Von Comanchen entführt
von Dusty Richards
- Teil 3 von 5 -
(Orig. „Comanche Moon“, 2006; Übers.: Reinhard Windeler)
Schon lange, bevor erstmals eine Geschichte von ihm erschien, lag Dusty Richards die Literatur am Herzen. Er organisierte regionale Treffen für angehende Autoren, die – aus welchen Gründen auch immer – insbesondere bei Frauen Anklang fanden. Einer ganzen Reihe von Schriftstellerinnen ebnete er den Weg zu ersten Veröffentlichungen; sie bezeichneten sich selbst als „Dusty’s Girls“.
Dusty Richards und seine langjährige Agentin Cherry Weiner
Was eigene Bücher anbelangt, waren es seine beiden Töchter Anna (* 1962) und Rhonda (* 1965), die ihn drängten, Geschichten, wie er sie unentwegt zum Besten gab, zu Papier zu bringen. Die Rice-Schwestern, die im Mittelpunkt der humoristisch angehauchten Romane „From Hell to Breakfast“ und „By the Cut of Your Clothes“ stehen, gestaltete er – so heißt es – nach dem Vorbild seiner Frau und seiner beiden Schwägerinnen.
Seine Erfahrungen und Kenntnisse aus dem Rodeo-Milieu nutzte er 2002 für seinen in der Gegenwart spielenden Roman „The Natural“, für den er im Jahr darauf den Oklahoma Writers’ Federation Fiction Book of the Year Award erhielt.
Wieder ein Jahr später erhielt er diese Auszeichnung auch für „The Abilene Trail“, den ersten von fünf Romanen, die er unter dem Namen seines 1998 verstorbenen Kollegen Ralph Compton schrieb, wobei er allerdings – ebenso wie es bei anderen Autoren, die an der Fortsetzung von Compton-Reihen mitwirkten, der Fall war – namentlich auf den Titeln genannt wird, sodass man nicht davon sprechen kann, diese Romane wären unter Pseudonym erschienen.
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Westlich von Phantom Hill gab es weder genug Wasser noch irgendwo einen Fluß, der tief genug zum Baden war; daher versuchte man bei Büffeljägern und ihren Helfern immer, sich auf der Seite aufzuhalten, aus der der Wind wehte. (Charley Eckhardt) |
Drei Tagesritte westlich von Cyperville wirbelte der Wind Staubwolken auf. Ein niedriges Adobegebäude stand inmitten von Mesquite neben einigen Jacals und Buschcorrals. Das verblasste Schild neigte sich nach Norden und trug die Aufschrift „Milky Springs“. Niemand ließ sich bei den Gebäuden blicken, als sie darauf zu ritten.
Ein paar grasende Pferde warfen ihre Köpfe hoch, um die Ankunft der fünf Ranger und der zwei Packpferde zu beobachten. Irgendwo stieß ein Maultier einen Eselsschrei aus, als sie sich näherten. Ein paar feige gelbe Köter begannen aus sicheren Verstecken, sei es unter zweirädrigen Karren oder in den Ecken von Pferchen, zu bellen.
Tub ritt neben Hamp. „Kennst du das hier?“
„Nee“, sagte Hamp. „Aber zu Außenposten wie diesen bringen die Injuns Gefangene zum Handeln. Ich will die Leute hier fragen, ob die sie gesehen haben.“
„Könnte auch ganz gut ein Versteck von Banditen sein.“
„Herrje, Tub.“ Hamp musterte den dicklichen Jungen eindringlich. „Kein Bandit, der bei Verstand ist, legt sich mit einer Kompanie von Rangern an.“
„Tja, du hältst uns für eine viel härtere Truppe, als ich das tue.“
„Seid jetzt alle still. Der Capt’n hat gesagt, man soll genau hingucken und zuhören, wenn man an einen fremden Ort kommt.“ Hamp hoffte, dass es dort eine gute Quelle mit sauberem Wasser gab. Der halbschlammige Schleim, mit dem sie in ihren Feldflaschen auskommen mussten, war kein Ersatz für richtiges Wasser.
„Behaltet einen klaren Kopf“, ermahnte er die anderen, als sie Seite an Seite ritten.
„Das werden wir“, sagte Wolf und sah sich aufmerksam um.
„Ich würde einen Vierteldollar für ein Bad geben“, sagte Rhea.
„Du hast keinen Vierteldollar“, erinnerte Alverson ihn.
„Egal, würde ich trotzdem tun.“
In einer einzigen schnellen Bewegung schob Alverson seinen Hut zurück und wischte sich über die Stirn, dann drückte er ihn wieder auf seinen Kopf. „Wie sich die Dinge manchmal ändern. Ich kann mich erinnern, dass ich das Baden jeden Samstagabend gehasst habe, und jetzt würde ich meine Eckzähne für ein Bad geben.“
Hamp zog die Zügel an und schaute die Reihe seiner Männer entlang. „Rhea, du hältst die Pferde. Ich gehe zuerst rein. Ihr anderen Jungs kommt nach mir rein. Dann verteilt ihr euch und seid auf alles gefasst. Eine Sache, an die ihr denken müsst.“ Er machte eine Pause und blickte ihnen in ihre sonnengebräunten Gesichter. „Wir sind hier nicht auf Ärger aus. Aber wir laufen auch nicht davor weg.“
Er schwang ein Bein über sein Pferd und stieg ab. Er löste den Rohlederriemen über dem Hahn seiner Pistole. Einen Moment lang überlegte er, seine Rindsleder-Chaps abzulegen und an den Sattelknauf zu hängen, entschied sich aber dagegen.
An der offenen Tür duckte er sich unter dem niedrigen Türsturz und gab seinen Augen Zeit, sich an den dunklen Raum zu gewöhnen. Der Geruch von etwas Totem drang ihm mit voller Wucht in die Nase.
„Boah, was stinkt denn hier?“ zischte Tub hinter ihm.
„Buenos tardes, mi amigos“, begrüßte sie ein Mexikaner hinter einer behelfsmäßigen Theke.
„Wir müssen unsere Pferde tränken“, sagte Hamp und registrierte die vier Männer, die an einem Holztisch rechts von ihm saßen. Von ihnen ging der gewaltige Gestank von etwas aus, was längst nicht mehr am Leben war. Sie trugen verschiedenste Sorten von Hüten, Bowlerhüte, Sombreros, und einer hatte sogar einen Zylinder. Im schwachen Licht konnte er ihre blutverschmierte Kleidung erkennen – Büffeljäger, Abhäuter.
Ein großer Schlaks in einem fleckigen Hirschlederhemd stand auf und verschob seinen Zylinder, sodass er schief auf seinem Kopf saß. „Was für ein Glück für uns, oder?”
Seine Worte lösten schallendes Gelächter unter dem betrunkenen Haufen aus, in dem ein großer Krug am Tisch herumgereicht wurde, damit der Nächste daraus trinken konnte.
Hamp schätzte den Hochgewachsenen ab, als er auf ihn zuging. So groß wie Hamp stand er in schmutzigen Hosenbeinen da, die in kniehohen Stiefeln steckten. Er trug zwei große Messer und einen Tomahawk in einer roten Schärpe, die um seine Taille gebunden war, und einen großen klobigen Walker-Colt in seinem Hosenbund.
„Hamp Burns“, sagte Hamp und stellte sich vor die anderen.
Der Mann mit dem großspurigen Grinsen und dem zu langen Schnurrbart, dessen feuchte Enden ihm in den Mund hingen, bot weder einen Handschlag an noch nannte er seinen Namen. Er blieb nicht weit vor Hamp stehen, und seine blauen Augen verengten sich.
„Wo kommst du her, JUNGCHEN?“
„Hamp Burns, Wyatt Lee County. Habe ich Ihren Namen nicht gehört?“
„Mein Name ist Ruff.“ Er zeigte mit seinem Daumen auf sein zugeschnürtes Hemd. „Ist dir Ruff ein Begriff?“
„Mister, mir ist vieles ein Begriff.“ Hamp zeigte sich unbeeindruckt. „Ich bin hier, um sieben Pferde zu tränken und um zu fragen, ob Comanchen mit einem kleinen Mädchen vorbeigekommen sind.“
„Ein kleines Mädchen, ja?“ Ruff betrachtete seine staubigen Stiefel, als würden sie ihn drücken.
„Sie wurde vor zwei Wochen entführt.“
„Soso, hast du schon mal nach einer Nadel in einem Heuhaufen gesucht?“ Ruff zwinkerte seinen Begleitern zu.
Hamp nickte dem Mann zu. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an in Erwartung dessen, was vielleicht als Nächstes passierte. Das wäre beim Captain nicht der Fall gewesen; aber Leute wie Ruff erkannten, wenn jemand Erfahrung hatte, und Ruff hätte nie versucht, sich mit dem Captain zu messen.
Ruffs geballte Faust kam von seiner Seite hoch, und Hamp wusste, dass sein Gegner erwartete, dass er zurückweichen würde. Ruff riss seine blauen Augen weit auf, als Hamp einen Schritt nach vorne machte, ihm sein Knie mit Wucht in den Unterleib rammte und seinen Arm zur Seite drückte. Was dazu führte, dass der Mund des Büffeljägers ein „O“ formte.
Da kaum ein Abstand zwischen ihnen war, riss Hamp ihm blitzschnell den großen Walker-Colt aus seinem Hosenbund, spannte den Hahn und feuerte in die Decke. Die Explosion schmerzte in seinen Ohren. Staub und Pulverrauch quollen im Raum auf. In einem schnellen Bogen schlug er dem sich krümmenden Büffeljäger den Lauf über den Kopf, und Ruff ging mit dem Gesicht nach unten zu Boden.
Drei weitere gezogene Colts gaben Hamp Rückendeckung und drängten den Rest der entgeisterten Jäger an die Wand.
„Wir sind Texas Rangers. Wir sind nicht hergekommen, um zu kämpfen, aber wir werden kämpfen, wenn es sein muss. Wer ist der Nächste?“ Hamp wartete, aber die anderen drei winkten ab, als wollten sie nichts mit der Sache zu tun haben.
Hamp nickte seinen Rangern zu, steckte sich den Walker in seinen eigenen Hosenbund und trat dann an die Theke. Er war dankbar, dass sich der beißende Rauch etwas verzogen hatte. „Ich gebe dir einen Schuldschein für zwei Dollar und fünfzig Cent für das Wasser – sieben Pferde und fünf Mann.“
Der Mexikaner verzog sein Gesicht. „No savvy.“
Hamp hob nicht einmal seinen Blick. Er war an der Theke damit beschäftigt, das offizielle Schriftstück mit einem Bleistiftstummel auszufüllen. Was dieser Greaser verstand oder nicht verstand, war nicht sein Problem. Die Pferde da draußen und seine Männer brauchten etwas Gutes zu trinken. Punkt.
Als er fertig war, schob er den Schuldschein über die Theke zu dem Mann. „Texas wird dich bezahlen.“
Der Mann nickte, wirkte aber verständnislos und hatte offenbar Angst, das Papier nicht zu akzeptieren.
„Kleines Mädchen. Lockiges Haar. Waren keine Comanchen hier, um sie bei dir einzutauschen?“
„Keine gesehen.“ Der Mann schüttelte vehement den Kopf.
„Hier –“ Hamp zog das Medaillon heraus und öffnete es. Der Mann beugte sich vor und sah sich das Bild genau an.
„Die nicht gesehen.“
„Wenn doch, dann kaufst du sie frei. Ich bin aus Cyperville. Gefreiter Burns. Sag’ Bescheid, ich bezahle dich.“
„Si, Señor.“
„Wenn Sie nach dem Messer greifen, sind Sie tot, Mister“, sagte Tubby hinter Hamps Rücken.
Hamp drehte sich rechtzeitig um, um zu sehen, wie Tubby die Mündung seines Revolvers in Ruffs Gesicht hielt und ihm Messer und Tomahawk abnahm. Als er damit fertig war, nickte Tub zum Zeichen, dass er die Sache im Griff hatte.
„Wolf und Tub, ihr passt auf diesen Haufen auf. Wir tränken die Pferde. Wenn sie Ärger machen, haltet euch nicht mit Warnungen auf. Knallt sie einfach ab“, sagte Hamp und gab Alverson mit dem Kopf ein Zeichen, zur Tür zu gehen. Er blieb stehen, bevor er sich wegen der niedrigen Türöffnung duckte. Tubby hatte Ruff nur erlaubt, sich auf seinem Hintern auf den Boden zu setzen. Der harte Bursche sah aus, als wäre er wütend genug, um die Mündung der Waffe in der Hand des Rangers abzubeißen.
„Danke, Tub.“
Das runde Gesicht des Rangers strahlte, und Hamp ging hinaus, um beim Tränken der Pferde zu helfen.
***
„Wer hat da drinnen geschossen?“ fragte Rhea und verteilte Zügel und Führleinen an Hamp und Alverson.
„Ich – um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.“
„Was für Leute sind da drin?“ fragte Rhea.
„Ach, ein paar stinkende alte Büffeljäger“, sagte Alverson. „Du hast nichts verpasst.“
„Machen die uns noch mehr Ärger?“ Rhea blickte immer wieder zurück, als rechnete er jeden Moment damit, dass sie wie wilde Stiere herausgestürmt kämen.
„Erst einmal nicht“, sagte Hamp, als sie den Pferch betraten, in dem sich der Wassertank und der Brunnen befanden.
„Mann, ich dachte, wir müssten uns nur vor Injuns in Acht nehmen.“
„Da tauchen eine Menge anderer Probleme auf als nur die Injuns.“
„Hamp, machst du das alles für ihre scharfe Schwester?“
„Nein, Rhea, das ist meine Pflicht als Ranger.“ Er schüttelte den Kopf, als die Pferde sich an der Tränke aufstellten und zu trinken begannen. Rhea hatte Jeanie McBroom gemeint. „Ich tue nur meine Pflicht, sonst nichts.“
„Du hast keine Absichten bei ihr?“
Er zog die Stirn kraus, als er sah, dass die Pferde zu viel Wasser soffen. „Hey, Jungs, die Pferde müssen weg von dem Wasser. Wir müssen sie herumführen, sonst kriegen sie noch eine Kolik. Sie sind im Moment so ausgetrocknet, da vertragen sie nicht soviel Wasser auf einmal.“
Dun zeigte ihm mit einem Kopfstoß, dass er nicht von der Tränke weggehen wollte, aber Hamp zwang ihn dazu. Kein leichter Kampf. Die beiden anderen Ranger zerrten und traten, bis auch ihre Pferde sich mit tropfenden Mäulern von der Quelle entfernten.
Hamp blickte zum Adobegebäude hinüber und führte seine drei Pferde auf dem sandigen Boden neben dem Pferch auf und ab. Er hoffte, dass Wolf und Tub die stinkenden Abhäuter in Schach halten konnten. Nun würde es zwar viel länger dauern, als er vorgesehen hatte, aber ein krankes Pferd konnten sie auch nicht gebrauchen.
„Ich pumpe noch mehr Wasser aus dem Brunnen“, sagte Alverson und teilte die Führleinen seiner beiden Pferde zwischen Hamp und Rhea auf.
„Meinst du, mit ihnen ist immer noch alles in Ordnung?“ fragte Rhea. Seine Stimme klang besorgt.
„Hat ja keine Schüsse gegeben.“ Hamp zerrte mit der Leine an einem der störrischen Packpferde.
„Meinst du, wir müssen die umlegen, um von hier wegzukommen?“
„Das hoffe ich nicht. Wir können sie jetzt zurückbringen, denke ich, und sie zu Ende trinken lassen.“
„Gut.“
Abwechselnd arbeiteten sie am Förderseil, schöpften mehr Wasser und kippten es aus dem Eimer in den Tank. Endlich zeigten sich die Pferde zufrieden, und sie füllten alle Feldflaschen auf. Das Wasser war nicht besonders gut. Es hatte einen salzigen Beigeschmack, aber es war besser als das meiste, auf das sie gestoßen waren.
Hamp ging rasch zur Spelunke. Drinnen sah er, dass sowohl Wolf wie auch Tub immer noch ihre Revolver draußen hatten. Die Abhäuter ließen wieder den Krug herumgehen, und Ruff saß immer noch auf dem Fußboden, wo er Erde von einer Hand in die andere rieseln ließ.
„Wir haben unsere Pferde getränkt und brechen jetzt auf“, gab Hamp bekannt. „Wir vergessen besser, dass wir uns jemals getroffen haben.“
„Ach, JUNGCHEN?“ fragte Ruff. „Darf ich jetzt aufstehen?"
„Wenn wir weg sind, dürfen Sie das.“
„Auf geht’s.“ Hamp gab seinen beiden Männern ein Zeichen mit dem Kopf.
„JUNGCHEN. Du weißt, dass du einen großen Fehler gemacht hast“, sagte Ruff hinter seinem Rücken.
Hamp blieb kurz vor dem Ausgang stehen. „Wieso?“
„Du hättest mich umlegen sollen.“
Hamp betrachtete den Büffeljäger, der mit seinem Zylinder auf dem Fußboden saß und Erde siebte. Hätte der Capt’n ihn getötet? „Nein, dafür ist das Leben zu kostbar.“
Ruff ließ seinen Kopf sinken und schüttelte ihn voller Verachtung. „JUNGCHEN, du wirst nicht lange genug leben, um zu lernen, worauf es ankommt.“
„Darauf lasse ich es ankommen. Bleiben Sie da sitzen. Wir sind gleich weg.“
„Denk’ dran, ich hab’ dich gewarnt.“
„Mach’ ich.“ Hamp duckte sich, ging nach draußen, griff sich Duns Zügel und saß auf. Vier besorgte Gesichter schauten ihn fragend an. „Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen“, sagte er und unterstrich es mit einer Kopfbewegung.
***
In den nächsten Minuten wollte Hamp sich mehrere Male umdrehen und nachsehen, als seine Kompanie von Rangern durch Mesquite und Fettholz ritt. Ihm juckte die Haut unter dem Hemd vom Hals hinab bis zur Taille. Er fragte sich, wie sich eine heiße Bleikugel im Rücken anfühlte.
„Glaubst du, dass die uns hinterher kommen?“ fragte Rhea, der verdreht im Sattel saß, weil er nach hinten schaute.
„Nee, die sind zu sehr damit beschäftigt, sich zu betrinken“, sagte Hamp.
Wolf, der so ernst aussah, wie Hamp ihn nie zuvor gesehen hatte, warf einen Blick zurück und setzte sich dann in seinem Sattel wieder richtig hin. „Wer hat dir diesen Trick mit dem Knie beigebracht, den du vorhin bei Ruff angewendet hast?“
„Der Capt’n.“
„Du vermisst ihn sehr, oder nicht?“
„Wolf, das da hinten hätte ich nicht tun müssen, wenn er da gewesen wäre.“
„Wieso?“
„Vor ihm hatten die Leute Respekt. Den muss ich mir erst verdienen, fürchte ich.“
„Dieser alte Knabe, Ruff, war schon ein ziemlich rauer Bursche“, sagte Tub. „Aber du bist mit ihm fertig geworden.“
„Ich hab’ Glück gehabt, sonst nichts.“
„Warum bist du immer noch bei den Rangern?“ fragte Alverson.
„Der Capt’n hat gesagt, wenn ihm ’was passiert, habe ich das Kommando, bis der Gouverneur einen neuen Mann ernennt.“
„Wann wird er das tun?“ fragte Rhea.
„Wenn er ’mal Zeit hat, nehme ich an. Ich denke, der Gouverneur des Staates Texas muss sich um wichtigere Dinge kümmern, als einen neuen Ranger-Captain für das Wyatt Lee County zu ernennen.“
Sie ließen die Pferde mit weiten Schritten traben. Der Sonnenuntergang färbte den Himmel orangerot, und der Tag ging zu Ende. Sie schlugen ihr Lager auf und hobbelten ihre Pferde. Bald kochten Bohnen über dem Feuer, und im Schneidersitz warteten sie darauf, dass sie gar wurden, wenn der Hunger sie nicht vorher dazu trieb, sie halbgar zu essen.
Hamp hoffte, dass keine vom Wind aufgewirbelten Sandkörner in seine Portion Bohnen gerieten. Es machte ihm Sorgen, wenn diese diamantharten Teilchen auf seinen Backenzähnen knirschten. Was wohl Jeanie gerade aß? Wahrscheinlich etwas Frisches aus dem Garten der Harrisons – der Leute, die sie bei sich aufgenommen hatten.
Nicht in jedem seiner Bissen war Sand. Einen Löffel nach dem anderen versuchte er krampfhaft, sich bei jedem Bissen möglichst viel Zeit zu lassen. Langsam zu essen und gründlich zu kauen war der Weg, um die Mahlzeit zu strecken und sich am Ende satt zu fühlen.
Im flackernden Licht des Feuers reinigte er den Walker und lud ihn nach. Irgendwo im Mesquitewald heulte ein Kojote den Vollmond an. Hätte er zu Hause bleiben und sich für weitere Raubzüge wappnen sollen? Der Gedanke, dass es dort, wo sie zuhause waren, weitere Angriffe geben könnte, während sie hier draußen nur Kojoten als nächtliche Besucher hatten, plagte sein Gewissen.
***
Bei Sonnenaufgang wärmten sie ihre Bohnen auf und spülten sie mit heißem Kaffee hinunter. In der Kühle vor der Morgendämmerung fragte er sich immer, wie die Temperatur in der Nacht so stark fallen und am nächsten Tag so hoch steigen konnte.
Dun zeigte sich unter dem Sattel ausgelassen und entlockte Hamp ein Lächeln. Als er sein Pferd unter Kontrolle hatte, hörte er Rhea zu, der von einem Hengstfohlen erzählte, das er zu Hause einritt. Ein Pferd mit einer großen Blesse, das er auf keinen Fall verkaufen wollte.
„Mann“, sagte Wolf tadelnd, „du wirst ein Dandy sein, wenn du diesen Angeber reitest.“
„Das denke ich auch“, sagte Rhea, um sich nicht von dem älteren Jungen aufziehen zu lassen.
Hamp hoffte, dass sie auf dem richtigen Weg waren, um Fort Griffin zu finden. Falls sie daran vorbeiritten, wären sie im Niemandsland. Er war sich sicher, dass sie auf eine gut frequentierte Straße stoßen würden, die sie dorthin führen würde. Die Karte in seinem Kopf sagte ihm, dass sie irgendwo vor ihnen bald die alte Butterfield Road kreuzen würden.
Während er Richtung Westen ritt, dachte er über Jeanie nach. Was machte sie wohl gerade? Er nahm seinen Filzhut ab und wischte sich dann die Stirn mit seinem schmutzigen Ärmel ab. Er nahm an, dass die Harrisons ihr ein gutes Zuhause gaben. Es spielte keine Rolle für ihn. Egal, wie sehr er nach ihrer kleinen Schwester suchte – nichts würde dieses Mädchen beeindrucken. Schon gar nicht etwas, was er tat.
An diesem Tag war Tub an der Reihe, von den anderen Jungs aufgezogen zu werden. Sie machten sich darüber lustig, dass er im Adamskostüm gebadet hatte und ein paar Mädchen seine Kleidung gestohlen hatten. Er hielt seine Hände hoch, um sich den Neckereien der anderen geschlagen zu geben, als er sich plötzlich kerzengerade aufrichtete und nach vorne aus dem Sattel kippte. Sein Pferd scheute und prallte gegen Dun, als das dumpfe Donnern eines Gewehrschusses über die texanische Prärie rollte.
„Runter! Runter!“ schrie Hamp. „Das ist ein Büffelgewehr.“
„Aber Tub ist –“
Hamp riss seine Spencer aus dem Sattelschuh und spürte, wie sich Hilflosigkeit in ihm breitmachte, als er den Horizont nach einer Spur des Schützen absuchte. Er konnte überall da draußen sein. Zweifellos befand sich der Schütze weit außerhalb der Reichweite der Waffe, die er in seinen verschwitzten Händen hielt.
„Warum hat er Tubby erschossen?“ fragte Rhea, der neben dem versteinert dreinblickenden Wolf kniete, der Tubs Kopf in seinem Schoß wiegte.
Das Blut vorne auf Tubs Hemd sagte Hamp alles, was er wissen musste. Für ihren Kameraden konnten sie nichts mehr tun. Aber warum Tub? Er kannte die Antwort. Tub hatte Ruff auf dem Fußboden der Spelunke in seine Schranken gewiesen, ihn entwaffnet und gezwungen, dort auf der Erde zu sitzen. Ruff wusste auch, dass er keine andere Wahl hatte, als sich auf die Spur von Tubs Mörder zu setzen.
„Warum musste er den armen Tub erschießen?“
„Damit ich ihn verfolge.“
„Du meinst, er will dich auch umbringen?“ fragte Rhea ungläubig.
Hamp nickte, kniete sich neben ihm hin und sah zu dem erschütterten Alverson hinüber. Der junge Ranger hatte seine Arme um sich geschlungen, als würde er frieren und sich zu Tode zittern, und sah Hamp mit großen Augen fassungslos an.
„Von jetzt an wird es noch viel übler werden. Aber wir werden Tubs Mörder schnappen, und er wird dafür bezahlen.“ Er legte seine Hand auf Alversons schmale Schulter. „Wir schaffen das.“
„Und wie?“ brachte Alverson heraus und umklammerte sich dann noch fester. „Wir können ihn da draußen ja nicht einmal sehen.“
„Vertrau’ mir, es gibt einen Weg.“ Hamp langte nach unten und schloss Tub die Augen.
***
Sie ritten die ganze Nacht durch und erreichten den Außenposten. Noch vor dem Morgengrauen liehen sie sich eine Schaufel aus und begruben die steife Leiche ihres Kameraden auf dem örtlichen Friedhof. Hamp las aus den Psalmen in seiner Bibel. Dann füllten sie das Grab auf.
Er stellte Jim Gravely einen texanischen Schuldschein für weiteres Trockenfleisch, Frijoles, einige Tomaten in luftdichten Dosen und Kräcker aus, und darin waren auch zwei Dollar für ein Messingfernrohr in einem Lederetui. Bevor er den Mann bezahlte, nahm er es mit nach draußen und vergewisserte sich, dass er ein Gesicht am nahen Horizont erkennen konnte, indem er es auf eine Milchkuh dort draußen scharf stellte. Er kam zurück und fragte den Mann, ob sie Tubs Pferd, Sattel und Ausrüstung gegen ein Sharps-Gewehr Kaliber .50 und fünfzig Schuss Munition eintauschen könnten.
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Sharps-Gewehr von 1859 (Quelle: wikipedia) |
Gravely sah sich den Fuchswallach eingehend an und meinte, dass er ein bisschen müde aussah, aber ein Fünfjähriger war, wie Hamp sagte.
„Na gut, ich mache den Tausch, aber nur, weil ihr Ranger einen von euch verloren habt.“
Hamp fischte das Medaillon heraus. „Eine Frage habe ich noch.“ Er zeigte ihm das Bild. „Haben Sie die gesehen?“
Gravely schüttelte den Kopf. „Aber wenn ich sie sehe, werde ich sie freikaufen und Bescheid geben. Cyperville, richtig?“
„Ja, Sir.“
Dann ging Gravely und nahm die Sharps von der Wand. Er erklärte alles, was er über das Gewehr wusste.
„Wir gehen nirgendwo hin“, sagte Hamp, „bis ich nicht zehn Schuss Munition abgefeuert und dann das Gewehr wieder gereinigt habe.“
„Gut“, erklärte der Mann sein Einverständnis.
Also wurde ein alter Kalender knapp einhundert Meter entfernt auf ein paar kaputten Brettern aufgestellt, die von der Ladefläche eines Wagens stammten. Als Stütze benutzte Hamp zwei gekreuzte Stöcke, die mit grünem Rohleder umwickelt waren, das sich zusammengezogen hatte. Wolf legte das Fernrohr auf einen Pfosten, damit er beobachten konnte, wohin die Kugel flog.
Der erste Knall war für sie alle ohrenbetäubend.
„Du hast den Kalender getroffen“, sagte Wolf. Er drückte sein Auge auf das Messingende, um den Treffer besser erkennen zu können. „Ein bisschen zu weit unten.“
„Du musst den Vorhaltwinkel vergrößern“, sagte Gravely.
Nach zwei Klicks an der Kimme legte Hamp das Gewehr wieder auf die Stöcke und zielte sorgfältig. Der Gewehrkolben versetzte seiner Schulter einen kräftigen Stoß, als die Waffe losging, doch nachdem der Rauch sich verzogen hatte, konnte er in seinem klingelnden Ohr hören, wie Wolf rief: „Genau in die Mitte.“
„Das reicht als Übung. Ich mach’ es sauber, und wir können das Lager aufschlagen.“
Rhea ging los, um die „Zielscheibe“ zu holen.
„Jetzt musst du nur noch bei einem Mann die Mitte treffen“, sagte Gravely und schüttelte den Kopf im starken Südwind, der seine Haare zerzauste, und ging wieder hinein.
„Da ist ’was dran“, sagte Alverson, der auf seinen Stiefelabsätzen im Sand hockte.
„Wenn es um Leben und Tod geht: Könntest du einen Mann erschießen?“ fragte Hamp Alverson.
„Klar. Warum fragst du?“
„Weil ich weiß, dass Tubs Tod dir gestern ziemlich zugesetzt hat. Aber wenn das Comanchen gewesen wären, hätte es dich nicht umhauen dürfen. Wir müssen damit rechnen, dass es einen großen Kampf gibt. Jetzt sind wir nur noch zu viert.“
„Ich verspreche dir, dass du dich auf mich verlassen kannst.“
„Gut, denn wenn nicht, bleibst du besser hier, wenn wir weiterreiten, und wartest, bis du für den Rückweg auf einem Fuhrwerk mitfahren kannst.“
Alverson blickte nach unten auf den Sand. „Ich bin bereit zu kämpfen, wenn du mich brauchst.“
Hamp verlor kein weiteres Wort zu dem Thema. Er fing an, das Gewehr auseinanderzunehmen, um es zu reinigen. Wolf war auch nicht kampferprobt, aber den Rotschopf brachte nichts aus der Ruhe, weder ein wildes Pferd oder ein wilder Bulle noch irgendein Kerl, der auf einen Kampf aus war. Rhea war der Jüngste im Bunde, aber als Alverson dort oben zusammengebrochen war… Das Ganze machte Hamp immer noch zu schaffen. Es waren keine knallharten Burschen, mit denen er einem wildentschlossenen Mann nachsetzen würde. Er hoffte inständig, dass seine Entscheidung, Tubs Mörder zu jagen, die richtige war. Nichts, was mit dieser Jagd zusammenhing, würde dazu beitragen, Becky zurückzubringen …
(wird fortgesetzt mit: Comanchen und Comancheros)
*** Published with permission from the beneficiaries and Literary Agent Cherry Weiner - cwliteraryagency@gmail.com ***
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken Anna Barnes und Rhonda Albrecht, den Töchtern des verstorbenen Autors, sowie der Cherry Weiner Literary Agency für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.