wegreiten, verstanden? Das hier ist eine Henry.“
„Sind Sie völlig verrückt geworden, Lady? Soweit kommt das noch. Ich lasse mir von keiner Lady Vorschriften machen“, sagte der Sheriff.
Irma zielte mit dem Gewehr auf ihn. „Es wäre ein Fehler, es nicht zu tun, Pferdedieb.“
„Ich bin kein Pferdedieb. Verdammt noch mal, Frau, ich bin der Sheriff.“
„Sie sind kein echter Gesetzeshüter. Sie sind ein gewöhnlicher Pferdedieb.“
„Sie sind nicht einmal groß genug, um dieses schwere Gewehr hochzuhalten, Ma’am. Sie sehen nicht so aus, als hätten Sie jemals in Ihrem Leben etwas getötet, geschweige denn einen Sheriff. Warum nehmen Sie nicht einfach die Waffe runter? Na?“
Irma ging noch näher auf den Sheriff zu und zielte immer noch mit dem Gewehr auf ihn. Sie gab der Drohung, die von ihr ausging, Nachdruck. Sie war sich noch nicht darüber im Klaren, was sie tun sollte, um die Pattsituation aufzulösen, aber sie ging weiter. Langsam. Je näher sie kam, desto besser konnten die Kerle sie sehen.
„Ich nehme sie runter, wenn der Lauf zu heiß wird“, konterte sie.
„Hey, die kenne ich! Sie ist nur eine Hure, nicht mehr“, mischte sich der Deputy in einem Tonfall ein, der verärgert, verschwörerisch und süffisant klang. „Zum Kuckuck, ich glaube, ich kenne sie aus dem Haus von Madame Shirley, im County nebenan. Ist schon ein paar Jahre her. Die Lady ist eine Hure. Sie hat vor Jahren in dem County einen nicht ganz sauberen Sheriff umgebracht, weil es dieser Wildkatze nicht passte, dass sie in dem Haus um ihren Lohn gebracht wurde.“ Der Deputy machte zwei bedrohliche Schritte auf die Pattsituation zu. „Ja, das ist sie. Ganz sicher. Legen Sie sich besser nicht mit ihr an, Sheriff“, fügte der Deputy sarkastisch hinzu.
Irmas Gesicht füllte sich mit einem Ausdruck von Hass. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „Sie verwechseln da ’was. Ich bin nicht die, für die Sie mich halten.“
„Keineswegs, ich hab’s höchstpersönlich mit Ihnen getrieben. Ich weiß, wer Sie sind, Lady“, beharrte der Deputy.
„Einen Scheißdreck weißt du. Pass’ bloß auf, was du sagst“, entfuhr es Irma.
„Ja, ich glaube, Sie haben recht, Deputy. So spricht eine richtige Hure“, meinte der Sheriff.
„Ich wette, sie hält sich jetzt für eine anständige angesehene Dame, wo sie doch ein schickes Häuschen besitzt und einen Ehemann hat, ihre Familie und alles, diese eingebildete kleine Hure“, sagte der Deputy abschätzig. „Wäre doch wirklich schade, wenn ihr Mann herausfinden würde, wer sie wirklich ist, kann ich mir denken, oder? Ich wette, sie hat immer noch diese kleine knackige Figur. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Zum Anbeißen!“
„Vorsichtig mit dem, was Sie sagen“, sagte Irma und hielt die Waffe immer noch fest. „Sie erinnern sich an nichts von mir, weil Sie nicht mit mir zusammen gewesen sind. Sie erinnern sich an nichts, weil es nichts gibt, woran Sie sich erinnern könnten.“
„Ich kenne Josh. Ihr Mann hat keine Ahnung. Er ist einer, der zur Kirche geht. Er hat die beiden Jungs und alles. Ob die wohl die ganze Geschichte ihrer Mutter kennen?“ fügte der Sheriff hinzu.
„Das stimmt nicht“, beteuerte Irma.
„Aber wenn wir oft genug darüber sprechen, denkt Ihr Mann vielleicht, dass da etwas dran ist. Und denken Sie an die guten Leute, die zur Kirche gehen. Was würden die dazu sagen?“ stellte der Sheriff in den Raum.
Mein Mann weiß es schon, aber meine Jungs haben keine Ahnung, dachte sie. „Das wäre nur ein Gerücht.“
„Wo ist der Unterschied?“ fragte der Sheriff mit einem Lachen.
„Es ist kein Beweis.“ Sie schüttelte das Gewehr, um alle daran zu erinnern, dass sie die Situation immer noch beherrschte. Ihre Wange lag flach auf dem Gewehrkolben. Sie blinzelte zum Korn, um den Sheriff im Visier zu behalten.
„Ziemlich großes Wort, Beweis“, sagte der Sheriff abschätzig. „Als Sheriff dieses Countys habe ich von Berufs wegen mit Beweisen zu tun, und ich kann Ihnen sagen, dass eine ganze Menge besprochen werden muss, ehe Beweise überhaupt eine Rolle spielen. Es wäre vernünftig, jetzt einfach dieses Gewehr runterzunehmen und uns dieses Pferd mitnehmen zu lassen, meinen Sie nicht?“
„Ich höre, was Sie sagen“, sagte sie und benutzte den Gewehrlauf, um den Sheriff von der Vorderseite des Hauses wegzudrängen.
***
In Irma war ein Gefühl der Verwirrung. Der Gedanke, den Abzug zu betätigen, blieb stark, aber sie würde nicht alle erwischen können, bevor mindestens einer von ihnen Zeit hatte zu ziehen. Keine Chance. Jemand würde entkommen, sie vielleicht sogar treffen. Josh kannte ihr Geheimnis, aber die Söhne, Caleb und Cassius, hatten keine Ahnung. Die Menschen in der Kirche hatten keine Ahnung. Die Leute in Rudds Taverne hatten keine Ahnung. Ihr Geheimnis war wirklich in jeder Hinsicht sicher. Dies war ihr neues Leben. Tränen begannen ihr über die Wangen zu laufen. Sie konnte nicht alle erschießen, und die Reiter, die flohen und entkamen, würden ihr Geheimnis überall ausplaudern, wo sie nur konnten, und die Wahrheit würde schließlich bei ihren Söhnen ankommen.
Je länger sie die Henry unerschütterlich festhielt, desto unbarmherziger, vorwurfswoller, selbstgerechter und hämischer wurde der Blick des Sheriffs, alles gleichzeitig. Sein Revolver steckte immer noch im Holster. „Das ist der Deal, Lady: Sie legen dieses große alte Gewehr weg, und wir tauschen unseren lahmen Schimmel gegen Ihr Fohlen aus und fertig. Ganz einfach. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Wir kriegen unser Pferd. Sie behalten Ihren guten Ruf. Wenn sich das für Sie nach einem guten Geschäft anhört, bleibt unser Geheimnis unter uns. Wenn nicht, nehmen wir das Fohlen trotzdem mit, aber wir werden auch dafür sorgen, dass die ganze Welt die Wahrheit darüber erfährt, wer Sie wirklich sind. Ihr Mann wird es viel weniger hassen, dieses Fohlen zu verlieren, als die Wahrheit über seine Ehefrau zu erfahren.“
Irma musste nachdenken. Die Gedanken waren nicht ausgeklügelt oder geordnet. Sie waren gehetzt und knapp. Wenn sie den Sheriff erschoss, würden die anderen Burschen ihre Revolver auf der Stelle aus den Holstern ziehen, und selbst wenn sie keine geübten Schützen sein sollten, würde jemand sie treffen. Das wäre dann ihr Ende. Die Überlebenden würden in der Stadt Lügen darüber verbreiten, was passiert war, und ihre Söhne wären für ihr Leben gezeichnet. Logisches Denken machte sich in ihrem Kopf breit und kollidierte mit diesen Gedanken.
Den Sheriff zu erschießen, wäre eine große Dummheit. Es wäre die einzige Alternative, bei der sie mit Sicherheit alles verlieren würde. Ihre Söhne würden gewiss lieber ein Fohlen als ihre Mutter verlieren. Wenn sie nachgab und ihnen einfach das Fohlen überließ, würde das letztlich zum selben Ergebnis führen, wie wenn sie sich versteckt gehalten hätte. Sicher, sie würden das Fohlen bekommen, aber sie selbst würde ihre Würde behalten, ihre Familie würde den Rest ihres Lebens zusammenbleiben; wenn die Männer ihr Wort hielten, würde sie ihr Geheimnis und ihren Ruf bewahren; selbst wenn sie ihr Wort nicht halten würden, wäre sie am Leben und könnte sich dagegen zur Wehr setzen; und in ihrer Zukunft würde es andere schöne Pferde geben, mit denen sie Handel treiben konnte. Irma ließ das Gewehr sinken. „In Ordnung, Sie haben gewonnen. Nehmen Sie das Fohlen und verschwinden Sie.“
Der Sheriff und der Deputy lachten vor Erleichterung.
Das erlaubte dem Deputy, mit seiner Geringschätzung nachzulegen. „Lady, wie sind ausgerechnet Sie auf die Idee gekommen, uns mit einem Gewehr zu bedrohen? Sie haben einen guten Mann geheiratet, der in die Kirche geht, haben seine Kinder zur Welt gebracht, und Sie kümmern sich hier draußen um ein schönes Stück Land, schön jedenfalls für Farbige. Warum sind Sie nicht einfach geblieben, wo Sie waren? Hätten sich nicht gerührt und keinen Ärger gemacht. Steht in der Bibel nichts zu so einem Thema?“
„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie überhaupt lesen können“, murmelte Irma.
„Kann ich auch nicht! Aber ich kann reiten, und ich kann schießen! Und damals konnte ich eine hübsche freche kleine Dame wie Sie besteigen, wenn mir danach war! Ich wette, Sie haben immer noch diese kleine knackige Figur. Zum Anbeißen. Sie sind immer noch so knackig, oder? Vielleicht sollten wir Ihnen dieses schicke Kleid ausziehen und nachgucken“, höhnte der Deputy.
„Nehmen Sie das Pferd und verschwinden Sie“, knurrte Irma. „Eines Tages wird jemand irgendwo dafür sorgen, dass Sie dafür bezahlen.“
II.
Es war schon nach Einbruch der Nacht, als Josh und die Jungs aus den Minen nach Hause kamen. In der Dunkelheit war nur das Zirpen von Grillen zu hören. Irma saß auf einem Hocker und hatte ihre Beine um ein Butterfass gespreizt. Sie hob den Stößer über ihren Kopf so hoch, wie es die Spanne ihrer Arme erlaubte, und stieß ihn wütend immer wieder in den Bottich, sodass die gelbe Flüssigkeit überschwappte. Die Arbeit war eine Art Heilmittel. Während des Butterns dachte sie nicht an das gestohlene Pferd oder irgendetwas anderes als die gelbe Butter, und sie traute sich nicht, an etwas anderes zu denken.
Sie hatte die Gaslaternen angezündet, und im Kamin aus Feldsteinen brannte ein Feuer, das flackerndes gelbes Licht und Schatten in alle Richtungen warf. Aber neben dem Licht und der harten Arbeit hatte sie eines nicht, was sie brauchte: eine Erklärung. Das Pferd war weg. Nichts würde das ändern. Ihr Ehemann würde es bemerken. Auch daran würde sich nichts ändern. Sie musste sich eine Erklärung einfallen lassen, und zwar schnell.
Irma war nicht besonders gut im Lügen. Sie wusste, dass sie eine dicke Lüge brauchen würde, um zu erklären, warum das Fohlen fehlte und wie ein lahmender gefleckter Rotschimmel an seiner Stelle in die Herde gekommen war. Sie hatte keinerlei Eingebung, bis es soweit war, dass Josh und die Jungs durch die Tür kamen. Jetzt blieb keine Zeit mehr.
„Was geht hier vor sich?“ fragte Josh.
„Ich habe euer Abendessen schon fertig. Brötchen, Sirup, Speck.“
„Nein. Das Fohlen. Es ist weg“, sagte Josh gerade heraus.
„Was?“ täuschte Irma Ahnungslosigkeit vor.
„Was ist mit dem Fohlen passiert?“ schaltete sich Caleb in die Befragung ein.
„Was meint ihr damit?“ Irma butterte schneller.
„Das Fohlen ist nicht mehr im Corral, es ist weg!“ rief Josh aus.
„Stattdessen ist ein alter lahmer Schimmel in der Herde“, erklärte Cassius.
Irma versuchte zu sprechen, aber erst einmal brachte sie nichts heraus. Dann versuchte sie schnell zu sprechen, um mit dem Buttern Schritt zu halten. Das war ein Fehler. „Ich war im Haus, habe gearbeitet. Ich dachte, ich hätte Männer reden hören, aber als ich ans Fenster ging, um nachzusehen, was los war, waren sie nicht mehr da, und das Fohlen war auch weg. In der Herde ist mir dieser Schimmel aufgefallen, wie ein Geist. Ich weiß nicht, was passiert ist, jedenfalls nicht genau.“
Josh blinzelte zunächst, sagte aber nichts.
„Pferdediebe!“ bellte Cassius und kickte seine Bergmannslaterne über den Boden.
„Sie haben unser Fohlen gestohlen, Pa“, fügte Caleb hinzu und drängte seinen Vater, etwas zu sagen.
„Ich hatte schon überlegt, mit dem Fohlen zu einem Pferderennen zu gehen …“, sagte Cassius.
„So etwas hättest du auf gar keinen Fall getan“, unterbrach ihn Josh, um seine Autorität wiederherzustellen. „Ich lasse nicht zu, dass du Geld verlierst, wenn du auf Pferderennen wettest.“
„Wir müssen etwas unternehmen, wir können nicht einfach zusehen, wie sie hier aufkreuzen und unser Pferd mitnehmen, und noch dazu unser bestes Pferd. Verfluchte Diebe. Die haben hier nichts verloren. Darum geht’s. Es muss doch etwas geben, was wir dagegen tun können“, sagte Caleb in der inständigen Hoffnung, dass sein Vater die Puzzleteile zusammensetzen würde.
„Wir lassen sie auf keinen Fall damit durchkommen“, beruhigte Josh ihn. „Wir stellen ein Aufgebot zusammen.“
„Und wie soll das gehen?“ fragte Caleb.
„Indem wir die Behörden einschalten. Wir gehen in die Stadt. Zum Sheriff. Ich habe den Kaufvertrag für das Fohlen“, sagte Josh und ordnete seine Gedanken, als wären es Beweisstücke in einem Rechtsstreit.
Irma hätte den Zug genau in diesem Moment aufhalten können. Sie hätte die Rachegelüste, die gerade Fahrt aufnahmen, bremsen können, wenn sie einfach die Wahrheit gesagt hätte. Aber sie sagte nicht die Wahrheit. Sie wusste nicht, wie sie es anstellen sollte.
„Wann gehen wir in die Stadt, um ein Aufgebot zusammenzustellen, Pa?“ fragte Caleb.
„Morgen“, entschied Josh.
„Morgen wird ein höllischer Tag“, prophezeite Cassius.
III.
Am nächsten Tag schnallten sich Josh, Caleb und Cassius ihre Waffengurte um, inspizierten und reinigten die Trommeln ihrer Colt-Revolver, steckten ihre Waffen in die Holster, und ritten am helllichten Tag in die Stadt, um den Sheriff aufzusuchen, und es wurde tatsächlich ein höllischer Tag. Sie hatten einen Plan. Sie wollten einen Pferdedieb verhaften lassen. Sie waren überzeugt, dass ein Pferdedieb das Schicksal eines Pferdediebs verdiente, nämlich einen Lynchmob und einen Strick.
Dass es so ausgehen würde, war keineswegs unumstößlich. Es war nicht so, als stünde es so in der Heiligen Schrift, die Caleb las, aber sie glaubten, dass das Gesetz ihnen das Recht dazu verlieh. Sie glaubten das voller Inbrunst. Sie glaubten, in seinem County wäre der Sheriff so etwas wie ein Erlöser, ein Mann, der gesalbt war, das Gesetz durchzusetzen, ein Mann, der mit der Autorität ausgestattet war, ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Da heute Gerichtstag war, wussten sie, wo er zu finden war. Er würde im Stockwerk über dem Saloon sein und Rechtsfälle vortragen, beispielsweise Streitigkeiten über Spielschulden, Viehverkäufe und Grundstücksübertragungen. Also stiegen sie, um den Sheriff aufzusuchen, die Treppe im Saloon hinauf und hofften auf Gerechtigkeit.
***
Der Friedensrichter schlug mit einem Hammer hart auf einen Holzblock. Der ganze Tisch, an dem er Gericht hielt, hüpfte. Der Raum war voll mit seinem Publikum. Der Raum sah aus und roch wie ein Theater. Der kreisrunde Ziegenbart des Richters war weiß, und die dicken Gläser seiner Drahtgestellbrille vergrößerten seine Augäpfel in einem enormen Maß. Er pochte auf Ordnung.
Das Geräusch des Hammers, der auf den Holzblock schlug, ließ die Hühner in Käfigen im hinteren Teil des Raums anfangen zu gackern. Das Gegacker schien eine Welle von Aufregung im Rest des Raums auszulösen. Einige der Leute aus der Stadt standen auf und begannen umherzugehen. Andere unterhielten sich über Punkte, die sie in ihren Rechtsstreiten vorbringen wollten. Wieder andere kümmerten sich um die Hühner in den Käfigen. Josh entdeckte den Sheriff und seinen Deputy, die regungslos in dem Chaos saßen, und er machte sich durch das Labyrinth der Leute aus der Stadt auf den Weg zu ihnen.
„Ruhe! Ruhe!“ Der Richter hämmerte weiter. Im Raum war immer noch keine Ruhe eingetreten.
Josh ging mitten durch das Chaos zum Sheriff, während seine Söhne an der Tür warteten.
„Das Gericht befindet sich in einer Verhandlung, Josh. Sie können jetzt nicht einfach zu mir kommen“, belehrte ihn der Sheriff.
„Das nennen Sie ein Gericht?“
„Allerdings, und es ist am Verhandeln.“
„Das hier ist ein ordentliches Gericht“, meldete sich der Deputy. „Josh, Sie wissen, dass Sie vor einem ordentlichen Gericht nichts zu suchen haben.“
„Sie haben hier wirklich keinen Termin, oder, Josh? Ich habe Ihren Namen nicht auf der Prozessliste gesehen.“ Im Gegensatz zum Deputy beachtete der Sheriff die Grundregeln der Höflichkeit.
„Aber ich muss …“
„Außerdem hat niemand hier Ihr Pferd gestohlen, Josh, also warum lassen Sie uns nicht einfach in Ruhe und verschwinden Sie?“ platzte der Deputy heraus.
Der Sheriff stieß den Deputy mit dem Ellenbogen an, um ihn zum Schweigen bringen.
„Sie in Ruhe lassen? Was soll das heißen? Woher wissen Sie überhaupt, dass ich hier bin, um ...“
Der Richter schlug mehrmals mit dem Hammer und verlangte Ruhe.
Wie vor den Kopf geschlagen zog sich Josh von dem Sheriff und seinem Deputy zurück. Während er begann, über das, was der Deputy zu ihm gesagt hatte, nachzudenken, nahm er seine Söhne aus dem Chaos des Raums im Obergeschoss mit und ging zurück nach unten in den ruhigen Saloon. Dort suchten sie sich einen Platz am entfernten Ende des Tresens abseits vom Lichtschein der Gaslaternen. Der Barkeeper begrüßte Josh, aber Josh rührte keinen einzigen Drink an. Er war Kirchgänger.
Josh und die Jungs beobachteten die Treppe von ihrem Standort aus und warteten auf den Sheriff. Josh berichtete Caleb und Cassius, was sich oben zugetragen hatte. Ich muss meiner Frau für dieses Pferd Gerechtigkeit verschaffen. Das muss ich tun. Wenn du zulässt, dass ein anderer dir auch nur einen Teil der Gerechtigkeit wegnimmt, bist du überhaupt kein richtiger Mann mehr, dachte Josh. Aber er achtete darauf, nichts in dieser Richtung zu seinen Söhnen zu sagen. Stattdessen sagte er: „Warten wir hier, bis uns der Sheriff selbst eine genaue Erklärung dafür gibt.“
Von ihrem Standort am Ende des Tresens beobachteten sie die Treppe. Es war ausgeschlossen, dass der Sheriff ihnen unbemerkt entwischen konnte. Im Spiegel über der Bar konnten sie auch den Rest des Raums beobachten, die Tische, die Schwingtüren zur Straße, einfach alles. Mit stockender Stimme sagte Josh: „Jungs, ich will glauben, dass der Sheriff ein ehrlicher Mann ist. Wirklich.“ Caleb zog seinen Revolver aus dem Holster und legte ihn auf den Tresen. Josh und Cassius hatten ihre Revolver noch in den Holstern. Caleb vertrieb sich die Zeit, indem er träumerisch über die Schwingtüren hinaus auf die im Sonnenlicht liegende Straße blickte.
Auf der Straße fuhren ein paar Buggys vorbei. Die Gaslaternen im Saloon brannten, aber die Mittagssonne ließ die flackernden Lampen allmählich überflüssig erscheinen. Zwei Cowboys, die Stetsons trugen, lehnten sich an das Ende des Tresens, das der Treppe am nächsten lag. Auch im Saloon waren ein paar Cowboys. Sie tummelten sich an den über das Lokal verstreuten Tischen, lachten, erzählten sich gestenreich Geschichten und knallten kleine Whiskeygläser auf die Tische. An den Wänden lehnten Gewehre. Die Flügel der Tür schwangen hin und her, wann immer jemand sich entschlossen hatte, den Saloon zu betreten oder ihn zu verlassen.
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Endlich kamen der Sheriff und der Deputy die Treppe herunter, lachend, triumphierend, ausgelassen, als hätten sie oben gerade einen Prozess gewonnen. Dann entdeckten sie Josh und die Jungs. Das änderte ihre Laune.
Anstatt einfach den Saloon zu verlassen, nahmen der Sheriff und der Deputy widerwillig einen Platz an dem Josh und den Jungs gegenüberliegenden Ende des Tresens ein. Sie taten so, als würden sie dort die Gesellschaft der beiden Cowboys suchen. Wenn sie weitergegangen und den Saloon durch die Schwingtüren verlassen hätten, auf den hölzernen Gehsteig getreten und von dort über die Straße gegangen wären, hätte das wie ein Schuldeingeständnis ausgesehen, sodass sie davon absahen, dies zu tun. Immerhin war ihr Abstand zu Josh so, dass dieser sie ansprechen konnte, auch wenn der Abstand zu groß war für eine körperliche Auseinandersetzung. Daher entschied sich Josh, zuerst zu sprechen.
„Was halten Sie davon, wenn wir ein Aufgebot zusammenzustellen für die Suche nach meinem verschwundenen Fohlen, Sheriff? Dem mit den beiden weißen Strümpfen. Ich habe die Papiere dafür“, sagte Josh so laut, dass es jeder im Saloon hören konnte.
„Ein was?“
„Ein Aufgebot. Es gibt einen Pferdedieb in diesem County, den wir verhaften müssen.“
„Woher wissen Sie das?“
„Woher wussten Sie das, Deputy? Das ist die bessere Frage. Finden Sie nicht auch, Sheriff?“ Wütend sah Josh den Deputy direkt an. Jetzt konnte er in dessen Augen lesen, dass er tatsächlich der Pferdedieb war.
„Können Sie Gedanken lesen, Josh?“ fragte der Sheriff und versuchte ein Ablenkungsmanöver, um Josh den Wind aus den Segeln zu nehmen.
„Können Sie’s? Ihr Deputy hier hat vorhin über das gesprochen, was mir durch den Kopf ging, bevor ich überhaupt ein Wort gesagt habe“, antwortete Josh. Er war entschlossen, sein Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren.
„Soso, woher wissen Sie überhaupt, dass Ihr Fohlen gestohlen wurde? Haben Sie gesehen, dass es gestohlen wurde? Was ist Ihr Beweis?“ fragte der Sheriff.
„Meine Frau hat es mir erzählt.“
„Ihre Frau!“ rief der Deputy aus. „Auf Ihre Frau kann man sich nicht verlassen, Josh. Ich hab’ gedacht, Sie wissen das.“
„Warum?“ Cassius machte einen Schritt vom Tresen weg und nahm sich das Recht, sich einzumischen. Sein Vater ließ es geschehen.
„Erstens ist sie farbig“, parierte der Deputy Cassius’ herausfordernde Frage.
Klick. Die Antwort stellte Cassius nicht zufrieden. Im Gegenteil, er zog seinen Revolver im Holster ein Stückchen nach oben und spannte ihn. Die Furchen auf seiner Stirn zeigten Wut. Klick. Klick.
„Sachte, Junge!“ rief Josh aus und hob seine Hand, als wäre sie ein Schutzschild.
Der Sheriff hob die Hände, um sein Gesicht zu schützen, griff aber nicht nach seiner Pistole, jedenfalls noch nicht. „Hey, immer mit der Ruhe. Hör’ auf deinen Pa, wie es ein guter Junge tut. Ganz ruhig, Junge. Wir können das wie Männer klären.“
„Und sie ist eine Frau. Das sind schon zwei Gründe.“ Der Deputy ließ nicht locker.
„Das reicht, Deputy!“ sagte der Sheriff energisch, aber der Deputy ignorierte die Ermahnung des Sheriffs.
„Das sind sehr gute Gründe“, beharrte der Deputy.
„Sie hat erzählt, dass die Pferdediebe sich angeschlichen haben, als sie im Haus war“, erklärte Cassius, während er seinen Finger immer noch um den Abzug gekrümmt hielt. Das Gewicht des schweren Colt-Revolvers in seiner Hand ließ ihn seine Macht spüren, als ob die Waffe ihn zu einem Mann machte, der jedem anderen Mann im Saloon fast ebenbürtig war, dem Sheriff, dem Deputy, seinem Vater, den Cowboys.
„Dann hast du gerade den dritten Grund geliefert, Junge“, argumentierte der Deputy.
„Was ist der dritte Grund?“ fragte Josh. „Mir ist einer entgangen.“
„Demnach ist sie eine Lügnerin. Das ist Nummer Drei.“ Der Deputy legte seine Hand auf den Griff seiner Waffe, zog sie aber nicht.
„Demnach ist sie eine Lügnerin … warum?“ fragte Caleb. Auch er war bereit, die Ehre seiner Mutter zu verteidigen.
„Die Hunde“, sagte der Sheriff. „Männer hätten sich vielleicht an ihr vorbeischleichen können. Aber die Hunde hätten wie verrückt gebellt, wenn ein Haufen Pferdediebe oder überhaupt irgendein Fremder auf euer Grundstück gekommen wäre. Wann haben sich die Hunde das letzte Mal ruhig verhalten, wenn sich da draußen etwas bewegt hat, und haben nicht gebellt, na?“
Josh und Cassius schauten zur Seite. Das war ein Beweis. Ein Beweis hatte Gewicht. Er beendete die Pattsituation. Sie fingen an, in ihren Gedanken nach Antworten zu suchen.
„Und Nummer fünf: Sie ist eine Hure! Wir hätten uns nicht auf einen Deal mit einer Hure einlassen sollen!“ schrie der Deputy, wirbelte herum und zog.
Der Sheriff zog. Josh zog. Cassius zog. Tatsächlich zogen alle, das heißt, alle außer Caleb. Caleb griff nach seinem Revolver, der immer noch auf dem Tresen lag. Das machte aus der ganzen Auseinandersetzung eine Sache, deren Ausgang vorbestimmt war.
Schüsse kamen aus allen Richtungen, viel zu viele Schüsse, als dass man sie hätte zählen können. Die meisten Kugeln verfehlten ihr Ziel und trafen jede erdenkliche Stelle im Saloon, die Gaslaternen, das Holz des Tresens, den Spiegel, praktisch alles. Der Revolver des Sheriffs verfing sich sogar in seiner Weste, als er zog, sodass er gleichzeitig versuchen musste, die Waffe frei zu bekommen und zu schießen, was zur Folge hatte, dass er in den Fußboden schoss. Er hatte Glück, dass er sich nicht selbst traf, aber vielleicht tat er das doch.
Die Schießerei ließ die Cowboys und den Barkeeper auf die Straße rennen. Überall war blauer Rauch. Es fielen weitere Schüsse. Man hörte das Geräusch von splitterndem Glas und noch mehr Schüsse. Dann war es wieder still.
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Alle waren getroffen, das heißt, alle außer Caleb und Cassius.
Der Sheriff war tot, ins Gesicht geschossen. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden in einer dunkelroten Blutlache. Josh hatte einen Bauchschuss und klammerte sich an sein Leben. Er sank an der Stelle, an der er am entfernten Ende des Tresens gestanden hatte, auf die Knie, hielt sich den Bauch und sackte zu Boden. Ein Blutfleck durchtränkte sein Hemd. Blut war auch auf auf seiner rechten Schulter, seiner rechten Hand und der rechten Seite seiner Brust.
Der Ausdruck auf Joshs Gesicht ließ mehr Bedauern als ein Sichaufgeben erkennen. Der Deputy lag flach auf dem Rücken und starrte mit offenem Mund an die Decke. Sein Brustkorb hob und senkte sich unter Schmerzen. Er lebte noch und rang nach Luft. Blut war unter seinem Hemd zu sehen. Sein Hut war weggerollt. Auf seinem roten Halstuch waren Blutspritzer. Der wilde Knoten in seinem roten Halstuch baumelte immer noch wie ein Pferdeschwanz an seinem Hinterkopf. Es gab keinen Zweifel, dass er sterben würde.
Der Deputy schnappte nach Luft, sein Mund versuchte, Worte zu formen, aber es kam keines heraus. Der Richter und diejenigen, die sich für ihre Verhandlung oben aufhielten, sahen die Stille als ihre Gelegenheit, um entsetzt aus dem Saloon zu fliehen. So blieben Caleb und Cassius als die letzten Männer im Saloon zurück, die noch standen. Was an diesem Tag geschehen war, hatte sie tatsächlich zu Männern gemacht.
Caleb ging mit lässigem, überheblichem, bedächtigem und langsamem Schritt zu der Stelle, wo der Deputy auf dem Fußboden lag. Das Schauspiel lief in erschreckender Langsamkeit ab, einem Tempo, das demjenigen entsprach, mit dem die Prozession des Sheriffs den Hausfrieden seiner Familie gebrochen und ihr Pferd gestohlen hatte. Dies gab Caleb viel Zeit zum Nachdenken, zum Überlegen.
An seiner Seite baumelte der Lauf seines Revolvers bedrohlich in seiner Hand. Zu gerne hätte er dem Deputy für das den Rest gegeben, was er über seine Mutter behauptet hatte, aber er hatte Zeit zum Nachdenken, zum gründlichen Nachdenken. Er stand über dem Deputy und grinste.
„Caleb! Wage es nicht, einen unbewaffneten Mann zu töten, der am Boden liegt“, mahnte Cassius, während er seinem Vater beistand. Er warf seinen Revolver zur Seite. Er wollte nicht, dass die Waffe ihn daran hinderte, den Kopf seines Vaters liebevoll mit beiden Händen zu wiegen. „Halt, Junge! Tu’s nicht, Caleb. Diese Mistkerle haben uns schon genug genommen! Meinst du nicht? Lass’ nicht zu, dass sie noch mehr nehmen! Lass’ Pa in Frieden sterben. Ja? Tu es nicht!“
„Warum nicht?“ Caleb sah nicht einmal zu Cassius hinüber. Stattdessen starrte er den Deputy an.
Cassius suchte nach einer Antwort. „Tja, warum … weil du so nicht in den Himmel kommst. Steht überall in der Heiligen Schrift, hab’ ich gelesen. Du willst doch auch irgendwann in den Himmel kommen, Caleb, oder nicht?“
Der Deputy mobilisierte seine letzten Lebenskräfte, um sich aufzurichten, seine Pistole zu heben und auf Cassius zu feuern. Überrascht duckte sich Cassius und versuchte, an seinen Colt zu kommen, doch es war zu spät.
Die Kugel pfiff über den Tresen und zerschmetterte eine Gaslaterne. Der Deputy brach zusammen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er seinen Verletzungen erlag.
„Ich komme nicht in den Himmel, Cassius? Kein Problem, Cassius. Sag’ dem Himmel, er kann sich Zeit lassen.“ Caleb richtete den Revolver langsam und feierlich auf den Deputy. Er nahm sich wirklich reichlich Zeit. Er drückte den Lauf der Waffe direkt über dem rechten Auge des Deputys an den Kopf. Er entschied sich, kein Wort zu sagen. Stattdessen feuerte er die Waffe mit äußerster Verachtung ab. Klick, bumm. Klick, bumm. Klick, bumm, bumm, bumm.
Der Körper des Deputys erschlaffte. Klick, bumm. Caleb schob eine Reservetrommel in den Revolver. Er schloss die Augen und feuerte zur Sicherheit noch einmal. Klick, bumm. Der Deputy war erledigt.
Caleb kehrte zurück an die Seite seines Vaters. Tränen liefen über Calebs Gesicht, als er Zeuge der letzten Dunkelheit wurde, die uns alle ereilt, gleichgültig, ob farbig oder weiß. Diese Dunkelheit war drauf und dran, seinen Vater zu holen.
„Jungs.“ Josh hatte Mühe zu sprechen, ein Rinnsal von Blut floss aus seinem Mundwinkel. „Es war… es war meine Schuld.“
„Nein, Pa, niemand war schuld, Pa.“ Cassius strich über das Gesicht seines Vaters.
„Es war nicht deine Schuld, Pa.“
„Doch, Junge.“
„Warum?“
„Ich … ich hätte es wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass Hunde bellen.“
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.