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Freitag, 16. Mai 2025

STORY: Kochkünste (Marvin de Vries)


Kochkünste

von Marvin de Vries


(Orig. „Chuckwagon Chef“, 1944,; Übers.: Reinhard Windeler)


Marvin LeRoy de Vries (1897 – 1954) stammte aus Michigan und war – wie unschwer an seinem Nachnamen zu erkennen ist – niederländischer Abstammung; seine Großeltern väterlicherseits und seine Mutter waren noch in Europa geboren worden.
Kurzgeschichten von ihm sind erst seit 1942 nachweisbar; allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass er vorher unter sogenannten „house names“ geschrieben hatte, also Pseudonymen, die in Pulp-Magazinen für unterschiedliche Autoren verwendet wurden. Da er keinen Roman verfasste, gibt es in Buchform von ihm nur eine Sammlung, die 1956 nach seinem Tod unter dem Titel „Frontier“ veröffentlicht wurde (herausgegeben von dem bekannten Western-Schriftsteller Luke Short [d.i. Frederick Glidden]) und sechs Kurzgeschichten aus der Zeit nach 1953 enthielt. Darunter befindet sich mit „Stage to Yuma“ auch die einzige Geschichte von ihm, die bis dato auf Deutsch erschienen ist und ihm posthum eine gewisse Bekanntheit verschaffte, weil sie für eine Episode der zweiten Staffel der seinerzeit beliebten CBS-Fernsehserie „Father Knows Best“ (dt.: Vater ist der Beste) verfilmt wurde.
Die vorliegende Story erschien 1944 in der Dezember-Ausgabe des Magazins „Street & Smith’s Western Story“ (Vol. 212, No. 2).
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Es sah so aus, als wäre der Küchenwagen endgültig steckengeblieben. „Wie ein dickköpfiger Mustang, der keinen Schritt mehr macht“, meinte Jim Read. „Was ist los, Seedy – willst du ihn da auf Dauer stehen lassen?“

„Sind nur ein paar Schlammlöcher, in die wir geraten sind“, erklärte Seedy. „Wir ziehen ihn morgen früh ’raus.“

„Wenn er bis dahin nicht weggetrieben ist“, sagte Jim.

„Die Schlammlöcher halten ihn fest – die sind wie Anker“, scherzte Seedy mit seiner schrillen Stimme. „Der segelt uns schon nicht weg, keine Bange.“

Mit dem Regen fielen immer noch Eidechsen und langohrige Angelwürmer von den Bäumen. Das Feuer loderte drei Meter hoch, und wir standen alle dicht daneben, dampften wie Kochtöpfe und tranken Seedys Kaffee; aber selbst unter diesen Bedingungen schmeckte er nach nichts.


„Seedy ist kein Koch“, erklärte Sid Storm, der als Wrangler für die Pferde zuständig war. „Er ist im Grunde ein Giftmischer. Wir werden ganz sicher alle tot sein, bevor wir überhaupt nach Dodge kommen.“

„Quatsch, ich glaube, den Kaffee habe ich wirklich gut hingekriegt“, ergriff Seedy für sich selbst Partei. „Mir schmeckt er.“

„Wem dieses Zeug schmeckt, dem würde auch Wasser aus dem Fass schmecken, das ein Jahr alt ist“, erwiderte Sid.

Yeah“, meldete sich der junge Les Cranch zu Wort und schüttete das, was noch in seinem Becher war, ins Feuer. „Wenn es nicht besser wird, gehe ich nach Hause. Zum Teufel mit dem hier.“

Eine Minute lang wusste niemand, was er zu diesem Kommentar sagen sollte. Der verschüttete Kaffee tropfte mit einem heißen Zischen über das aufgeschichtete Feuerholz. Les beobachtete es mit düsterem Gesichtsausdruck und zog gegen den rauen Wind seine Schultern hoch. Er war nur ein junger Hüpfer und in keiner Weise an diese Art von ungemütlicher Arbeit gewöhnt. Es wäre nicht richtig, ihn dafür zu rüffeln, aber sein Kommentar durfte auch nicht unwidersprochen bleiben.

„Du kannst nach Hause gehen“, antwortete Nick Roman ihm schließlich, „aber letztendlich würdest du dir wünschen, du hättest es nicht getan.“

„Wieso?“ In diesem Moment war Cranch nicht in der Verfassung, sich eine vernünftige Bemerkung wie diese einfach zu Herzen zu nehmen. Und damit war er nicht allein. Wir hatten auf diesem Viehtrieb eine Menge Grünschnäbel dabei.

Nick sagte ihm, wieso. Als er es tat, sah es so aus, als redete er nur mit dem Lagerfeuer. Er schaute niemanden direkt an, und er sprach nicht laut. Man musste schon die Ohren spitzen, um ihn zu verstehen. Aber als er fertig war, hatte er den Grundgedanken auf den Punkt gebracht. Es war einfach so, dass ein Mann, der für einen solchen Job angeheuert hatte, dabei blieb und alles tat, was er konnte, um ihn zum Abschluss zu bringen, egal, ob er guten oder schlechten Kaffee bekam. Er sorgte dafür, dass diese Herde ihr Ziel erreichte, bis auch das letzte Stück Vieh gezählt war, und wenn das nicht klappen sollte, dann wusste er jedenfalls, dass es nicht daran lag, dass er seinen Job hingeschmissen hatte.

***

Cranch hörte zu und gab Nick kein Widerwort. Aber am nächsten Morgen war er trotzdem nicht mehr da. Jim erzählte es Nick und mir, als wir vom Schlafplatz zurückkamen.

„Und es gibt noch einige, die bereit sind, bei der ersten Gelegenheit, die sie kriegen, zu verschwinden“, sagte Jim voraus.

„Wir haben zu wenig Leute, das können wir uns nicht erlauben“, sagte Nick.

„Wie willst du sie aufhalten? Du hast ihnen gestern Abend schon ins Gewissen geredet.“

„Es liegt an Seedy und seinem verdammten Fraß“, fügte ich hinzu. „Das einzige, was diese Truppe jetzt zusammenhalten könnte, ist ein guter Koch.“

„Und die wachsen nicht auf Bäumen“, sagte Jim. „Außerdem würde Seedy den Küchenwagen niemals räumen, da musst du ihn schon umbringen.“

Zu allem Überfluss verdarb Seedy auch noch das Frühstück. Die Pfannkuchen waren auf der einen Seite angebrannt, während auf der anderen Seite der Teig noch tropfte. Seedy meinte, das läge daran, dass das Feuer nicht im Lot wäre. 

„Was ist dann mit dem Kaffee?“ stellte Jim ihn zur Rede. „Wenn der kocht, dann kocht er doch gleichmäßig überall, oder nicht?“

„Der Kaffee ist gut.“ Seedy nahm einen Schluck aus dem Becher, den er immer auf dem Regal hinter sich stehen hatte, und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, aber dadurch schmeckte das Zeug dem Rest von uns auch nicht besser.

Nick beteiligte sich nicht an dem Disput. Er ging einfach alleine weg und schaute sich die Gegend an. Ich weiß nicht, warum ich ihn im Blick behielt; vielleicht war es die verschwörerische Art, wie er sich bewegte. Er ging nicht schnell, aber allmählich machte er einen Bogen und kam hinter dem Wagen zurück. Alles, was ich sehen konnte, waren seine Beine. Er blieb hinter der Plane stehen, die Seedy zum Schutz vor dem Nieselregen aufgespannt hatte. Dann kam sein Arm um die Ecke, und er goss etwas aus einer Flasche in Seedys Kaffee. 

Als er zum Feuer zurückkam, dachte ich, er würde uns in seinen Streich einweihen, aber das tat er nicht. Wie sich herausstellte, war der Streich überhaupt nicht witzig. Das wurde mir klar, als Seedy einen weiteren Schluck nahm. Er musste nicht würgen oder so. Aber eine Sekunde später begann er schwer zu atmen, und dann sackte er plötzlich zusammen und blieb im Morast liegen.

„Heiliger Strohsack!“ rief Nick aus. „Was ist denn mit Seedy los?“ Er lief zu ihm, spülte Seedys Kaffeebecher gründlich aus und versuchte, ihm etwas Wasser einzuflößen, aber Seedy war nicht in der Lage, es hinunterzuschlucken. „Er hat einen Anfall!“ schrie Nick. „Wir bringen ihn besser in den Wagen.“

Der Anfall dauerte ungefähr eine Stunde, dann kam Seedy wieder zu sich, aber er konnte sich nicht auf den Beinen halten, und so wie es aussah, würde es noch eine ganze Weile dauern, bis er jemals wieder auf die Beine kam. Der Boss fragte ihn, wie er sich fühlte, und Seedy sagte, er fühlte sich, als hätte ihn jemand voll Blei geschüttet.

„Verdammt!“ brauste der Boss auf. „Ein Unglück kommt selten allein. Was machen wir jetzt?“

Ich schätze, darauf hatte Nick nur gewartet. Er richtete sich auf und sagte, vielleicht könnte er den Job übernehmen. Er sagte, er hätte schon einmal gekocht.

„Also gut, Nick“, sagte der Boss. „Du übernimmst. Mach’s so gut, wie du kannst, und ich werde dafür sorgen, dass die Jungs sich nicht beschweren.“

„Ich werde mein Bestes geben“, versprach Nick.

„Wir werden Seedy so schnell wie möglich wieder auf die Beine bringen. In Marco Creek gibt es einen Arzt. Wir werden hören, was er sagt.“

***

Alle packten mit an, um den Küchenwagen wieder flott zu machen, und dann ritten wir zur Herde hinaus. Allerdings machte sich der Boss große Sorgen.

„Mit Seedy war es schon schlimm genug, aber ich weiß nicht, was jetzt passieren wird“, murmelte er und rieb sich dabei mit der Hand über den Nacken, wie er es immer tat.

„Auf jeden Fall gibt es etwas Abwechslung“, meinte Jim. „Nick wird es bestimmt anders machen als Seedy.“

„Wenn einer anfängt, auf ihn zu schimpfen, dann zieht ihr Jungs ihm die Ohren lang“, bat der Boss. „Wenn Nick hinschmeißt, sind wir erledigt.“

„Ich glaube nicht, dass er hinschmeißen wird, Boss“, sagte ich. „Aber wenn sein Essen nicht besser ist als das von Seedy, dann stecken Sie in Schwierigkeiten, nach dem, was Cranch gemacht hat.“

Der Boss schüttelte den Kopf. „Wenn noch mehr abhauen, weiß ich nicht, was wir dann tun sollen. Bei vielen von denen ist es kaum der Rede wert, was sie leisten, aber trotzdem sind wir auf sie angewiesen. Die meisten von ihnen können mit einer Waffe umgehen.“

„Hören Sie“, sagte Jim, „machen Sie sich ’mal keine Sorgen wegen der Comanchen.“

„Ich mache mir keine Sorgen. Ich schaue nur voraus. Wenn wir in die Nations kommen, dann –“

„Wir machen einfach weiter wie bisher und lassen es drauf ankommen“, sagte Jim zu ihm. 

„Es sei denn, der alte Hook Nose –“, fing der Boss wieder an.

„Ach was, dieser lästige Koyote ist vielleicht schon längst nicht mehr am Leben, wenn wir da hinkommen“, unterbrach Jim ihn. „Machen Sie sich wegen dem keine Sorgen.“

„Mach’ ich auch nicht“, erklärte der Boss. „Aber –“

„Ich muss los, nach vorn zur Herde“, sagte Jim und ritt davon.

Der Boss hörte nicht auf und erläuterte mir, wie er die Aussichten einschätzte, und ich ließ ihn reden. Ich war unschlüssig, ob ich ihm sagen sollte, was ich gesehen hatte, oder nicht, aber schließlich entschied ich mich abzuwarten, bis ich mit Nick unter vier Augen sprechen konnte. Vielleicht war es nur ein Zufall, dass Seedy genau dann krank wurde, als Nick ihm einen Streich spielen wollte, und die beiden Dinge hatten nichts miteinander zu tun. Auf dem Weg zurück zum Küchenwagen dachte ich allerdings für eine Weile gar nicht mehr an die ganze Sache. Ich ritt zusammen mit dem jungen Ken Blake hin, und er fing von sich aus an, über Cranch zu sprechen. Er meinte, schließlich sei es seine Sache, was er machte. Ein Mann war sein eigener Herr und könnte kommen und gehen, wie es ihm gefiel.

„Hm!“ sagte ich. „Wann haust du ab?“

„Ich?“ fragte er erstaunt. „Ich habe nicht daran gedacht auszusteigen. Aber… es ist eine Überlegung wert.“

„Denk’ dran“, sagte ich zu ihm. „Es kann ziemlich unangenehm für einen Mann werden, der den Job, den er sich selbst ausgesucht hat, nicht zu Ende bringt.“

Nick war unter der aufgespannten Plane und verteilte das Essen, als wir ankamen. Ich saß ab und ging zu ihm hinüber.

„Wie ist es gelaufen, Nick?“ fragte ich. „Gar nicht so einfach, was?“

„Ach“, sagte er, „hat gut geklappt.“ 

***

Ich wagte kaum, einen Blick auf das zu werfen, was er mir reichte. Ich schob mir einfach etwas davon in den Mund, kaute es eine Zeit lang und schaute dann auf meinen Teller. Er sah ungefähr genauso aus wie immer, aber es war eindeutig etwas, was ich noch nie zuvor gegessen hatte. Nick hatte irgendetwas mit diesem Essen angestellt, damit es gut schmeckte. Er hatte ein Wunder vollbracht. Ich hätte mir nichts Besseres erträumen können, wenn ich einen Monat lang gehungert hätte. Es war eine Mahlzeit, von der ein König gekostet hätte.

„Na, da bin ich aber hin und weg!“ sagte ich.

Ich sah Nick an, und er grinste von einem Ohr zum anderen.

„Da ist dir ’was gelungen, Nick“, sagte ich. „Kriegst du das auch ein zweites Mal hin? Das ist nicht nur ein einmaliges Strohfeuer, oder?“

„Heiliger Strohsack!“ rief Ken Blake aus. „Sowas habe ich noch nie zu essen gekriegt.“

Nur um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, sagte ich: „Ja, das Essen ist gut, aber ich kann meins nicht genießen, wenn es in Strömen regnet. Glaubst du, dass es jemals aufhören wird?“

Ken schaute zum Himmel hoch, als ob ihm entfallen war, dass es regnete. „Ach ja“, sagte er, „das Wetter. Ich schätze, das wird irgendwann aufhören. Mir macht das Wetter nichts aus.“

„Na, ich bin von den Socken“, betonte ich nochmals.

Seedy blieb derweil im Wagen. Der Arzt in Marco Creek sagte ihm, er hätte Gelbsucht, aber er wollte es nicht glauben, und es gab einen heftigen Streit deswegen. Er sagte, es sei nur ein Anfall gewesen, nichts weiter, und nach der ersten schwierigen Zeit ging es ihm tatsächlich etwas besser. Er fing sogar an, sich mit Nick anzulegen, und eines Tages schnappte er sich eine Waffe, und er versuchte, Nick vom Küchenwagen zu vertreiben. Das war allerdings ein bisschen zu viel für ihn, und er machte schlapp, bevor er einen Schuss abgeben konnte.

Nick versorgte Seedy schnell mit gutem heißem Kaffee, aber vielleicht, weil er es übertrieben hatte, erlitt er einen Rückfall und lag wieder flach. Ein anderer Arzt, den wir im weiteren Verlauf des Viehtriebs zu Rate zogen, sagte, er habe Komplikationen, sagte uns aber nicht, was getan werden sollte, um ihn komplikationslos zu machen. Der in Red Rock schüttelte ziemlich bedrückt den Kopf und erklärte, er würde sagen, dass Seedy eine galoppierende Schwindsucht hätte, und dagegen könnte man nicht viel tun.

„Keine Sorge, Seedy“, beruhigte ihn der Wrangler. „Wenn wir erst einmal in den Nations sind, holen wir einen Medizinmann, der sich um dich kümmert. Die wissen manchmal eine ganze Menge.“

„Ich werde keine gekochten Bussardkrallen essen!“ jaulte Seedy. „Das kannst du dir schon ’mal merken. Lieber sterbe ich.“

Das einzige, worüber sich Nick beschwerte, war, dass er so viel auf den Beinen war, dass sie ihm wehtaten. „Ich habe empfindliche Füße“, sagte er zu mir. „Die hatte ich schon immer. Ich muss die ganze Zeit an ihnen herumdoktern.“

„Was hast du dafür?“ fragte ich ihn.

„Ach, so ein Zeug, das ich aus einem Laden in Palo Pinto habe. Es heißt Fletchers Fußbalsam.“

„Übrigens“, fragte ich, „was ist das für ein Zeug, mit dem du Seedy versorgst?“

Er scharrte lange mit seinem Stiefel im Erdboden. „Du weißt also Bescheid, was?“ fragte er schließlich.

„Ich hab’s von Anfang an gewusst“, sagte ich zu ihm. „Ich habe gesehen, wie du dich hinter den Wagen geschlichen und es ihm in seinen Kaffee getan hast.“

„Ich gebe ihm diese Fußsalbe“, sagte er. „Das gleiche Zeug, das ich benutze, nur dass Seedy es innerlich anwendet.“

„Himmelarschundzwirn!“ sagte ich.

„Es bringt ihn nicht um“, sagte er. „Ich habe ’mal aus Versehen etwas davon genommen, und es macht schon ’was mit einem, aber es ist nicht tödlich. Außerdem gebe ich ihm nicht mehr, als gerade reicht, damit er liegenbleibt. Es musste ’was geschehen, das weißt du, und es war die einzige Möglichkeit, Seedy vom Küchenwagen zu holen, ohne ihn zu erschießen.“

„Wann wirst du damit aufhören?“

„Wenn wir aus allem ’raus sind.“

„Sind wir das jetzt nicht?“ sagte ich. „Ich beschwere mich nicht, Nick, aber vielleicht verträgt Seedys Gesundheit nicht so viel von diesem Zeug. Und zur Zeit macht sich keiner Sorgen um irgendetwas, abgesehen vom Boss wegen der Comanchen.“

„Das weiß ich“, sagte Nick. „Ich dachte, ich mache vielleicht weiter, bis wir die Nations hinter uns haben.“

„Yeah“, stimmte ich zu, „vielleicht ist das eine gute Idee. Der Boss spricht so viel von den Comanchen, dass er ein paar von den Anfängern Angst einjagen könnte, und sie könnten abhauen, trotz deiner Kochkünste.“

Damit ließen wir es bewenden. Und das war auch gut so, denn je näher wir den Nations kamen, desto redseliger wurde der Boss. Er sagte, wir würden sie verjagen, mochte da kommen, was wollte. 

„Wir haben immer noch alle Ochsen, mit denen wir aufgebrochen sind“, prahlte er. „Und wir werden sie behalten. Wir schaffen das, oder nicht, Jungs?“

„Wir werden sie verjagen, Boss“, sagte ich zu ihm. „Wir werden die Ratten verjagen, egal wie viele es sind.“

Ein besorgter Ausdruck zeigte sich in seinen Augen. „Wenn es nicht zu viele sind“, merkte er an. „Aber vielleicht lassen sie uns in Ruhe. Viele Herden kommen durch, ohne Wegzoll zu bezahlen.“


Das war es, worauf der Boss hoffte, aber so kam es nicht. Eines Tages kamen die Comanchen aus den Staked Plains auf uns zu. Einer von denen, die an der Spitze der Herde ritten, sah sie zuerst und machte Zeichen, dass es in einem Hain aus niedrigen Eichenbäumen von ihnen wimmelte. Drei von ihnen blieben jedoch im Freien, und der Boss machte sich auf den Weg, um zu verhandeln. Er nahm mich mit, weil ich etwas Spanisch sprechen konnte.

Einer von den dreien war Hook Nose. Er trug nur eine Feder in seinem Haar und einen Lendenschurz um seine Taille. Aber darüber hinaus war er noch mit einem Skalpiermesser, Pfeil und Bogen und einem Repetiergewehr beladen, das neben seinem Bein baumelte. Ohne mit der Wimper zu zucken, erklärte er, er wollte einhundert Stück Rindvieh, wohaws, dafür, dass wir das Reservat durchqueren durften.

„Der spinnt ja wohl“, sagte der Boss. „Das ist eine Menge Rindfleisch.“

Er sagte noch viel mehr, aber er hinterließ bei Hook Nose keinen großen Eindruck. Der Häuptling wurde zunehmend unfreundlich, er blickte finster und schimpfte, dann ritt er in einem engen Kreis herum, schlug mit seiner Hand in die Luft und griff erst nach seinem Gewehr und dann nach seinem Messer, als wüsste er nicht genau, auf welche ​​Weise er den Boss töten wollte. Es war natürlich nur eine große Schau, aber unser größtes Problem war, dass er sie jederzeit in die Tat umsetzen konnte. 

So sehr er die Comanchen auch hasste, blieb der Boss dennoch besonnen. „Wir werden sie, wenn’s geht, auf zehn Stück ’runterhandeln “, sagte er zu mir. „Vielleicht auch ein bisschen mehr. Es wird uns etwas kosten, das ist mir klar, und mir ist lieber, wir verlieren Rindfleisch als Skalps. Die haben es auf die ganze Herde abgesehen.“

„Ich weiß“, sagte ich. „Wir müssen uns absprechen. Wenn dieser alte Geier denen ein Zeichen gibt, uns anzugreifen, knallen Sie ihn ab und ich übernehme die anderen beiden. Dann kratzen wir die Kurve und sehen zu, dass wir hier wegkommen.“

„Tu’ nichts, bis ich’s dir sage“, befahl der Boss. „Ich bin am Überlegen –“

„Sie überlegen besser schnell, Boss“, sagte ich. „Hook Nose hat ziemlich miese Laune.“ 

„Weißt du“, sagte der Boss, „wenn Nick es über sich bringen könnte, etwas für ihn zu kochen, dann könnten wir ihm vielleicht etwas von seiner miesen Laune austreiben, und dann könnten wir übers Geschäft sprechen.“

„Ich werde mit ihm reden, Boss“, sagte ich. „Wenn er wüsste, wie gut Nick kocht, würde er sich überschlagen, um da hinzukommen.“ Dann wechselte ich zu meinem Spanisch und schmückte aus, was der Boss mir zu sagen aufgetragen hatte. Es klappte auch, denn als ich fertig war, brauchte Hook Nose nicht lange für seinen Entschluss, die Einladung anzunehmen. Vielleicht dachte er einfach, dass für den Fall, dass hier irgendwelche komischen Dinge vor sich gingen, er nicht derjenige sein würde, für den die Sache übel ausgehen würde. Was wahrscheinlich auch stimmte. 

***

Nick war mit der Zubereitung der Mahlzeit fertig. Es war eine Mischung aus Fleisch, Reis und Tomaten, dazu etwas Käse, glaube ich, und Brötchen, die in der Luft geschwebt hätten, wenn man sie nicht festgehalten hätte.

„Eins ist sicher“, sagte der Boss, nachdem er die drei Comanchen eine Weile beobachtet hatte, „wenn das Seedys Essen gewesen wäre, hätten sie uns schon längst kaltblütig umgebracht. Du kommst besser langsam zum Schluss, Nick, sonst kriegt er noch Bauchschmerzen. Jim, du sonderst zwei Stück ab, die wir entbehren können, und dann sehen wir, ob Hook Nose auf dieser Basis zu einem vernünftigen Geschäft bereit ist.“

Mit zwei überschüssigen Rindern war Hook Nose jedoch nicht zufrieden. Er wollte immer noch einhundert Stück – und etwas anderes dazu. Er sagte, er wollte auch, dass Nick die wohaws so zubereitete, wie er es gerade getan hatte.

„Es wird noch schlimmer, Boss“, sagte ich. „Er will immer noch einhundert Stück – und außerdem Nick. Es sieht so aus, als hätten wir uns selbst ein Bein gestellt.“

„Das darf doch nicht wahr sein!“ brüllte der Boss. „Was glaubt er, wer er ist?“

„Verlieren Sie jetzt nicht die Beherrschung“, sagte ich. „Denken Sie dran, dass er die ganze Herde wegtreiben kann, wenn er es darauf anlegt.“

„Dieser niederträchtige Halunke! Hast du das gehört, Nick?“

Yeah, ich hab’s gehört“, sagte Nick.

„Hört ’mal alle zu, macht euch besser bereit. Wir haben unseren Einsatz gemacht und das Spiel verloren. Ich kümmere mich um Hook Nose. Der Rest von euch –“ 

„Sie werden alle Männer verlieren“, sagte Nick. „Und alle Ochsen auch.“

„Was bleibt uns sonst übrig?“

„Ich könnte mit ihm gehen“, antwortete Nick.

„Was?“

„Ich könnte mit ihm gehen“, wiederholte Nick.

„Nun ’mal langsam, Mann, sowas kannst du nicht machen“, rief der Boss erbost. „Was würde aus dir werden?“

„Er will nicht meinen Skalp. Er will meine Kochkünste.“

„Klar, aber –“

„Lassen Sie es mich versuchen, Boss. Ich habe eine Idee.“

„Was für eine Idee?“

„Ach, nur so eine.“

„Und was sollen wir in der Zwischenzeit machen? Wir brauchen auch einen Koch.“

„Sollte mich nicht wundern, wenn Seedy den Job wieder übernimmt, wenn ich weg bin.“

„Tja, dann.“ Der Boss kratzte sich am Kopf, und Nick war zuversichtlich, dass er ihn gehen lassen würde. Die Jungs sonderten die hundert Stück aus und trieben sie weg. Dann kamen hundert oder mehr Comanchen aus dem Gehölz zum Vorschein und jagten hinter ihnen her. Sie brüllten und verhöhnten uns, bis wir rote Ohren hatten. Noch nie in meinem Leben fühlte ich mich so gedemütigt.

Schlimm genug, dass die Comanchen einen Teil ihrer Viehherde bekommen hatten, aber der Verlust ihres neuen Kochs traf die Jungs von der Running H Ranch da, wo es richtig weh tat.

***

Aber zwei Tage später kehrten Jim Read und ich um. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Herde in Sicherheit gebracht, nachdem wir zwei Flüsse durchquert hatten. Wir erklärten, dass wir uns nur umschauen wollten, aber der Boss wusste, dass unser Ziel war, Nick zurückzuholen, falls das irgendwie möglich wäre. Den ganzen Tag und bis weit in die Nacht folgten wir unserem eigenen Trail zurück. Wir hatten vor, unseren Pferden am nächsten Tag Ruhe zu gönnen und dann unseren Einsatz zu machen.

Jim glaubte, wir hätten eine gute Chance, mit heiler Haut davonzukommen, wenn wir Nick nur ausfindig machen konnten.

„Ich werde zuerst zu Fuß ins Lager gehen“, sagte er, „und herausfinden, wo er steckt, und dann stürmen wir rein und ballern so wild um uns, als wären wir eine ganze Armee. Wenn dann Panik ausbricht, hauen wir mit ihm ab.“

„Und wenn er nicht mitkommen will?“

„Warum sollte er nicht mitkommen wollen?“ fragte Jim. „Du glaubst doch nicht, dass ihm das gefällt, was er tut, oder?“

„Mich sollte es nicht wundern, wenn er mit ihnen gegangen ist, damit er unsere Rinder im Auge behalten kann, und er versuchen wird, einen Weg zu finden, sie zurückzukriegen."

Jim glaubte mir nicht, aber ich hatte recht. Wir kamen zu dem Wasserlauf, wo wir uns den Tag über versteckt halten wollten, als wir auf die Rinder stießen. Sie trotteten in einer langen schmalen Reihe aus dem Schilf. Es wurde langsam hell, und wir stellten uns an die Seite und zählten sie. Es waren alles Running-H-Rinder, und als das letzte vorbeigekommen war, sagte ich: „Heiliger Strohsack! Ich zähle neunundneunzig.“

„Ich auch“, sagte Jim.

„Ist das zu fassen? Ich hab’ dir doch gesagt, wir –“ Ich brachte nicht zu Ende, was ich sagen wollte, denn genau in diesem Moment hörten wir einen Ruf. Wir ritten darauf zu. „Das ist Nick“, sagte ich. „Ich erkenne seine Stimme.“ 

Er war es wirklich. Der eine Ochse, der bei unserer Zählung fehlte, steckte am anderen Ufer des Wasserlaufs fest, und Nick versuchte, ihn herauszuholen. Er bewegte sich vorsichtig auf die Stelle zu, an der das Rind den festen Boden unter den Hufen verloren hatte.

„Das darf doch nicht wahr sein!“ knurrte ich.  „Kann er nicht ’mal ein einziges Viech aufgeben?“

„Das sollte er lieber“, sagte Jim plötzlich, „ich habe gesehen, wie die Büsche direkt hinter ihm sich bewegt haben.“ Er zeigte auf eine Stelle, die etwas stromaufwärts von Nick lag. Ich hatte nicht gesehen, wie sich die Büsche bewegten, aber urplötzlich ragte ein Gewehrlauf hervor, und er war direkt auf Nick gerichtet.

Ich rief eine Warnung, und Nick fiel von seinem Pferd ins Wasser, aber ich konnte nicht sagen, ob er von einer Kugel getroffen war oder sich selbst hatte fallen lassen, denn genau in diesem Moment hatte das Gewehr angefangen, auf ihn zu schießen. Das letzte, was ich von Nick sah, war, wie er stromabwärts trieb, und es sah aus, als wäre er tot.

Der Mann in den Büschen trat heraus, um gezielter schießen zu können, und wir erkannten ihn. Es war Hook Nose, derselbe Halunke, den wir ein paar Tage zuvor mit Futter vollgestopft hatten. Wir fingen an, ihn mit Blei einzudecken, aber hundert Meter oder mehr sind eine lange Strecke für einen Revolver, aber nicht halb so weit für ein Gewehr, wie wir pronto herausfanden.

„Jim“, sagte ich, „ich weiß nicht, was wir für Nick tun können, aber wir werden ganz sicher diesen brüllenden Stier da ’rausholen, und wenn es das Letzte ist, was wir tun.“

Dann sahen wir, wie sich die Büsche hinter Hook Nose bewegten, und wir dachten, es müsste ein weiterer Comanche sein, der herauskam, aber das war nicht so. Es war Nick. Er musste sich totgestelllt haben, bis er außer Sichtweite war, dann ans Ufer gekommen und einen Bogen zurück gemacht haben.

„Schieß’ weiter, bis Nick soweit ist“, sagte Jim. „Wir –“ 

Genau da wirbelte Hook Nose herum und sah ihn. Auf so kurze Entfernung war sein Gewehr nicht so praktisch, aber auch nicht völlig nutzlos. Wir wussten nicht, ob Nick eine Waffe hatte. Und falls ja, ob sie vom Wasser unbrauchbar geworden war oder nicht. Derjenige, der den ersten Treffer setzen konnte, war derjenige von beiden, der überleben würde.

Wir schlitterten das lehmige Ufer hinunter und versuchten, auf die andere Seite zu kommen, aber das war schwerer als erwartet. Wir gerieten sofort in tiefes Wasser. Mein Pferd scheute und warf mich ab. Als ich ans Ufer kam, hatte ich immer noch keine Schüsse gehört. Es musste passiert sein, als ich unter Wasser gewesen war. Aber was zählte, war einzig und allein, dass Nick derjenige war, der dort stand und auf uns wartete, und der Comanchen-Häuptling sich nie wieder bewegen würde – jedenfalls nicht aus eigener Kraft. 

***

Das erste, was Nick sagte, war, dass wir ihm mit diesem steckengebliebenen Ochsen helfen sollten.

„Nick“, antwortete ich, „das würde ich tun, selbst wenn uns diese ganze Horde Comanchen auf den Fersen wäre.“

„Ist sie nicht“, sagte er zu uns. „Die sind alle krank.“

„Hm!“ sagte ich. „Sowas wie das, was Seedy sich eingefangen hat?“ Da Jim dabei war, konnte ich es nicht direkter sagen.

Nick nickte. „Sie sind nicht an zivilisiertes Essen gewöhnt, nehme ich an“, erklärte er. „Sie haben es alle gleich gekriegt, nachdem ich ihnen ihre erste Mahlzeit gekocht hatte. Es sollte ein großes Fest werden. Ich wollte keine Running-H-Rinder für sie verschwenden, daher habe ich sie dazu gebracht, andere zu schlachten, die sie hatten, aber ich schätze –“

„Wie kommt es, dass Hook Nose dich verfolgt hat?“

„Er konnte nichts essen. Er war immer noch völlig satt von dem, was er am Küchenwagen gegessen hatte. Ich wusste, dass er mich verfolgen würde, aber ich dachte, ich könnte mit ihm fertig werden.“

„Das wäre fast schiefgegangen“, sagte Jim. „Du hättest so schnell wie möglich verschwinden und das Vieh zurücklassen sollen.“

„Unsinn“, sagte Nick, „deshalb bin ich ja überhaupt mitgegangen. Ich hatte die Idee, dass ich sie zurückholen könnte.“

„Weißt du“, sagte Jim, „wenn wir in Dodge sind, werden wir diesen brüllenden Ochsen da im Wasser nehmen und eine Art Denkmal aus ihm machen. Ich könnte mir nichts vorstellen, was passender wäre.“

„Ein Denkmal? Für wen?“ wollte Nick wissen.

„Für dich, du sturer alter Kauz.“

Nick hielt nicht viel von dieser Idee. Er sagte, er würde seinen Lohn bekommen, und das wäre alles, was er wollte. „Wie geht’s den anderen?“ fragte er.

Ich sagte ihm, dass es allen gut ginge. „Sogar Seedy ist wieder auf den Beinen und kocht wieder. Übrigens, du hast nichts mehr von diesem Fußbalsam über, oder, Nick? Meine Füße bringen mich in letzter Zeit um.“

Nick schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts mehr da“, sagte er. „Ich hatte in den letzten paar Tagen selbst ein paar Probleme mit den Füßen und hab’ alles aufgebraucht.“

Es war irgendwie komisch, wie Jim diesen doppeldeutigen Worten zuhörte, ohne zu verstehen, worum es wirklich ging.

„Du bist ein schöner Kumpel“, knurrte ich. „Ich nehme an, dann muss ich wohl im Stillen leiden.“

„Vergiss es“, sagte Jim. „So schlecht ist Seedys Essen nun auch nicht.“


© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025


Anmerkung des Übersetzers:
Ein Wortspiel ziemlich zu Beginn lässt sich nicht ins Deutsche übertragen und musste ich deshalb auslassen. Das Wort „chuck“ ist sowohl im Schlammloch (chuckhole) wie auch im Küchenwagen (chuckwagon) enthalten, weshalb Seedy scherzen konnte: „What could be more fittin’ than chuckholes f’r the chuckwagon? Heh, heh, heh.“