Von Comanchen entführt
von Dusty Richards
- Teil 2 von 5 -
(Orig. „Comanche Moon“, 2006; Übers.: Reinhard Windeler)
Ronald Lee Richards wurde am 11. November 1937 in Chicago, Illinois, geboren. Als er dreizehn Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Arizona, wo er zunächst in Mesa, dann in Phoenix seine Jugend verbrachte und alles an Westernstories las, was er in den Büchereien finden konnte. Den Spitznamen „Dusty“ legte er sich damals selbst zu. 1955 schloss er die High School und 1960 die Universitätsausbildung ab. Mit 23 Jahren zog er nach Arkansas, wo er Patricia Donahoe heiratete und als Rancher, Lehrer, Auktionator, Rodeo-Ansager und Nachrichtensprecher sowie mehr als drei Jahrzehnte in der Qualitätskontrolle eines Lebensmittelherstellers arbeitete.
1992 erschien mit „Noble’s Way“ sein erster Roman. Obwohl seine literarische Karriere somit erst spät begonnen hatte, war er bis hinein ins Rentenalter sehr produktiv. Am Ende sollen es deutlich über 150 Romane gewesen sein, von denen rund zwei Drittel nicht unter seinem eigenen Namen, sondern unter Pseudonymen veröffentlicht wurden. So war er einer der Autoren, die als Jake Logan für die Adult-Western-Reihe „Slocum“ schrieben; mindestens fünfzig dieser Romane, beginnend mit der Nummer 209 (1997) und endend mit der Nummer 426 (2014), stammen von ihm.
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Über Jahre lag es nicht daran, dass die texanische Legislative den Rangern ihren Sold nicht zahlen wollte; sie konnte nur einfach nicht das Geld auftreiben. (Charley Eckhardt) |
„Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, wir sind heute hier…“ Pastor McCurdy musste die vom Wind zerzausten Seiten seiner Bibel glatt streichen. Sechs frische Gräber für die Opfer des jüngsten Raubzugs, für sechs Mütter, Väter oder Kinder, Nachbarn oder Freunde, Tanten oder Onkel, Großeltern oder einfach nur Menschen, die man, von der Horde roter Heiden brutal ermordet, aufgefunden und für diesen besonderen Trauergottesdient zum Friedhof der Calgary-Baptistengemeinde an den Ufern des Perdanales gebracht hatte.
Fünf Männer kamen auf Pferden angeritten, die ziemlich außer Atem und schweißnass waren. Sie nahmen ihre Schießeisen ab, hängten die Holster an die Sattelknäufe und stülpten ihre wettergegerbten Filzhüte darüber. Sie wischten sich ihre Gesichter mit ihren staubigen Ärmeln ab, und bei allen glänzte die Stirn, da sie anders als der Rest nicht braungebrannt war, im hellen Sonnenlicht, als wäre es ein Stück Baumwolle. Unter den starren Blicken der Trauergemeinde eilten sie mit steifen Beinen in ihren dicken Chaps heran. Sporenräder klingelten, als sie sich sputeten, um an dem Gottesdienst teilzunehmen und das Leid zu teilen.
„Dürfen wir erfahren?“ fragte Pastor McCurdy und sah sie von seinem Platz auf dem Wagen aus über die anderen hinweg an. „Gibt es noch weitere, die wir verloren haben?“
Ranger Hamp Burns trat vor. „Ja, Herr Pastor, allerdings.“
„Gott sei ihren Seelen gnädig.“
„Wir haben für sie gebetet und sie begraben, Sir.“
„Ich weiß, dass ihr Jungs sie mit dem gebotenen Respekt begraben habt, denn ihr seid alle in christlichen Elternhäusern aufgewachsen. Möchtest du uns die Namen der Verstorbenen sagen?“
Hamp nickte und senkte den Kopf, um Kraft zu sammeln. Dies würde schwieriger werden als alles, was er jemals zuvor getan hatte, denn auf seiner Liste standen Tote, von denen Angehörige in dieser Menge waren, die bereits schwere Verluste erlitten hatten.
Er fischte die Liste aus seiner Weste. Er hatte sie auf ein Blatt eines alten Kalenders gekritzelt, den er auf einer der niedergebrannten Ranches gefunden hatte. „John Vaughn, Wannie Vaughn – keine Spur von den drei Kindern.“
Ein hörbares Einatmen der schockierten Menge erfüllte die Stille. Er benetzte seine Lippen und fuhr fort. „Thomas Gibbs.“ Er ließ die schockierten Reaktionen abklingen. „Frau und Familie werden vermisst.“
Eine Frau brach in Schluchzen aus und musste zu einer Bank gebracht und getröstet werden. Die Schwester von Lucile Gibbs. Hamp holte tief Luft.
„Ein Cowboy namens Larkin Meadors. Montgomery Dobbs.“
„Maude Dobbs’ Sohn! Oh, nein –“
„Und Harland Russell.“ Er beendete seine Aufzählung und steckte das Papier wieder in seine Weste.
„Habt ihr seine Frau oder jemanden von seiner Familie gesehen?“ fragte Curtis Russell, ein Cousin des Toten, mit flehender Stimme.
„Wir haben gründlich gesucht, Curt. Die Ranger und ich sind seit zweieinhalb Tagen im Sattel. Wir haben sechs Gräber gegraben und mehr Zerstörung gesehen, als ich jemals gesehen habe –“ Er schluckte den sauren Geschmack auf seiner belegten Zunge hinunter. „Aber sie sind wie vom Erdboden verschluckt – wieder einmal.“
„Wir müssen dafür sorgen, dass der Gouverneur Truppen hierher schickt –“ Wütende Männer und Frauen fingen an, alle möglichen Maßnahmen zu fordern.
Aus dem Augenwinkel sah er sie am Rande der Menge: Jean McBroom, in Schwarz gekleidet. Sie stand da, hielt ihr Gesicht dem Wind zugewandt und sah nicht zu ihm herüber. Wie alt, hatte sie gesagt, war sie? Sechzehn. Ihr hellbraunes Haar steckte unter einem schwarzen Kopftuch. Wolf Snyder sagte, er hätte gehört, dass sie es, nachdem sie und Hamp in die Zivilisation zurückgekehrt waren, abgeschnitten habe und jetzt eine Jungenfrisur trage. Er hatte nicht mehr mit ihr gesprochen seit dem Tag, bevor er die vier Jungen als Ranger rekrutierte, damit sie mit ihm ritten und die von den Injuns angerichteten Schäden im ganzen County in Augenschein nahmen.
Jeans Mutter und Stiefvater waren neben den frischen Gräbern bestattet worden. Die ausgehobene Erde auf ihren Gräbern war noch gar nicht eingeebnet. Der Reverend versuchte, durch die Menge zu gehen und die Hinterbliebenen zu trösten. Der Gottesdienst hatte infolge von Hamps traurigen Nachrichten länger gedauert.
Hamp ging zur Heckklappe eines Wagens, auf der ein Wasserfass abgestellt war und eine Schöpfkelle lag. Er hatte den hölzernen Zapfhahn aufgedreht, um die Kürbisflasche mit den langen Griffen zu füllen, als ihre Stimme hinter ihm ihn kurz zusammenzucken ließ.
„Ich glaube, ich war da oben am Clover Creek ziemlich unfreundlich zu Ihnen.“
Er drehte sich um und beugte sich vor, um einen Schluck zu nehmen. „Nein, Ma’am, Sie hatten allen Grund, aufgebracht zu sein.“
„Mag sein“, zuckte sie die Achseln, „trotzdem entschuldige ich mich. Sie haben jetzt eine ganze Kompanie von Rangern. Macht Sie das zu einem Captain?“
Er verschluckte sich fast am Wasser und spuckte aus, was er im Mund hatte. „Nein – äh – Ma’am.“ Er hustete, und seine Luftröhre schmerzte. „Das muss der Gouverneur machen. Ich bin nur Gefreiter, aber weil sonst keiner da ist, kann ich eine Kompanie Männer aufstellen.“
„Wie dem auch sei. Ich habe in den wenigen Sachen, die ich besitze, ein Bild von Rebecca gefunden. Sie haben mich gefragt, ob ich eins habe – ich hab’s gefunden.“
Er nickte und legte die Schöpfkelle rasch auf den Wagen. Er wischte sich die Hände am Hosenboden ab und wartete, bis sie das Medaillon aus der Tasche ihres Kleides holte und öffnete. Das Bild im Braunton zeigte einen lächelnden kleinen Engel mit dichtem lockigem Haar in einem kittelartigen Kleid.
Er wischte sich seine Hand nochmals an seiner Leinenhose ab und legte die kleine Brosche auf seine Handfläche. „Darf ich’s behalten?“
„Sie meinen, für den Fall, dass Sie etwas wegen ihr unternehmen?“
Seine Kiefer verhärteten sich, und er spürte, wie sich seine Augen verengten. „Ich habe es Ihnen einmal gesagt, ich habe es Ihnen fünfmal gesagt: Ich werde nicht aufgeben, bis ich sie gefunden habe.“
„Schon, aber wie lange kann sie da draußen am Leben bleiben?“ Sie zeigte mit ihrem Kopf nach Westen.
„Hier.“ Er hielt ihr das Medaillon hin.
„Behalten Sie’s. Vielleicht können Sie damit eine Kinderleiche identifizieren, die Sie halb aufgefressen von Kojoten und Bussarden finden.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und ließ ihn stehen.
Er sah, dass sie hochhackige Schuhe trug. Wahrscheinlich taten ihr darin die Füße weh, nachdem sie so lange barfuß gelaufen war. Seine Hand schloss sich um das Medaillon, und er bemerkte, dass Wolf Snyder auf ihn zukam.
„Gefreiter Burns. Ich sehe, du verbringst wieder Zeit mit dieser Jeanie.“
Der sommersprossige, rothaarige Wolf Snyder war sein Stellvertreter. Tubby Brady, Rhea Martin und Alverson McGuin bildeten den Rest der Ranger-Kompanie. Er hatte den Aufruf nach neuen Rekruten am Tag der Beerdigung ihrer Eltern ausgehängt. Und das waren die Freiwilligen. Matt Seeger sagte ihm, er wäre zu beschäftigt. Calvin Dunkin war zu jung, und mehr gab es nicht, die geeignet waren. Vielleicht hätte Seeger mitgemacht, wenn er ihm den Posten des Stellvertreters angeboten hätte, aber dann hätten die anderen Jungs hingeschmissen. Den größten Klugscheißer des Countys brauchte er sowieso nicht.
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Texas Rangers um 1845 |
Nach der Beerdigung gönnten sie sich ein paar Stunden Schlaf im Heuschuppen von McCulloughie. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit wachte Hamp auf, nahm seinen Hut und streifte sich das Heu von Hose und Hemd. Er marschierte zu Mike McColloughies Laden und gab eine Bestellung über dreißig Tagesrationen, zwei Fässchen Schießpulver, vier Barren Blei, fünfhundert Zündplättchen, etwas Schnüre und fünf Zeltplanen auf.
„Geht ihr alle nach Westen, hinter den dreckigen Heiden her?“ fragte Mike im schleppenden Tonfall eines Mannes aus Georgia.
„Ja, Sir.“
„Ich geb’ dir diese Sachen gern, weil ihr Jungs euch da draußen so ins Zeug gelegt habt, um uns die Ärsche zu retten. Aber ich würde sofort gutes Geld darauf wetten, dass die scheiß Regierung diese Rechnung nie bezahlt. Unterschreib’ hier.“
Ule Stradford war nicht so großzügig, als Hamp bei Sonnenuntergang in seine Stallungen kam.
„Ich nehme keine wertlosen Schuldscheine mehr an wie die, die Tanner mir das letzte Mal für die Pferde gegeben hat. Ich kann dir nur zwei Packpferde geben –“ Der stämmig gebaute Mann hielt seine Hände vor sich ausgestreckt, um Hamps Angebot zurückzuweisen. „Dieses wertlose Stück Papier in meinem Schreibtisch bringt mich nur zur Weißglut. Ich habe zwei kräftige junge Pferde. Sie sind keine Schönheiten, aber als Packpferde taugen sie allemal. Die anderen Ponys, die ihr braucht, muss euch jemand anderes geben.“
Hamp bedankte sich bei dem Mann und führte die beiden zurück zum Lager, wo er sie seinen Männern übergab und Dun sattelte. Er war zum Schluss gekommen, dass der Name zu ihm passte, weil er nun einmal ein Falbe war; daher nannte er ihn so.
„Wen bittest du als Nächstes um Pferde?“ fragte Wolf, während er sich im Sternenlicht den bloßen Kopf kratzte, den er gleichzeitig verwundert schüttelte.
„Ich bettele nicht um Pferde. Ich habe hier Schuldscheine des Staates Texas. Ich kaufe die Pferde, die wir brauchen.“
„Ach komm, ich bitte dich.“ Wolf hob seinen Kopf und rieb sich den Nacken. „Es gibt keinen Bundesstaat in den Vereinigten Staaten, der schlechter darin ist, seine Schulden zu bezahlen, als Texas.“
„Das spielt keine Rolle. Ich werde drei frische Pferde besorgen. Wir können keine Indianer auf den Gäulen jagen, auf denen die Jungs reiten müssen. Du hast deinen großen Grauen, und ich habe Dun, aber die anderen Jungs brauchen richtige Reitpferde; und wenn ich sie unter Berufung auf einen Notstand beschlagnahmen muss. Ich komme erst zurück, wenn ich drei gute Reitpferde habe.“
„Wenn du dir jemals etwas in den Kopf gesetzt hast, sag’ mir Bescheid. Dann mache ich einen weiten Bogen um dich, Hoss.“
***
Bei den Seegers brannte noch Licht, als er die Zufahrt hinaufritt. Wachhunde bellten, als er vor der Veranda abstieg.
„Bist du das, Hamp?“ rief Weathers Seeger von der Haustür aus. Offensichtlich mit einem Gewehr in seinen Händen.
„Ja, ich bin’s, Sir. Ich bin hier, um ein paar Pferde für meine Ranger zu kaufen.“
„Herrgott, Matt, mein Junge, hat erzählt, dass du diese nichtsnutzigen Teufel verfolgen willst, die die Leute umgebracht und dieses kleine Mädchen entführt haben.“
„Ja, das habe ich vor, und ich brauche drei kräftige Pferde.“
„Ich habe nur eins zu verkaufen. Einen kräftigen sechs Jahre alten Braunen. Ich will dreißig Dollar für ihn.“
„Ziemlich teuer, aber wenn Sie sagen, er ist gesund, nehme ich Sie dafür beim Wort. Wenn Sie mich ins Helle lassen, gebe ich Ihnen einen Schuldschein für ihn.“
„Meine Güte, hast du denn kein Geld?“
„Mister Seeger, ich will hinter den Comanchen her. Ich habe die Zusage des prächtigen Staates Texas, dass man Sie bezahlen wird.“
„Diese Carpetbagger haben seit Jahren keine Rechnung mehr bezahlt.“
Hamp schüttelte den Kopf und benutzte die Tür als Schreibunterlage. Er trug dreißig Dollar ein. Ein gesunder sechsjähriger Wallach für Ranger Rhea. Bevor sie das Haus verließen, gab Seeger Hamp eine Handvoll Trockenfleisch, an dem er während des Reitens knabbern konnte. Mit dem Braunen an der Führleine bedankte er sich bei dem Mann und war froh, dass sein großmäuliger Sohn nicht zu Hause war. Matt Seeger war in seinen Augen nicht viel wert. Hamp ritt weiter.
Gegen Mitternacht hobbelte er Dun und rollte sich für ein paar Stunden in eine Decke auf dem Boden ein, begleitet von den Gesängen einiger Kojoten und Eulen. Im Morgengrauen band er die Decke hinter seinem Sattel fest, zog den Sattelgurt straff und ritt mit seinem zusätzlichen Pferd im Schlepptau ins Tal hinunter. Unter seinem rechten Bein befand sich ein Spencer-Repetiergewehr, eines der fünf, mit denen er seine Männer ausgerüstet hatte. Die Gewehre waren die Waffen, die der Captain mit Spendengeld der Bewohner des Countys erworben hatte. Wertvolle Waffen, die seine kleine Kompanie zumindest einer kleinen Bande von Injuns ebenbürtig machten.
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SPENCER REPETIERGEWEHR 1864; signiert Spencer Repeating Rifle Co. Boston. Mass.Pat`d March 6 1860 (Quelle: Kunst- und Waffenkammer, Heilbronn {https://www.kunst-waffenkammer.de) |
***
Als Hamp auf Tater Porters Hof ritt, kam dieser heraus auf die Veranda, kratzte sich das schüttere graue Haar auf seinem Kopf und setzte dann seinen alten Hut auf. „Ich habe gehört, du und deine grünen Jungs wollt Injuns jagen gehen.“
„Allerdings, Mr. Porter, aber ich brauche noch zwei Pferde für meine Männer.“
„Hast du Bargeld?“ Seine dunklen Augen sahen Hamp so eindringlich an, dass er spürte, wie sie sich unter seinem Hemd und seiner Weste in seine Haut brannten.
„Ich habe einen Schuldschein, ausgestellt vom Staat Texas.“
„Taugt nur, um damit Feuer zu machen.“ Porter schüttelte den Kopf und blickte ihn immer noch stechend an. „Ich hab’ den Rebellen ’was gegeben. Ich hab’ der Kirche ’was gegeben. Ich hab’ deinem toten Captain ’was gegeben. Aber ich gebe meine guten Sattelponys nicht für ein wertloses Stück Papier her.“
„Ich muss bald aufbrechen –“
„Nein, hör zu, JUNGCHEN, du und deine Grünschnäbel werdet nichts erreichen, außer dass ihr euch da draußen umbringen lasst.“ Er streckte seinen rechten Arm mit Schwung nach Westen aus, um seinen Standpunkt zu unterstreichen. „Das ist der blutdürstigste Haufen, der jemals auf dieser Erde gewandelt ist. Ich mache das auch für den Herrgott. Damit er nicht über das Massaker an euch weinen muss.“
„Ich brauche trotzdem zwei Pferde.“
„Tja, die einzige Möglichkeit, sie hier zu kriegen, ist, mich umzubringen.“
„Ich bin nicht hergekommen, um jemanden umzubringen. Ich bin hergekommen –“
Porter zeigte zur Einfahrt. „Nein! Du kriegst keins meiner Pferde.“
„Ich hab’ immer gedacht, Sie wär’n ’n guter Mensch“, sagte Hamp. „Ich hab’ Sie bewundert. Aber Sie sind nichts weiter als ein Geizkragen, Tater Porter.“
„Jungchen!“
„Sagen Sie nicht ,Jungchen‘ zu mir. Ich bin ein Ranger des Staates Texas. Ich hoffe wirklich, dass Sie niemals auf Hilfe angewiesen sind.“
„Auf Hilfe von solchen wie dir sicher nicht.“
Mit schweißnassen Händen wendete Hamp seinen Falben und ritt davon, bevor er explodierte. Ein Schmerz stach in sein Herz, der seine Brust vor Wut beben ließ. Er war so sauer wie nie zuvor in seinem ganzen Leben.
Aber bei den nächsten drei Malen erreichte er auch nicht mehr. Marty Collins hatte keine Pferde, die er entbehren konnte. Thelbert Blakely lehnte seinen Schuldschein für einen Wallach mit kurzen Beinen ab, der Hamp sowieso nicht gefiel, als er ihn sah.
Price Daniels saß auf seinem Reitmaultier und hörte sich Hamps Bitte an. Sie befanden sich an der Kreuzung nördlich der Myrtle-Kirche im Schatten einiger großer Lebenseichen.
„Du müsstest mir Bargeld geben, damit ich dir ’was überlasse“, sagte Daniels schließlich.
„Ich nehme an, Sie wissen, dass die roten Teufel drüben am Clover Creek ein sechs Jahre altes Mädchen entführt haben.“
„Die lebt nicht mehr.“
„Wissen Sie ’was, was ich nicht weiß?“
„Du bist ein bisschen grün hinter den Ohren, Hampton. Captain Tanner hätte gewusst, dass sie keinen Tag bei denen überlebt hat.“
„Wenn Sie noch ein Wort über den Captain sagen, dann schieße ich Ihnen ein Loch in den Bauch, durch das ein Wagen fahren kann.“
„Fahr’ ruhig aus der Haut. Stört mich nicht. Ich unterstütze keine Sache, die zum Scheitern verurteilt ist, und ich nehme auch kein wertloses Stück Papier für meine guten Tiere.“
„Ich werde den Verwandten des kleinen Mädchens berichten, was Sie gesagt haben –“ Hamp riss den Falben herum, und noch saurer als zwei Stunden vorher ritt er davon. Den ganzen Tag hatte er mit Leuten geredet, und keiner hatte ihm Pferde geben wollen. Nicht einmal unerfahrene, geschweige denn Pferde, die gut genug waren, um damit Comanchen zu jagen. Besser er kehrte zurück nach Cyperville und traf seine Jungs – irgendwer musste ihm noch zwei Pferde geben.
***
Als er sich dem Flussübergang am Armadillo Wash näherte, scheuchte er fünf herrenlose Pferde aus dem Unterholz. Aufgeregt über seine Entdeckung pflockte er das Seeger-Pferd an und schüttelte sein Lasso aus. Im Sattel stehend, ließ er den Falben hinter einem hageren Schwarzen mit weißen Sattelnarben hertraben. Er wirbelte das geflochtene Rohlederseil über seinem Kopf, und es pfiff durch die Luft. Die Schlinge weitete sich, schwebte über die Ohren des Pferdes und legte sich um seinen Hals. Der Schwarze blieb sofort stehen – aus Gewohnheit.
Mit einem selbstzufriedenen Lächeln im Gesicht führte er den Schwarzen zu dem Braunen und band ihm die Vorderläufe zusammen. Wenn diese herrenlosen Tiere doch einen Besitzer haben sollten, konnte er eine Verlustanzeige aufgeben. Er sah sich um und entdeckte einen Fuchs, der seinen Kopf hoch hielt und dessen dünne Mähne vom Wind angehoben wurde. Dieses Pferd war nicht so leicht einzufangen. Er brach durch ein paar Zedern und Unterholz, als er es bis in eine Seitenschlucht verfolgte. Auf einer kleinen Lichtung warf er sein Lasso, aber die Schlinge traf nicht. Er trieb Dun durch weiteres Unterholz, wo Äste gegen seine mit Chaps geschützten Beine peitschten, bis sie herauskamen und er den Fuchs auf der freien Fläche mit dem Lasso einfing.
Sein Fang wehrte sich gegen das Seil, und er zog es enger, um dem aufgeregten Pferd weniger Spielraum zu geben. Bald darauf gab der Rotbraune auf, und er ritt dicht heran und streifte ihm ein Halfter über den Kopf. Erleichtert atmete er aus und machte sich auf den Weg zu seinen beiden anderen Pferden. Er überlegte, wie das Gedicht ging, das der Captain immer rezitiert hatte, über den Verlust einer Schlacht durch den Verlust eines Pferdes.
Kurz vor Sonnenuntergang erreichte er Cyperville und fand seine Ranger damit beschäftigt, die anderen Pferde zu beschlagen.
„Ich hab’ uns noch drei Reitpferde besorgt“, sagte er und übergab Rhea die Führleinen. „Besser, ihr beschlagt die auch. Ich such’ mir jetzt erst ’mal ’was zu essen.“
Wolf richtete sich von seiner Arbeit auf. Er wischte die Hufnägel, mit denen sein Mund gespickt war, weg und grinste. „Hui, hast du die geklaut, Amigo?“
„Nee, einen hab’ ich von Weathers Seeger gekauft, und vor einer Stunde hab’ ich den Schwarzen und den Fuchs oben am Armadillo Creek herrenlos gefunden.“
Wolf und die anderen waren damit beschäftigt, bei den neuen Pferden Hufe zu heben und die Schienbeine der Vorderläufe auf Schürfwunden zu überprüfen. Zu müde, um sich für ihre Beurteilung auch nur zu interessieren, löste Hamp die nassen Latigos und nahm Dun rasch den Sattel und die schweißgetränkten Polster ab. Von seinen Lasten befreit, wälzte sich der Wallach umgehend im Staub, während Hamp von Alverson einen Blechteller mit Chili und etwas kaltem Brot entgegennahm.
Hamp ging ein paar Schritte und setzte sich in den Schatten einer großen Lebenseiche. Tub machte sich wieder daran, Hufeisen zu erhitzen, zurechtzuhämmern und anzupassen. Wolf hatte sich wieder gebückt und erledigte das Beschlagen, und Alverson benutzte die Raspel, um die Hufe für die Beschläge abzuschaben. An seinem Platz im Schatten strich Hamp der Nachmittagswind über das sonnenverbrannte Gesicht, und er nahm seinen Hut ab, um sich noch etwas mehr abzukühlen. Die Chilis, die er in seinen Mund löffelte, pappten dort zusammen, waren schwer zu kauen und schwer zu schlucken.
Das nächste Wasser war fünfzig Meter entfernt im mit Felssteinen ummauerten Brunnen. Aufzustehen und sich Ersatz für seinen aufgebrauchten Speichel zu holen, wäre mühsam, aber bald würde er nicht einmal mehr schlucken können, wenn er nichts tat. Mit Mühe erhob er sich und ging hinüber, trank mehrere Schöpfkellen voll und ging zurück, um seine Mahlzeit zu beenden.
„Na, wenn das nicht die Ranger sind.“
Als sich Hamp, auf seinem Hintern sitzend, nach Matt Seeger umsah, ließ er seinen Teller stehen. Seeger ritt auf einem großen Pferd, das zum Teil ein Morgan war, heran. Er saß auf einem handgefertigten Sattel, während das blutige Licht des Sonnenuntergangs auf sein glattrasiertes Gesicht fiel.
„Was willst du, Seeger?“
„Ich bin hergekommen, um zu sehen, was die Ranger machen, nachdem du meinem Pa mit einem wertlosen Schuldschein das Pferd da abgequatscht hast. Und wie ich vermutet habe, tust du nichts.“
Hamp hatte den ganzen Tag im Sattel verbracht und mit richtigen Männern gestritten. Dieser Schnösel, so alt wie er selbst, kam nicht her, um eine Schlägerei anzuzetteln. Wahrscheinlich könnte jedermann Rhea, Tub oder Alverson in einem Kampf besiegen, aber mit Wolf oder ihm selbst hätte er es nicht so leicht.
„Seeger, warum reitest du nicht zum Saloon und genehmigst dir einen oder zwei Drinks?“
„Ist das eine Ranger-Anordnung?“
„Ich hab’s gesagt – ja, dann ist es eine.“
„Ich schätze, ich leiste einer Dienstmarke besser Gehorsam, was, Leute?“
Die vier hatten mit dem Beschlagen aufgehört und sich mit vor der Brust verschränkten Armen aufgereiht.
„Wenn du nochmal vorbeikommst“, sagte Matt Seeger und richtete seinen Finger wie eine Pistole auf Hamp, „und leierst meinem Pa mit einem dieser wertlosen Stücke Papier noch ein Pferd aus den Rippen, werde ich deine Haut an die Wand nageln.“
Bevor einer seiner Männer auf das Großmaul schoss, hob Hamp seine Hand, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, damit sie alles bleiben ließen, was sie im Sinn hatten. Einen langen Moment lang fragte er sich, was Seeger als Nächstes tun würde. Zur Waffe greifen oder wegreiten?
Seeger ließ den großen Morgan eine Kehrtwendung machen, als wäre das eine große Sache. „Du hast gehört, was ich gesagt habe: Keine Pferde mehr von meinem alten Herrn.“
Hamp verzichtete darauf, ihm zu antworten. Aber Seeger musste bemerkt haben, wie die Wut in ihm aufstieg, denn er trieb das Pferd an in Richtung des Saloons.
Lange sah Hamp ihm hinterher und ließ seinen Zorn verrauchen. Eines Tages würde es großen Ärger zwischen den beiden geben. Und einer von ihnen würde nach dem Gemetzel nicht mehr auf seinen eigenen Beinen stehen.
(wird fortgesetzt mit: Milky Springs)
*** Published with permission from the beneficiaries and Literary Agent Cherry Weiner - cwliteraryagency@gmail.com ***
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken Anna Barnes und Rhonda Albrecht, den Töchtern des verstorbenen Autors, sowie der Cherry Weiner Literary Agency für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.