Von Comanchen entführt
von Dusty Richards
- Teil 5 von 5 -
(Orig. „Comanche Moon“, 2006; Übers.: Reinhard Windeler)
Vor dem verhängnisvollen Unglück hatten Dusty und Pat Richards sich mit Casey Cowan zum Essen getroffen, einem von Dustys Verlegern und seinem Geschäftspartner bei Oghma Creative Media. Mit ihm zusammen hatte Dusty das Magazin „Saddlebag Dispatches“ gegründet, dessen erste Ausgabe im Herbst 2014 erschien und das sich seitdem gut entwickelt und als feste Größe am Markt etabliert hat.
Alle Ausgaben kann man kostenlos im Internet lesen, auch diejenige aus dem Winter 2022, die im Wesentlichen zum Andenken an ihren Mitbegründer gestaltet wurde. Sie enthält neben einigen zuvor unveröffentlichten Kurzgeschichten mehrere Beiträge, in denen sich Wegbegleiter an ihre Begegnungen mit Dusty Richards erinnern. Nicht nur einmal wird darin betont, wie hilfsbereit und großzügig Dusty und Pat Richards gegenüber ihren Mitmenschen waren und wie uneigennützig Dusty andere Autoren mit Rat und Tat unterstützte.
Dabei konnte der erste Eindruck, den Dusty Richards mit seinem imposanten Auftreten machte, durchaus täuschen. Im WWA-Magazin „Round Up“ schrieb Loren D. Estleman, der ihm 1993 das erste Mal begegnete: „Ich hielt ihn für laut und aufdringlich. Damit lag ich völlig falsch, wirklich völlig falsch. Glücklicherweise konnte ich meine Fehleinschätzung revidieren, sodass ich die Gesellschaft dieses warmherzigen Giganten genießen konnte.“
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Nach dem Krieg siedelten sich eine Menge Leute westlich von San Antonio an, die sich später wünschten, sie hätten sich ein Stück Land am Eingang zur Hölle anstatt im texanischen Bergland ausgesucht. (Charley Eckhardt) |
Als Hamp am nächsten Morgen auf den Rauch des Lagerfeuers zurückblickte, der sich dicht über dem Boden kräuselte, wünschte er sich, er wäre in der Lage, seine müden Augen ganz zu öffnen. Comancheros wussten wirklich, wie man ein Fandango-Fest feiert. Seine drei Ranger machten im Sattel nicht den Eindruck, dass es ihnen besser ging als ihm. Wolf saß wieder auf seinem Grauen, die zwei Packpferde trugen ihr Bettzeug, dahinter die Lagerutensilien und in den Packtaschen noch ein paar Frijoles, für die Ortega einen texanischen Schuldschein als Bezahlung akzeptiert hatte. Sie würden nicht verhungern, wenn es zwischen hier und Bloomers Außenposten kein Wild geben sollte. Ortega bezeichnete den Posten als Fort, aber Hamp nahm an, dass es nur eine Handelsstation war.
Eine Woche oder zehn Tage würden schnell vergehen. Sie mussten Ruff finden und ihn wegen des Mordes an Ranger Tub Brady verhaften. Höchstwahrscheinlich plante der Büffeljäger, ihnen irgendwo unterwegs eine Falle zu stellen. Einer von ihnen musste den Weg auskundschaften und versuchen herauszufinden, wo dies sein könnte. Das aus dem Büffelfleisch triefende Fett hatte Spuren auf seinen rissigen Lippen hinterlassen. Sie fühlten sich so weich an wie seit Tagen nicht mehr.
„Whoopee!“ rief Alverson, allerdings eher gedämpft, und schlug mit seinem Hut gegen sein Bein, als sie vor sich hin ritten. „Alle Frauen da waren schön.“
„Ach, die waren nicht alle schön“, sagte Rhea. „Du hast nur so lange keine mehr gesehen, dass du dich nicht mehr erinnern kannst.“
„Ich würde für keine von denen das Rangern aufgeben, um auf einem knarrenden Wagen zu sitzen und dämliche Ochsen anzutreiben“, sagte Wolf. „Aber ich bin auch der Meinung, dass darunter ein paar Damen waren, die sehr gut aussahen.“
„Was meinst du, Hamp?“
„Tanzen konnten sie wirklich gut.“
„Seht ihr, Jungs“, sagte Wolf. „Unser Kommandeur hat sie auch gesehen. Er war nicht so blind wegen dieser Jeanie, dass er sie übersehen hätte.“
„Ich bin wegen niemandem blind, abgesehen von dieser blendenden Sonne.“
„Das sehen wir anders, Hoss.“ Woraufhin seine Truppe laut lachte.
Ruffs Spuren waren eine gezielte Einladung an sie, ihnen zu folgen. Spät am Tag fanden sie seinen Lagerplatz vom Vorabend. Er hatte es nicht sehr eilig, um zu Bloomers Posten zu kommen, was Hamps Misstrauen gegenüber dem, was der Büffeljäger mit ihnen vorhatte, noch verstärkte.
Am nächsten Tag führte Ruff sie zudem zu einer Quelle, die sie sonst verpasst hätten, und sie machten eine Pause, um ihre Tiere zu tränken.
„Irgendwie unheimlich“, sagte Wolf. „Er will, dass wir ihm folgen und dass wir nicht die Wasserstelle übersehen.“
„Er hat seinen eigenen Plan. Ortega hat gesagt, Ruff hätte ihm erzählt, die Ranger würden kommen und wir würden den Comancheros keine Probleme machen, wenn sie uns auf seine Spur setzen würden.“
„Also hat er uns sogar einen Dienst erwiesen.“
„Sogar einen größeren, als er sich vorgestellt hat, wenn wir dadurch die Kleine zurückkriegen.“
„Was müssen wir als Nächstes tun?“
„Morgen früh musst du vorausreiten. Aber greif’ ihn nicht an, sondern versuch’ herauszufinden, ob er für uns alle eine Falle gestellt hat.“
„Mit Fallen kenn’ ich mich aus.“
***
Am nächsten Tag fühlte Hamp sich besser, und am Vormittag schoss er mit seinem Revolver eine Antilope, die ihnen über den Weg lief. Das Blut an seinen Händen trocknete schnell, nachdem er das Fell von Lenden und Hinterbeinen abgezogen hatte. Da er sich nirgendwo waschen konnte und er kein überzähliges Wasser hatte, schälte er sich den Rest des Nachmittags beim Reiten die rotschwarzen Rückstände von seinen Fingern.
Bevor die Sonne in einem Meer aus rotem Blut versank, fanden sie einige abgestorbene Cottonwoods um eine seit Langem versiegte Quelle und kochten das Fleisch. Mit nassen Tüchern wischten sie ihren Pferden die Mäuler ab und hofften, am nächsten Tag Wasser zu finden. Die Bäuche voll mit gekochtem Fleisch, hielten sie während der Nacht abwechselnd Wache, ohne dass es Beschwerden gab.
Nachdem sie am nächsten Tag zwei Stunden geritten waren, fanden sie einen flachen See. Sie rationierten die Wassermenge für die Pferde und führten sie herum, damit sie keine Kolik bekamen. Die Mittagssonne stand über ihnen, als sie endlich weiterritten. Wolf erkundete den Weg vor ihnen, und es war schon fast am späten Nachmittag, als er zurückkehrte.
„Da vorne stehen ein paar Hütten. Das muss Bloomers Posten sein.“
Hamp war abgesessen und blickte zum Horizont nördlich von ihnen. „Du glaubst, das ist der richtige Ort?“
„Yeah, da flattert etwas an einem Fahnenmast, das so aussieht wie die Unterwäsche einer Frau.“
Hamp sah ihn stirnrunzelnd an, während die anderen lachten.
„Ehrlich, Hoss, so sieht das aus.“ Ein Lächeln huschte über sein sommersprossiges Gesicht, als er seinen Kopf schüttelte.
„Hast du da irgendwas gesehen, was auf Ruff hindeutet?“
„Ich habe zwei Squaws gesehen, die aus den Hütten ’rausgekommen sind.“
„Gut. Wir machen einen großen Bogen und kommen dann von Norden her.“
„Warum von Norden?“ fragte Rhea.
„Weil er damit rechnet, dass wir von Süden her kommen.“
Der Ranger senkte seinen Blick auf seine staubbedeckten Stiefel. „Deshalb bist du der Boss und nicht ich.“
Lächelnd gab ihm Hamp einen freundlichen Schubs. „Aber du hast schon ’mal gelernt, gute Fragen zu stellen.“
„Meinst du, dass die in diesem Fort genug Wasser haben, um ein Bad zu nehmen?“ fragte Alverson.
„Darum kümmern wir uns, nachdem wir Ruff verhaftet haben.“
„Puh, ich stinke schlimmer als eine tote Kuh.“
„Das wissen wir“, sagte Rhea. „Wir müssen deinen Gestank ertragen.“
Alverson stieg wieder auf sein Pferd. „Du duftest auch nicht gerade nach Petunien.“
***
Vom feurigen Licht des Sonnenuntergangs umgeben ritten die Ranger zu viert nebeneinander auf die Adobegebäude und die Corrals unter der sonnengebleichten Pumphose zu, die gemeinhin „Bloomers“ genannt wurde und an dem Flaggenmast knisterte. Der heiße Wind fegte über ihre Gesichter, als sie sich näherten. Ihre Pistolen steckten ungesichert in ihren Holstern. Nicht vier texanische Bauernjungen, nicht dieselben drei Jugendlichen, die mit Hamp aus Cyperville herausgeritten waren. Sondern vier Ranger, die abgehärtet waren durch das, was sie seitdem erlebt hatten, die Pulverrauch und Pfeile feindlicher Krieger aus nächster Nähe gesehen hatten, die den übelsten Büffeljägern begegnet waren, die auf trostlosen trockenen Wegen geritten waren und sogar mit hüftenschwingenden Comanchero-Frauen Fandango getanzt hatten.
Alle Pferde unter ihrem jeweiligen Reiter bewegten sich etwas federnder. Als wären sie wieder zu Fohlen geworden, bestimmte aus der Ferne eine Trommel, die nur sie hören konnten, wie sie ihre Hufe hoben. Das leise Klingeln silberner Sporenräder erinnerte an Kirchenglocken, die es an diesem Ort am Rande des Zuhauses des Teufels nicht gab. Sattelleder knarrte und breite Nüstern schnaubten, wie es die mächtigen Pferde der Ritter getan haben mussten, bevor sie mit ihren gepanzerten Reitern in die Schlacht zogen.
Eine Indianerin kam heraus, blinzelte ungläubig, als sie sie sah, und raffte dann ihre vielen Röcke, um schreiend hineinzurennen. Hamp wusste, lange würde es nicht dauern. Dann strömten sie heraus. Einer trug einen Bowlerhut. Ein anderer einen Sombrero, den er sich vom Kopf schob und an einer Rohlederschnur um den Hals hängen ließ. Zwei weitere waren barhäuptig, und draußen im Wind zerzauste es ihr dünnes Haar. Dann kam der Zylinder durch den Türrahmen, und der Büffeljäger, den sie kannten, schritt heraus und stellte sich vor den anderen hin.
Hamp ließ sie anhalten. Er saß ab.
„Im Namen des Staates Texas: Ich bin hier, um Sie für den Mord an einem Texas Ranger, Tubby Brady, festzunehmen.“
„Sieh dir diese Burschen an.“ Ruff zeigte mit seinem Kopf auf sie. „Die sind alle bewaffnet, JUNGCHEN.“
„Das sehe ich. Ich habe mit keinem von euch Streit, aber wenn ihr euch für seine Seite entscheidet, müsst ihr damit rechnen zu sterben – oder ihr legt eure Waffen nieder.“
„Hört euch das an! Haut ganz schön auf den Putz“, rief Ruff. „Er ist doch nur ein JUNGCHEN!“
„Wir haben damit nichts zu tun“, sagten die beiden Jüngeren, die keine Hüte trugen, als hätten sie es sich anders überlegt. Mit weit zur Seite ausgestreckten Händen gingen sie rückwärts zur Tür. Sie schüttelten ihre Köpfe, und ihre Gesichter waren bleich.
„Macht bloß, dass ihr wegkommt, ihr Feiglinge!“ rief Ruff ihnen hinterher.
„Wenn die zu ihren Waffen greifen“, zischte Hamp den anderen zu, „nimmt jeder den, der vor ihm ist.“
„Ich nehm’ den Mexikaner“, sagte Rhea.
„Ich nehm’ den mit dem Bowlerhut“, sagte Alverson.
„Ich nehm’ den auf dem Dach!“ rief Wolf und zog die Sharps aus dem Sattelschuh am Falben.
Das plötzliche Abfeuern der Sechsschüsser klang wie eine einzige große Explosion, und der Knall vom Kaliber .50 ließ Hamps Ohren so stark klingeln, dass es ihm körperlich weh tat.
Ruff presste seine freie Hand gegen seinen Bauch, während der Schuss aus seiner Pistole ins Erdreich fuhr. Laut fluchend stürzte er, und der Hass brannte in seinen verlöschenden Augen, als er zu Boden ging. Rechts von ihm versuchte der Mexikaner, von Rheas erstem Schuss herumgerissen, seine Waffe zu heben, als ihn die nächste Kugel im Gesicht traf. Der Mann mit dem Bowlerhut taumelte zurück, von Alversons erster Kugel schwer getroffen. Mit dem Rücken an der Adobewand hob er seine Waffe, und dieser Versuch hatte zur Folge, dass er sich zwei weitere Kugeln einfing, die klatschend in seinen Körper einschlugen.
Der Schütze auf dem Dach hing halb über der Kante und rührte sich nicht mehr. Das einzige Geräusch war das Flattern der Pumphosenfahne im Wind. In seinen steifen Chaps ging Rhea los und sammelte ihre erschrockenen Pferde ein. Hamp verspürte Zufriedenheit, dass keiner von ihnen getroffen worden war.
Alverson und Wolf gingen los und fingen an, die Männer zu entwaffnen. Hamp riss den Lauf seiner Waffe hoch, als er den großen Mann im Türrahmen sah.
„Ganz ruhig, Ranger. Mein Name ist Bloomer, und das hier gehört mir. Ihr Ranger seid wirklich nicht gut für mein Geschäft.“ Mit einem seltsamen Blick schaute er auf die Toten. „Was soll’s. Die Getränke gehen auf mich.“
„Mister?“ fragte Alverson, während er sich einen Sechsschüsser in seinen Hosenbund steckte. „Haben Sie hier genug Wasser, damit wir ein Bad nehmen können?“
„Aber sicher. So eine Bitte krieg’ ich hier draußen nicht allzu oft, aber ich werde einer meiner Squaws sagen, dass sie etwas Wasser warm machen soll.“
Eine ganze Weile stand Alverson einfach nur da und nickte ungläubig mit dem Kopf. „Zuhause wird mir das keiner glauben.“
„Wir schon“, sagte Rhea und band ihre Pferde an das Haltegeländer.
Hamp ging in den Laden-Saloon und nickte den beiden zu, die in der Ecke saßen.
„Wir wollten damit nichts zu tun haben“, sagte der eine.
„Sehr vernünftig“, sagte Hamp.
„Mister, könnten wir mit Ihnen zurückgehen? Ich und mein Bruder gehören nicht hierher. Wir sind hergekommen, um Büffel abzuhäuten, aber keiner kann Büffel finden, und wir konnten uns nicht vorstellen, was das für Leute sind – da draußen.“
Bloomer schenkte ihm einen Drink ein. Hamp nickte. „Ich gebe euch Bescheid.“ Er drehte sich um und hob das Glas. Wahrscheinlich irgendein selbstgebrannter Whiskey – dann blickte er zu der Dame auf dem verblassenden Gemälde hinter der Theke am Ende. Was mochte Jean tun? Im Garten arbeiten. Beim Gedanken an selbstgekochtes frisches Gemüse lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er kippte das Glas hinunter, es brannte bis in seinen Magen, und seine Ohren glühten.
„Guter Whiskey, oder nicht?“ fragte Bloomer.
„Nicht übel.“ Er stellte das Glas vor Bloomer hin. „Ich glaub’, einen vertrag’ ich noch.“
„Sind Sie der Captain dieser Ranger-Kompanie?“
Hamp blickte lange auf das nachgefüllte Glas. „Nein, nur der Kommandeur der Kompanie.“
„Wissen Sie, wer diese Halunken waren, die Sie und Ihre Leute da zur Strecke gebracht haben?“
„Ich kenne Ruff. Wer waren die anderen?“
„Schon ’mal ’was von Bustamante Salazar gehört?“
„Nein.“
„Das war der messikin. Und der Kerl mit dem Bowlerhut war Harold Snyder; der hat einen Armeehauptmann in Fort Dodge erschossen.“
„Wer war das auf dem Dach?“
„Ein Halbblut namens Muskogee Jones.“
„Ich nehme an, die wurden alle gesucht?“
„Auf jeden von denen ist ein Kopfgeld ausgesetzt.“
„Holen Sie mir ein Stück Papier. Ich möchte, dass Sie eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass die tot sind, damit meine Einheit die Belohnungen kassieren kann.“
***
Also setzte Hamp für jeden der Outlaws eine Erklärung auf und ließ sie jeweils von Lyle Bloomer unterschreiben. Seine eigene Unterschrift unter der des Saloonbetreibers beglaubigte die Dokumente. Angesichts der Wegstrecke, die vor ihnen lag, war das deutlich angenehmer, als wenn sie die Köpfe in einem Sack hätten mitnehmen müssen.
Die Outlaws unter der Erde. Ihre Pferde ausgeruht. Jeder Ranger hatte gebadet, sich rasiert und von Rhea einen Haarschnitt erhalten. Hamp bildete sich ein, dass der Junge beim Schneiden besser werden würde – später einmal. Nachdem sie ihnen geholfen hatten, die toten Männer zu begraben, sagte er den O’Douel-Brüdern, Harry und Donnie, sie könnten mitkommen.
Die Pferde, Sättel und das persönliche Eigentum der Outlaws sowie zweiunddreißig Dollar und vierzehn Cent wurden von der Ranger-Kompanie konfisziert. Rhea fand Gefallen an dem dunkelbraunen Pferd mit der großen Blesse, das Snyder gehört hatte, und daher hatte er vor, auf ihm nach Hause zu reiten. Die O’Douel-Jungs ritten zwei der anderen. Die übrigen Pferde wurden in einer Reihe mit den Packtieren angeleint – Hamp übertrug den Brüdern die Verantwortung für sie.
Er konnte nur an diese beiden Bauernjungen denken, und er konnte sich nicht erklären, wie sie so weit weg von der Zivilisation so lange überlebt hatten. Donnie trug den Sombrero des toten Mexikaners, und sein Bruder hatte einen Strohhut mit schlaffer Krempe. Beide hatten so runde Hintern, dass sie auf dem Rücken eines Pferdes sogar dann auf und nieder wippten, wenn es ganz langsam ging. Hamp fragte sich, weshalb er sie sich aufgehalst hatte.
Sie nahmen den Weg, auf dem sie gekommen waren, für den Rückweg, um sich mit den Comancheros zu treffen, und suchten dabei die Wasserlöcher auf, die sie von ihrem Hinweg kannten. Wolf erlegte an zwei verschiedenen Tagen zwei Antilopen, sodass sie sich nicht nur von einfachen Frijoles ernähren mussten.
Sie erreichten den Platz mit dem schlammigen Wasser und schlugen ihr Lager auf. Rhea und Donnie versuchten, die Ablagerungen aus ihrem Trinkwasser herauszufiltern, stellten jedoch fest, dass sie verglichen mit den Fertigkeiten, die die Comanchero-Frauen beim letzten Mal an den Tag gelegt hatten, eher ungeschickt waren. Vom Basislager aus erkundeten Wolf und Alverson die Umgebung, um sicherzugehen, dass sich kein Trupp von Kriegern bei ihnen anschlich. Harry kümmerte sich als Wrangler um die Pferde.
Hamp nahm das Fernrohr und begab sich auf höhergelegene Stellen, um nach Staubfahnen Ausschau zu halten, die auf die Rückkehr der Karawane hindeuteten. Nichts. Der zehnte Tag verging, dann der elfte.
„Glaubst du, dass die mit unseren Pferden, unseren Waffen und dem Geld abgehauen sind?“ fragte Wolf am vierzehnten Tag.
Hamp kapitulierte. „Wir machen uns morgen früh auf den Weg nach Hause. Sieht ganz so aus, dass sie uns übers Ohr gehauen haben.“
„Das hätte ich nie für möglich gehalten, Hoss.“ Wolf klopfte ihm auf die Schulter. „Der Alte sah für mich zuverlässig aus.“
„Für mich auch.“
***
An diesem Abend klangen die Kojoten lauter als in jeder anderen Nacht, die sie an dem Wasserlauf verbracht hatten. Hamp trank ab und zu aus einem Becher mit heißem Kaffee, der halb nach Schlamm und halb so schmeckte, wie er eigentlich sollte. Mit der Spencer auf seinem Schoß überlegte er, was er Jeanie sagen würde. Sie hatten es versucht. Sie würde darüber abschätzige Bemerkungen machen. Vielleicht würde sie sogar sagen, dass er sie gefunden hätte, wenn er nicht diesen Mörder Ruff verfolgt hätte. Hamp schloss die Augen vor all den Anschuldigungen, die wie ein Hagelsturm auf ihn einprasselten.
Dann hörte er ein Pferd. Keines ihrer eigenen. Hufe trommelten auf die Erde, und er stellte den Kaffee zur Seite. Wer würde auf diese Weise mitten in ihr Lager reiten? Im Licht der Sterne konnte er sehen, wie der Reiter sein Pferd zügelte.
„Señor Burns?“
„Ja. Wer sind Sie?“
„Don Ortega schickt mich. Er hat das Mädchen und ist auf dem Weg.“
„Hast du das gehört, Wolf? Ortega hat sie! Kommen Sie in unser Lager. Haben Sie ’was gegessen? Wir haben Frijoles.“
In der Morgendämmerung sattelten sie auf und ritten in Richtung Südosten. Montero übernahm die Führung, und jeder Ranger hatte eine Hand am Kolben seiner Waffe. Hamp wollte kein Risiko eingehen, obwohl er dem jungen Burschen, den Ortega zu ihm geschickt hatte, vertraute. Noch mehr vertraute er dem Colt-Revolver vom Modell Navy.
Am späten Nachmittag konnte er die Staubwolke am Himmel sehen. Bei ihrem Anblick nickten Hamp und Wolf einander beifällig zu. Die Comancheros kamen tatsächlich. Der flache See, der ihr Ziel war, hatte nicht genug Wasser für die Tiere der Karawane, aber sie schlugen trotzdem ihr Lager auf und warteten auf Hamp und seine Ranger.
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Comancheros verhandeln ("Comanchero Article", 1973, Gemälde von Bill Hughes [1932 - 1992]) |
Ortega trat aus dem Schatten, als Hamp ankam, und entschuldigte sich. „Das sind sehr launenhafte Menschen. Tagelang wollten sie mehr Geld und mehr Waffen. Ich habe einfach gesagt, dass sie nur ein kleines Mädchen ist.“
„Aber Sie haben sie?“
Ortega nickte. „Teresa, bring’ die Kleine her.“
So dunkel, wie sie aussah, als sie die Hand der Mexikanerin hielt, die sie nach draußen brachte, fragte er sich, ob man sie durch ein Indianerkind ersetzt hatte.
Er hockte sich auf die Absätze seiner Stiefel und rief ihr zu: „Becky, Becky.“
Sie sah ihn genau an. „Woher kennst du meinen Namen?“
Er hätte am Liebsten gelacht, sie war das Ebenbild ihrer älteren Schwester. „Jean hat mich geschickt, um dich zu finden.“
„Und wer bist du?“
„Texas Ranger Hamp Burns.“
Sie weigerte sich, noch näher zu kommen.
Er fischte das Medaillon heraus und öffnete es. „Jean hat mir das gegeben, damit ich dich finden kann.“
Sie sah zu der Frau auf, die ihrerseits zustimmend nickte.
Zögerlich ging sie zu ihm hin, um zu sehen, was er in der Hand hielt. Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete sie das Mädchen in dem Gehäuse genau.
„Wer ist das?“
„Das bist du.“
„Aber wie bin ich da reingekommen?“
„Jean hat dich da reingesteckt, damit ich dich finden kann.“
„Wo ist sie?“ Sie sah sich um.
„Zu Hause in Cyperville. Ich und diese Männer werden dich da hinbringen, dann kannst du sie wiedersehen.“
Ihre Augen umwölkten sich, und bald liefen ihr Tränen übers Gesicht. „Ist es da so schön wie da, wo ich zuletzt war?“
„Besser.“ Hamp streckte die Hände aus und umarmte sie. Es war ihm unmöglich, seine eigenen Tränen zurückzuhalten. Seit dem Tag, an dem er das Knäuel vertrockneter Blumen neben der Mokassinspur gesehen hatte, hatte er sich danach gesehnt, dieses Kind in den Armen zu halten. Sie in Sicherheit und zurück zu ihren eigenen Leuten zu bringen. Jean, ich komme mit deiner kleinen Schwester nach Hause.
***
Sie sattelten vor dem Morgengrauen auf. Ortega hatte ihm ein kleines Pferd gegeben, damit sie darauf reiten konnte. Die Ranger-Kompanie brach auf, als der Horizont in der Ferne sich violett färbte. Drei Tage später erreichten sie Gravelys Handelsposten.
Er kam heraus und grinste, als er das kleine Mädchen sah, das unter einem Strohhut auf einem scheckigen Pony saß. „Das habt ihr Jungs gut gemacht. Ich hätte sicher nie darauf gewettet, dass ihr es schafft, aber ich hätte auch nicht gegen euch gewettet.“
„Wir haben auch den Mörder erledigt, hinter dem wir her waren“, fügte Rhea hinzu, ließ sich aus dem Sattel gleiten und kämpfte um sein Gleichgewicht.
„Eure Leute zu Hause werden vor Stolz platzen, wenn ihr Jungs wieder da seid – wo war das noch ’mal? Ach ja, Wyatt Lee County.“
„Das hoffe ich doch“, sagte Wolf und ging auf den Laden zu. „Wir brauchen ein paar Süßigkeiten. Ein paar für die Kleine und eine Menge für uns.“
„In bar oder auf Kredit?“
Wolf streckte seine Hände aus, und Hamp warf ihm ein Zwanzig-Dollar-Goldstück aus dem Barvermögen der Outlaws zu.
„Fangen wir mit Bargeld an“, sagte Wolf und schob den Mann in den Laden.
Am nächsten Tag setzte Wolf ein paar Hufeisen instand, während alle sich entspannten, den süßen Saft von Pfirsichen aus luftdichten Dosen tranken und dann die Fruchtstücke in der Dose mit ihren Taschenmessern aufspießten.
„Besser als selbstgebrannter Whiskey!“ sagte Alverson.
Der Meinung war Hamp auch.
***
In dieser Nacht zog eine Kaltfront auf, und am nächsten Morgen zeigte das Thermometer auf Gravelys Veranda fünfunddreißig Grad Fahrenheit an, ganz knapp über dem Gefrierpunkt. Eingemummelt in ihre eigenen Decken, um sich zu wärmen, ihre Kleine in einem speziellen Poncho, den sie für sie aus einem umgeschlagenen Poncho angefertigt hatten, machten sie sich in dem schneidenden Wind auf den Weg nach Osten.
Wolf ritt voraus und kam mittags zurück. „Vor uns sind eine Handvoll Böcke, die ein paar Pferde bei sich haben, die sie bestimmt gestohlen haben.“
„Wir halten sie besser auf. Donnie, du und Harry bleibt mit der Kleinen, den Packtieren und den anderen Pferden hier. Wir werden nicht lange weg sein. Haltet die Pistolen schussbereit, die ich euch gegeben habe.“
Er ritt dorthin, wo sie auf ihrem Pony saß. „Du bleibst bei den beiden. Ich bin gleich wieder da.“
„Warum kann ich nicht mitkommen?“
„Becky, bleib’ bei den beiden. Böse Injuns sind hinter dem Hügel. Ich lasse nicht zu, dass die dich kriegen.“
„Ich bleibe hier.“ Ihr Gesichtsausdruck war sehr ernst, nicht mehr der eines kleinen Mädchens.
„Gut. Wir sind bald zu Hause und sehen deine Jeanie wieder.“
„Ich werde brav sein.“
Hamp nickte. Donnie kam und führte ihr Pony hinüber zu den anderen.
„Pass gut auf sie auf“, sagte er zu ihm und ritt los, um seine Männer zu unterstützen.
***
Das Feuergefecht war schnell vorüber, und die überlebenden Indianer ergriffen die Flucht. Die etwa hundert Pferde umfassende Herde wurde zusammengetrieben und der Weg auf den Wagenspuren Richtung Osten fortgesetzt.
Aber die Pferdeherde verlangsamte ihr Tempo. Doch an Wegkreuzungen fingen Leute an, sich zu versammeln und zu klatschen, als sie vorbeiritten.
„Gott segne Sie, Captain Burns“, sagte eine Frau in einer dieser Gruppen laut, und andere schlossen sich an.
„Vielen Dank, Ma’am, aber ich bin nur ein Ranger.“
„Nein“, sagte ein Mann, der seinen Hut abgenommen hatte, „der Gouverneur hat Sie zum Captain ernannt.“
Hamp nickte zum Zeichen, dass er ihn verstanden hatte, und dachte über seinen Aufstieg nach.
„Ich schätze, ich hör’ jetzt besser auf, dich ,Hoss‘ zu nennen, Captain.“ In seinen Steigbügeln stehend ritt Wolf, der ein Pferd zurück zur Herde führte, vorbei.
Der Gedanke an seine Beförderung traf ihn mit Wucht. Vielleicht würden die Leute auf ihn hören und seine Schuldscheine akzeptieren. Aber war er ein Mann, der Captain Tanner das Wasser reichen konnte? Er sah zu Becky hinüber, die ohne zu jammern auf ihrem Pony ritt. Vielleicht würde er es eines Tages sein.
„Kuck ’mal, Hamp!“ rief Becky, als sie sich der Myrtle-Kirche und dem Schulhaus näherten. „Da ist Jeanie.“
Matt Seeger lenkte das Fuhrwerk, auf dem sie saßen. Hamp nickte ihm zu und saß ab, aber Jeanie war schon herübergelaufen und hatte ihre Schwester vom Pony gehoben.
Jeanie weinte, umarmte und küsste ihre Schwester. „Hamp Burns, wie können wir das jemals wiedergutmachen?“
Mit dem Hut in der Hand schüttelte er den Kopf und schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. „Ich bin einfach nur froh, dass sie wieder da ist, genauso wie Sie.“
Jeanie erhob sich und strich ihr Kleid glatt. „Wenn Sie jemals etwas brauchen. Egal was. Mein Mann Matt Seeger und ich sind Ihnen bestimmt gerne behilflich.“
„Danke.“ Er setzte seinen Hut wieder auf und nickte Matt zu. Er musste Tubby Bradys Mutter noch sagen, dass ihr Sohn nicht nach Hause kommen würde. Er setzte einen Fuß in den Steigbügel, schwang sich in den Sattel und lenkte Dun hinter der Herde her. Mit einem großen Kloß im Hals blickte er zu den Hügeln, um nicht seinen Schmerz zu zeigen. Ein Ranger war nie fertig mit seiner Arbeit.
*** Published with permission from the beneficiaries and Literary Agent Cherry Weiner - cwliteraryagency@gmail.com ***
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Wir danken Anna Barnes und Rhonda Albrecht, den Töchtern des verstorbenen Autors, sowie der Cherry Weiner Literary Agency für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.