Von Comanchen entführt
von Dusty Richards
- Teil 4 von 5 -
(Orig. „Comanche Moon“, 2006; Übers.: Reinhard Windeler)
2010 erhielt Dusty Richards für „The Sundown Chaser“ den Western Heritage Award und für „Texas Blood Feud“ den Will Rogers Medallion Award. „Wulf’s Tracks“ war 2011 sowohl bei den Spur Awards wie bei den Peacemaker Awards in der Endausscheidung, ebenso wie „Between Hell and Texas“ ein Jahr später. 2016 war „A Bride for Gil“ ebenfalls ein Peacemaker-Award-Finalist und Zweitplatzierter bei den Will Rogers Medallion Awards, bevor Richards im Jahre 2017 für „The Mustanger and the Lady“ seinen dritten Spur Award gewann. Dieser Roman wurde unter dem Titel „Painted Woman“ verfilmt, worauf Richards verständlicherweise sehr stolz war, auch wenn der Film – von einem eher unbekannten Regisseur (James Cotten) mit eher unbekannten Schauspielern gedreht – nach seiner Première im November 2017 nur wenige gute Kritiken erhielt. Am 19. Dezember 2017 wurden Dusty und Pat Richards bei einem Verkehrsunfall auf dem Rückweg zu ihrer Ranch in Springdale, Arkansas, schwer verletzt. Ihr Geländewagen überquerte vier Fahrspuren, ehe er in einen Abwasserkanal krachte. Vermutlich hatte Dusty Richards am Lenkrad das Bewusstsein verloren. Nach drei Wochen – an ihrem 78. Geburtstag – starb Pat, acht Tage später – am 18. Januar 2018 – im Alter von 80 Jahren auch Dusty.
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Ein Mann, der sich sein Nachtlager mit Kojoten teilte und so viele Sandkörner in seinen halbgaren Bohnen hatte, dass seine Backenzähne zu Reibeisen wurden, solch ein Mann konnte schon sehr schwermütig werden, wenn er an eine Frau dachte, die er zurückgelassen hatte. (Charley Eckhardt) |
Im Morgengrauen verließen die vier Ranger Gravelys Außenposten und ritten schweigend an Tubs frischem Grab vorbei. Mit neuen Vorräten ausgestattet sah Hamp keinen Grund mehr, nach Fort Griffin zu reiten, das dem Händler zufolge noch zwei lange Tagesritte entfernt im Westen lag. Hamp hatte vor, zurückzureiten und Ruffs Spur zu finden. Einen Ranger hinterrücks zu erschießen, musste gerächt werden. Sein Mörder musste verhaftet und vor ein texanisches Gericht gestellt werden. Am späten Nachmittag schwärmten sie aus, bis sie die Stelle fanden, an der Ruff auf dem Bauch gelegen und Tub abgeknallt hatte.
„Er ist Richtung Osten geritten“, sagte Wolf und zeigte auf die Hufspuren. „Meinst du, er ist zurück nach Milky Springs?“ Die vier Ranger versammelten sich in der Senke, wo das Pferd des Schützen mit zusammengebundenen Vorderläufen gestanden hatte, während er den Schuss abgegeben hatte.
„Wir kriegen Gesellschaft, Leute“, sagte Rhea.
Sie kamen in einer Reihe über den windgepeitschten Bergkamm im Norden. Ein Comanchen-Kriegstrupp in voller Montur und Kriegsbemalung. Die starken Böen brachten die Federn auf ihren Köpfen und an ihren Lanzen zum Flattern. Sogar ihre Ponys waren schwarz, gelb und rot bemalt. Einige waren gefleckt, aber gute, kräftig aussehende Tiere.
„Rhea, hol’ die Pferde zusammen. Jeder nimmt seine Spencer, aber noch nicht schießen.“ Hamp zog die Sharps aus dem Sattelschuh. Dann nahm er auch die Spencer von der anderen Seite. Mit Wolfs Hilfe war Rhea fast damit fertig, die Pferde zu hobbeln. Unterdessen holte Hamp Munition heraus.
„Alles in Ordnung bei dir?“ fragte er Alverson, der auf dem Bauch lag und durch sein Gewehrvisier auf die näherkommenden Krieger schaute.
„Alles bestens.“
„Gut, welcher ist der Häuptling?“
„Ich glaube, der auf dem ockerfarbenen Hengst. Der mit den vielen Federn, oder?“
„Der isses.“
„Wir haben sie gehobbelt“, sagte Wolf und nahm einen Platz neben ihm ein.
„Gut. Verteilt euch etwas mehr“, sagte Hamp. „Nicht, dass die danebenschießen und einen durch Zufall treffen.“
„Soll ich trotzdem bei den Pferden bleiben?“ fragte Rhea.
„Ja, versuch’ sie zu beruhigen. Wir können es uns nicht leisten, sie zu verlieren.“
Ihr Gejohle diente den Comanchen dazu, sich selbst Mut zu machen und ihre Feinde zum Zittern zu bringen. Hamp schob eine Patrone in die Sharps und klappte den Verschluss zu. Er versuchte sich vorzustellen, wie weit der Kalender entfernt gewesen war. Neben ihm inspizierte Wolf durch das Fernrohr die Bewaffnung der Indianer.
„Ein paar Gewehre, aber die meisten haben Pfeil und Bogen.“
„Gut, das bedeutet, dass sie nahe an uns ’rankommen müssen, um etwas auszurichten.“
Die Rufe und Beschimpfungen wurden lauter. Einige zogen ihre Lendenschurze herunter und zeigten ihre nackten Hinterteile, um die Ranger zu verhöhnen. Sie führten zwei Scheinangriffe durch, drehten aber im letzten Moment ab und ritten davon.
„Das kann ja ’was werden, wenn sie immer wieder kommen“, sagte Wolf von seinem Platz unterhalb der kleinen Anhöhe, die sie sich teilten.
„Der feuert sie an!“ sagte Alverson. „Der auf dem ockerfarbenen Hengst.“
Hamp konnte seine kehligen Worte hören. Wie ein Wanderprediger bei einem Gottesdienst unter freiem Himmel stachelte er diese Blutrünstigen an, die paar Weißen zu erledigen, die auf dem Bergrücken auf sie warteten. Totmachen! Totmachen! war Hamps Übersetzung.
Sie wurden ihrem Ruf als großartige Reiter gerecht, als sie ihre Ponys wirbeln ließen. Pferd und Reiter wie eine Einheit; in einer laut schreienden Masse kamen sie über Gras und Gebüsch angedonnert, Sand und Staub wurden aufgewühlt. Hamp legte die Sharps ab und hob seine Spencer. Der Lärm ihrer Schreie schmerzte in seinen Ohren.
„Feuer!“ schrie er.
Pferde und Menschen gingen in dem tödlichen Kugelhagel zu Boden. Andere wichen zur Seite aus, Pfeile zischten durch die Luft und schlugen wie Blitze in einem schweren Gewitter in den Boden ein. Der letzte Indianer, den Hamp traf, fiel keine drei Meter von der Stelle entfernt, wo er auf dem Bauch lag, von seinem scheuenden Pferd. Mit neuer Munition in seinem Gewehr blickte er zu Alverson, der gerade nachlud, und auch Wolf schien unversehrt zu sein. Dann drehte er sich um und sah, dass Rhea mit einem rauchenden Colt in der Hand über einem Indianer stand, der bäuchlings zu seinen Füßen lag.
„Achtung, sie kommen zurück!“ schrie Wolf.
Sie griffen wieder an. Hamp schoss mit seiner Spencer unablässig in die schreiende Masse aus Pferden und Reitern. Als das Magazin leer war, feuerte er mit seinem Colt weiter, bis die Angreifer abdrehten.
„Seid ihr alle in Ordnung?“ schrie er, dann bückte er sich und hob die Sharps auf.
„Yeah“, sagte Wolf. „Rhea hat ’was abgekriegt, aber ist nicht schlimm, sagt er.“
Er hatte eine einzige Chance – ihren Anführer zum Schweigen bringen, der sie immer wieder zu einem weiteren selbstmörderischen Angriff aufwiegelte. Hamp legte seine Wange an den Schaft und schwenkte das Visier ganz nach oben. Wenn er den Häuptling nicht erwischte, würde er vielleicht den ockerfarbenen Hengst treffen. Den Gewehrkolben fest an seine Schulter gedrückt, löste er den Schuss aus.
Der Knall hallte über das Grasland und schien nicht enden zu wollen.
Eben noch bewegte sich der kunstvolle Kopfschmuck aus roten, schwarzen und weißen Adlerfedern im grellen Sonnenlicht hin und her. Sein Träger reckte die Faust in die Luft und schrie seine Männer an. Und im nächsten Augenblick war nichts mehr von ihm zu sehen. Die Krieger wurden hektisch und wirbelten noch mehr Staub auf, aber Wolf sah durch das Fernrohr und verschaffte sich ein genaues Bild.
Hamp hielt die Luft an.
„Du hast ihn erwischt!“
„Ganz sicher?“ kam es im Chor von den anderen dreien.
„Oh ja, sie sind alle ’runter von ihren Pferden und stehen um ihn ’rum. Schieß noch einen oder zwei von ihnen ab.“
Hamp holte tief Luft, legte die Sharps auf und zielte. Er spürte den Rückstoß in seiner Schulter, und der Pulverrauch fegte über sein Gesicht und stach ihm in die Augen. Das Dröhnen ließ auch seine Ohren klingeln.
„Noch einer, die haben noch einen verloren.“
Hamp feuerte erneut und warf dann die Patronenhülse aus.
„Die nehmen ihre Toten und verschwinden.“
„Gut. Passt auf, dass nicht einer der Toten da draußen aufwacht und versucht, euch zu töten“, sagte Hamp, als seine Männer hinausgingen, um die Verluste in Augenschein zu nehmen.
Er konnte sehen, dass die verbliebenen Krieger nach Westen zogen, und er hoffte nur, dass sie eine ganze Weile in dieser Richtung unterwegs sein würden. Manchmal, hatte der Capt’n gesagt, gingen sie nach Hause, wenn sie einen bedeutenden Anführer in der Schlacht verloren hatten, um mehr Medizin zu machen und einen neuen Häuptling zu wählen.
„Können wir ihre Pferde zusammentreiben?“ fragte Rhea.
„Ja, die besseren“, stimmte Hamp zu. „Ein paar von den kleineren sind nicht viel wert.“
Er steckte beide Gewehre in die Sattelschuhe und saß auf Dun auf. In einem Moment sah ein Mann dort draußen dem Tod ins Auge, und im nächsten Moment sammelte er die Kriegsbeute ein.
„Ich sehe mich ’mal da um, wo es den Häuptling erwischt hat.“
„Diese Injuns haben Geld“, rief Rhea und hielt eine Halskette aus Münzen hoch.
„Gut, damit können wir vielleicht unsere nächste Mahlzeit bezahlen“, sagte Hamp, und nach einem Fersendruck trabte der Falbe los. Die Böcke könnten es sich anders überlegen und zurückkommen, um den Kampf fortzusetzen. Bei Injuns konnte man sich nie sicher sein, dass es vorbei war.
Er entdeckte den gelbbraunen Hengst, der seinen Kopf hochwarf, als Hamp näherkam. So wie er in den hüfthohen Fettholzbüschen und dem trockenen Gras dastand, nahm Hamp an, dass er aus der Herde eines reichen Mannes gestohlen worden sein musste. Kein gewöhnliches Pferd und auch kein Produkt indianischer Zucht.
Hamp hielt an und blickte auf die Stelle, wo der Häuptling zu Boden gestürzt war. Der Abdruck seines Körpers zeigte sich im zusammengedrückten Sand, daneben viele Mokassinspuren. Aber es war ein kleines Päckchen unter einem Busch, das ihm als nächstes ins Auge fiel. Blaue Vogelfedern waren auf den Behälter aus Tierhaut genäht. Perlenstickereien bildeten Muster. Hamp suchte den weiten Horizont nach irgendeinem Anzeichen von ihnen ab, aber da war nichts. Daraufhin saß er ab, um es an sich zu nehmen.
Es war ein Medizinbeutel der Präriebewohner, ein mächtiges Totem der Comanchen.
„Was hast du gefunden, Hoss?“ Wolf schaute über das Fettholz hinweg auf das Teil.
„Einen religiösen Beutel von einem Injun.“
„Was ist da drin?“
„Meistens nichts viel, außer dem Staub von ein paar alten Vorfahren. Es ist nicht das, was da drin ist, das ihnen wichtig ist. Das, wofür es steht, ist das, was ihnen viel bedeutet.“
„Hat der Capt’n dir das alles beigebracht?“
„Yeah. Hast du schon ’mal ’was von einer Hohen Karte gehört?“
„Klar, wenn keiner ein Paar hat, dann gewinnt die Hohe Karte. Ich habe ein bisschen Poker gespielt.“
„Ich glaube, wir besitzen eine Hohe Karte für die Verhandlungen mit den Comanchen.“ Er verstaute das kleine Totem vorsichtig in seiner Satteltasche.
Wolf ritt ein Stückchen und stützte sich auf seinen Sattelknauf. „Ich glaube, die würden auch diesen gelben Hengst zurückhaben wollen. Wenn nicht, reite ich auf ihm nach Hause.“
„Ich habe mich schon gefragt, wann du das sagen würdest.“ Hamp grinste breit und schwang sich in den Sattel. „Den fangen wir jetzt ein.“
***
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Alverson? Rhea? Seid ihr das? |
Kurz darauf ritt Wolf den tänzelnden ockerfarbenen Hengst, und die beiden anderen Ranger trieben die acht neuen Pferde. Hamp fand Ruffs nach Norden führende Spuren bald wieder und vermutete, dass die Krieger ebenfalls auf die Spuren des Büffeljägers gestoßen waren und dabei gewesen waren, ihm zu folgen, als sich ihre Wege kreuzten.
„Wohin wird er gehen?“ fragte Rhea ihn, als sie ihre Tiere spät am Tag an einem flachen See tränkten.
„Die Nations? Kansas?“ Hamp tat die Ungewissheit, wo sie Ruff finden würden, mit einem Achselzucken ab.
„Folgen wir weiter seinen Spuren?“
„Bis wir ihn kriegen oder er uns abschüttelt.“
„Gibt es hier draußen eigentlich Städte?“
„Keine, bis du in San Francisco ankommst“, sagte Wolf und ritt auf seinem Hengst vorbei.
„Sind wir schon ’raus aus Texas?“
„Frühestens in einer Woche“, erklärte Hamp ihnen. „Wolf, du kundschaftest die Gegend aus. Während du dich umschaust, sammeln wir genug Chips, um ein paar Bohnen zu kochen. Behalte einen klaren Kopf.“
„Mach’ ich, Hoss.“ Er wendete den Hengst und ritt in einem gemächlichen Galopp davon.
Am nächsten Tag vereinigten sich Ruffs Spuren mit denen einiger Wagen.
„Von wem stammen die?“ fragte Alverson und betrachtete stirnrunzelnd die Spuren der Räder.
„Comancheros“, sagte Hamp. „Die einzigen, die mit den roten Teufeln Handel treiben können.“
„Wo kommen die her?“
„Aus den Bergen von New Mexico. Es heißt, dass sie seit zwei Jahrhunderten mit den Comanchen Handel treiben.“
„Warum sollte der alte Ruff mit denen weiterziehen?“
„Ich habe noch nie gehört, dass die Leute viel Gutes über sie sagen. Tatsache ist, dass viele denken, die hätten so lange mit diesen roten Teufeln Handel getrieben, dass sie praktisch genauso sind wie die.“
Rhea ritt heran und zügelte sein Pferd. „Geht’s wieder in eine zivilisierte Gegend?“
„Die Wagenspuren stammen von Comancheros. Sie treiben Handel mit den Injuns.“
„Von denen hab’ ich gehört. Manche Leute sagen, dass die sogar Kannibalen sind.“
„Das habe ich noch nie gehört. Das waren Injuns, die unten an der Golfküste lebten.“ Hamp kippte seine erste Armladung Büffelchips auf einen Haufen. „Los jetzt. Kommt ’runter von euren Pferden, die Ponys laufen schon nicht weg, und helft mir, etwas Brennbares zu sammeln.“
„Yeah, und ich mache einen Luftsprung, wenn ich wieder dahin komme, wo es Eiche und Mesquite als Feuerholz gibt“, beschwerte sich Rhea, der in gebückter Haltung trockenen Büffelkot aufhob.
Es wäre schön, wieder zurück im Bergland zu sein. Hamp kippte einen weiteren Arm voll trockenem Kot auf den Haufen. Was wohl Jeanie machte? Irgendwie wurde er das Bild, wie er sie in Schwarz bei der Beerdigung gesehen hatte, nicht los. Ein hübsches Mädchen – aber in ihrer Unerbittlichkeit gar nicht weiblich. Trotzdem war die Erinnerung daran, wie sie an dem Tag dort gestanden hatte, jedes Mal, wenn er Zeit hatte, an sie zu denken, wie ein Schlag in die Magengrube. Besser, er hörte auf, sich Gedanken um ein Mädchen zu machen, das keinen Pfifferling für ihn übrig hatte, und sah zu, dass er ein Feuer zum Brennen brachte, sonst würden sie ihre Bohnen nie vor Mitternacht gekocht bekommen.
***
Hamp bezweifelte, dass ein Mann die Strecke von einem Horizont zum anderen an einem Tag zu Pferd zurücklegen konnte. Der violette Schimmer der aufgehenden Sonne färbte die Prärie aus kurzem Gras, die sich in die vier Himmelsrichtungen erstreckte. Mit gesattelten Pferden machten die Ranger sich zum Weitermarsch bereit. Mit den Füßen beförderte Rhea Erde auf die letzte Feuerstelle, über der sie Kaffee gekocht und die Bohnen vom Vorabend aufgewärmt hatten.
„Hamp, wir sollten uns ein Reh oder sowas schießen. Ich bin die Bohnen so leid –“ Kopfschüttelnd ging Wolf weg, um auf seinen Hengst zu steigen.
„Wenn wir eins sehen, werde ich versuchen, es zu erlegen.“
„Hier draußen gibt es nicht viel zu schießen, außer ein paar zähe Kaninchen“, sagte Alverson angewidert.
„Ich würde sogar so eins essen“, behauptete Rhea.
„Holt die Pferde zusammen“, sagte Hamp zu den beiden Jüngeren. „Sich über das zu ärgern, was wir nicht haben, bringt uns nicht weiter.“
Ruffs Spuren führten nach Westen und mischten sich mit den Spuren der Wagenräder im niedergedrückten Gras. Anhand der Hinterlassenschaften der Tiere kam Hamp zu der Überzeugung, dass sie nicht mehr als einen Tag hinter der Prozession zurücklagen, die sich viel langsamer bewegte als seine Ranger-Kompanie. Eine größere Sorge quälte ihn. Wenn Ruff sich mit diesen Händlern verbündet hatte, dann mussten er und seine Männer es vielleicht mit dem gesamten Lager von Comancheros aufnehmen. Dass sie einen Trupp von Kriegern besiegt hatten, machte sie noch nicht zu kampferprobten Veteranen, obwohl seine Zweifel daran, dass sie unter Beschuss die Nerven behielten, geringer geworden waren.
***
Sie begannen mit dem Abstieg von einer Mesa, und beim Anblick einer dünnen Baumreihe zügelte Hamp den Falben. Wasser. Zudem stieg ihm der weinartige Geruch von Cottonwoodrauch in die Nase, der an die Stelle des Geruchs von trockenem Kreosotgras trat.
„Das sind sie! Die Comancheros.“ Rhea zeigte nach Norden.
Wolf holte das Fernrohr heraus und schob es auseinander, während die reiterlosen Pferde sich ihren Weg die steilen Hänge hinunter suchten. „Ein ziemlich großes Lager.“
Zu spät zum Umkehren. Hamp verzog das Gesicht, weil er nicht darüber nachgedacht hatte, dass er unvermittelt auf sie stoßen könnte und wie er dies hätte vermeiden können. Jetzt konnten sie ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen. Es hätte genauso gut ein Comanchenlager sein können, und dann wären sie erledigt gewesen. Das weite Land und die vielen Tage im Sattel mussten seinen Verstand umnebelt haben. Wenn es sein Ziel war, Männer anzuführen, dann musste er mehr wie der Capt’n denken, Aufklärung betreiben und aufhören, sich nach einem Mädchen zu sehnen, das sich nicht die Bohne um ihn scherte.
„Ich brauche eine weiße Fahne“, sagte Hamp.
„Ich habe ein Handtuch aus Baumwolle“, sagte Alverson und langte zu seinen Satteltaschen. „Das brauche ich hier draußen sicher nicht.“
„Gibt es da unten kein Wasser?“ fragte Rhea.
Alverson rümpfte die Nase. „Ich wette, die Hälfte davon ist Schlamm und der Rest Alkali.“
„Hoss, was hast du vor?“
„Unter dem Schutz der weißen Fahne da hinreiten und ihnen sagen, dass ich nur Ruff haben will.“
Wolf bändigte seinen Hengst, der andere Pferde witterte und unruhig wurde. „Dieser Kerl wird sich nicht auf den Rücken drehen und sich tot stellen, wenn er tatsächlich in dem Lager ist.“
Hamp nickte und befestigte die Fahne am Lauf seiner Spencer. „Hast du einen besseren Plan?“
„Nee, meiner wäre nicht ’mal so gut wie deiner. Lass mir die Sharps da, für den Fall, dass deiner nicht klappt.“
„Versprich mir, sie erst zu benutzen, wenn die Lage völlig hoffnungslos ist.“
„Versprochen.“ Wolf lenkte den Hengst dicht heran und nahm ein paar Patronen aus Hamps Satteltaschen. Er stopfte sie in seine Westentaschen und nahm dann das schwere Gewehr.
„Ich werde sie nur benutzen, wenn alles andere fehlschlägt.“
„Richtig. Sammelt die Pferde da unten ein“, sagte Hamp zu den anderen. Er merkte, dass seine Befehle schroff klangen.
„Ja, Sir“, sagte Rhea und trieb sein Pferd den Hang hinunter, Alverson ihm hinterher.
„Du richtest einen Stützpunkt ein, bis ich zurück bin“, sagte er zu Wolf.
„Mir wäre es zwar viel lieber, wenn wir das hier oben machen könnten.“ Wolf sah unter seinen verstaubten, roten Barthaaren aus, als bedrückte ihn etwas. „Aber wir würden die Pferde nie wieder hier ’rauf kriegen, nachdem sie das Wasser gerochen haben.“
„Tu dein Bestes. Ich habe keine Zeit mehr. Die sollen nicht denken, dass ich Angst vor ihnen habe und deshalb so lange damit warte, da hinzureiten.“
„Das weiß ich, Hoss. Ich versuche, dir Rückendeckung zu geben.“
„Du kümmerst dich um die Jungs, wenn die Sache aus dem Ruder läuft. Keine Heldentaten.“
Wolf nickte, aber Hamp hatte nicht das Gefühl, dass er beherzigen würde, was er von ihm verlangt hatte. Keine Zeit für weitere Gespräche. Er lenkte Dun den Bergkamm hinunter. Den Kolben der Spencer auf seinem Knie balancierend, lehnte er sich im Sattel zurück, als das Pony den steilen Hang halb hinunterschlitterte. Teilweise hüpfte es wie eine Katze, teilweise war es am Abwärtskraxeln, aber schon bald erreichte es den Boden, und Hamp blickte nicht mehr zurück. Rhea und Alverson hatten die Pferde im Flachen zusammengetrieben. Beide Ranger saßen auf ihren Pferden und nickten, als Hamp seinen Weg fortsetzte.
***
Er konnte zweirädrige carritos sehen, die hier und da abgestellt waren. Die aufgespannten Segeltuchschirme flatterten im starken Nachmittagswind wie die weiße Fahne, die von gelegentlichen starken Böen erfasst und in sein Gesicht geweht wurde. Die Neugierigen im Lager waren an den Rand gekommen, um ihn zu beobachten, als er näher kam. Männer mit vor der Brust verschränkten Armen, Frauen in bunten Kleidern und sogar einige kleine Kinder.
Ein paar Köter bellten tapfer, bis sie von einem der Zuschauer zum Schweigen gebracht wurden. Hamp fragte sich, ob Ruff unter ihnen war. So feige, wie er den armen Tub abgeknallt hatte, befand er sich vielleicht in einem der Bäume, die laut im Wind raschelten wie trockene Bohnen in einem Glas.
Dann löste sich ein älterer Mann mit weißem Haar und Bart aus der Reihe. Er ging auf ihn zu. Unbewaffnet bewegte sich der Mann mit Autorität, und während die anderen hinter ihm ihre Hände zum Reden benutzten, schritt er über das kurze Gras und hob seine rechte Hand.
„Buenos tardes“, sagte Hamp.
„Wünsch’ ich Ihnen auch, mi amigo. Was suchen Sie hier?“
„Einen Mann, der einen meiner Männer erschossen hat.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Ein Gringo namens Ruff.“
„Er war hier, aber er ist heute Morgen weitergeritten.“
„Wohin?“
„Nach Norden, zu Bloomers Handelsposten.“
„Wie weit ist das weg?“ Hamp hielt das Gewehr mit seiner rechten Hand von sich weg, damit ihm die Fahne nicht ins Gesicht flatterte.
„Vielleicht zwei Tagesritte.“
„Gracias. Dann ziehen wir weiter.“
„Sind Sie in offiziellem Auftrag unterwegs?“ fragte er.
„Wir sind Texas Rangers und suchen ein kleines weißes Mädchen, das die Comanchen im Wyatt Lee County entführt haben.“
Der Mann nickte. „Haben Sie eine Beschreibung?“
Hamp nickte und löste die Fahne vom Lauf. Er klemmte sie sich unter seinen Hintern, damit sie nicht weggeweht wurde. Dann schob er das Gewehr zurück in den Sattelschuh. Mit einem Nicken zeigte er an, dass alles in seinem Sinne war, und er hoffte, dass Wolf durch das Fernrohr sehen konnte, was er tat. Dann saß er ab. Er griff sich das Handtuch, stopfte es in seinen Hosenbund und zog das Medaillon heraus.
„Mein Name ist Hamp Burns.“ Er überreichte das Bild.
„Hugo Ortega.“ Der Mann hielt das Bild ausgestreckt in die gleißende Mittagssonne, als ob es aus der Entfernung besser zu erkennen wäre. Dann nickte er. „Ich glaube, dieses Mädchen ist bei den Kaiwaddies von Sleeping Horse.“
„Wo finden wir die?“
Der Blick, den Ortega ihm zuwarf, verriet Hamp, dass der Mann beunruhigt war. „Es ist völlig ausgeschlossen, dass Sleeping Horse irgendeinen Tauschhandel mit einem Tejas Ranger machen würde.“
„Was würden Sie dafür verlangen, wenn Sie versuchen würden, das Mädchen freizukaufen?“
Ortega strich sich über seinen Bart. „Was haben Sie zu bieten?“
„Fünf Pferde. Ein paar Pistolen. Ein einschüssiges Gewehr. Ein paar Halsketten mit Münzen.“ Er schüttelte den Kopf. Er befand sich mitten im Nirgendwo, und er bot an, dass Wilde bei ihm Schusswaffen eintauschen konnten. Das verstieß eindeutig gegen das Gesetz, aber es spielte keine Rolle; wenn es eine Möglichkeit gab, sie freizubekommen, würde er sie ergreifen.
„Nicht viel“, sagte Ortega ernst.
„Sie ist doch nur ein kleines Kind.“
Ortega nickte. „Da irren Sie sich. Die Comanchen haben eine niedrige Geburtenrate. Kinder sind ihnen wichtig, egal woher, damit ihr Stamm weiterleben kann.“
„Ich habe einen kräftigen Hengst, ockerfarben. Den könnte man überall zu einem guten Preis verkaufen.“
„Sie haben das goldene Pferd?“ Ortega machte große Augen.
„Ich schätze, es war ein Häuptling, der es geritten hat, als wir angegriffen wurden.“
„Das müsste Three Bears sein.“
„Ich nehme an, er ist jetzt tot. Aber ich habe sein Totem.“
„Das Totem von Three Bears?“
Hamp ging und löste die Schnallen auf seinen Satteltaschen. Als er den kleinen Beutel herausholte, hörte er, wie Ortega in einem tiefen Zug einatmete.
„Das reicht.“ Der Händler machte den Eindruck, als würde ihm das Totem den Atem verschlagen, als Hamp es ihm in die Hände legte.
„Wo treffen wir Sie und holen das Mädchen ab?“
„Hier, in einer Woche oder zehn Tagen. Aber Sie und Ihre Männer müssen jetzt in mein Lager kommen, wir haben gestern einen fetten Büffel erlegt.“
Hamp zögerte und rieb sich die Bartstoppeln um seinen Mund. War das ein Trick oder meinte der Mann es ehrlich? Auf keinen Fall durfte er das Leben der anderen in Gefahr bringen.
„Ich schwöre bei der Jungfrau Maria, Ihnen und Ihren Männern wird in meinem Lager kein Leid geschehen.“
„Ich hole sie.“
„Gut, und ich werde diesen kostbaren Beutel mit meinem Leben beschützen.“
„Señor, ich wusste schon an dem Tag, an dem ich es gefunden habe, dass es kostbar ist. Aber was ist es genau?“
„Hat ’was mit ihrer Medizin und Religion zu tun. Sie sind sehr abergläubisch, was manche Dinge angeht. Dies ist für die Kaiwaddies der heilige Gral.“
Hamp nickte, dann ritt er hinaus, um seine Kompanie zu holen.
***
„Die haben gestern einen Büffel erlegt?“ fragte Rhea und leckte sich die von der Sonne blasigen Lippen.
„Ja, und sie wissen, wo das Mädchen ist.“ Hamp blickte zurück zum Lager. Die Reihe der Menschen hatte sich aufgelöst. Alles sah normal aus.
„Das ist eine tolle Neuigkeit“, sagte Wolf.
„Ich habe eine Menge für sie geboten, Jungs.“
„Was?“ fragte Alverson.
„Die zusätzlichen Pferde, auch den Ockerfarbenen.“ Er musterte Wolf eindringlich, um zu sehen, wie er reagierte.
„Was soll’s, ehrlich, ist doch auch nur ein alter Gaul. Ein kleines Mädchen ist viel mehr wert.“ Sein Stellvertreter forderte ihn mit einer Kopfbewegung auf fortzufahren.
„Die zusätzlichen Waffen, die wir den toten Comanchen abgenommen haben, die aufgezogenen Münzen und das Bündel, das ich gefunden habe.“
„Und jetzt?“
„Ortega hat uns in sein Lager eingeladen, zum Büffelessen.“
Alverson fing an, sich den Bauch zu reiben. „Ich könnte eines von diesen Biestern ganz alleine aufessen. Ich hoffe, du hast die Einladung angenommen.“
„Hab’ ich.“
„Wann können wir die Kleine abholen?“
„In einer Woche oder zehn Tagen, hier.“
„Wenn wir dem das alles geben –“ Rhea sah Hamp skeptisch an. „Was, wenn er nicht liefert? Und wo ist Ruff?“
„Ruff ist nach Norden gezogen, vermutlich zu einem Außenposten. Er hat uns eine Spur hinterlassen. Was das betrifft, ob wir Ortega vertrauen können – ich habe ihm genau in die Augen gesehen und nach einem Anzeichen gesucht, dass er uns hintergeht, aber er hört sich ehrlich an.“
Hamp wartete auf ihr Einverständnis.
Wolf ritt dicht an sie heran und leckte sich die Lippen. „Ich habe mit dem Fernrohr einige mächtig hübsche Señoritas erkannt, die in dem Lager da sind. Los geht’s.“
„Halt!“ sagte Hamp. „Fangt nichts mit ihren Frauen an. Bleibt dicht zusammen. Wir müssen aufpassen. In so ’ner Situation dürfen wir nicht zu vertrauensselig sein.“
„Ja, Sir, Capt’n“, sagten sie unisono.
Er war nicht ihr Captain, aber ihm drehte sich der Magen um, wenn er daran dachte, was als Nächstes passieren könnte. Würden er und seine Männer in eine Falle reiten? Was war von den Comancheros zu halten? Waren sie Freund oder Feind?
(Wird abgeschlossen mit: Vertrauen und Vergeltung)
*** Published with permission from the beneficiaries and Literary Agent Cherry Weiner - cwliteraryagency@gmail.com ***
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken Anna Barnes und Rhonda Albrecht, den Töchtern des verstorbenen Autors, sowie der Cherry Weiner Literary Agency für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.