AW: Ich hatte ein Interview mit Ludwig Webel (Leslie West) versprochen. Hier ist es nun - und ich wünsche viel Spaß beim Lesen und jede Menge neue Informationen. Einige davon waren auch für mich neu, obwohl ich Ludwig schon über 40 Jahre kenne.
Wer ist Ludwig Webel (Leslie West)? Erzähl uns doch einfach ein bisschen was über Dich.
LW: Geboren und Abitur in München. Wehrdienst in der Eifel und nahe Landsberg am Lech (Lufttransportgeschwader 61, dort LKW-Führerschein). Studium in Heidelberg und Mailand mit Abschluss Diplom-Übersetzer für Italienisch und Englisch. Diplomarbeit: „Semiotische Analysen zu Comic Strips und ihrer Übersetzung“.
Die schmale Studentenkasse mit unzähligen Jobs aufgefüllt, vom Messebau über Gebäudereinigung bis zum Bierfahrer. In Mailand Deutschlehrer.
Das Große Ehapa Comic-Lexikon aus dem Italienischen übersetzt und mit eigenen Beiträgen zur deutschen Szene ergänzt. Ungefähr drei Dutzend Comic-Alben aus verschiedenen Sprachen übertragen (z.B. Pratt, Charlier).
Gigantische Bücher- und Heftbestände von gehobener Literatur über Comics bis zum Groschenheft. Tausende LPs, CDs und DVDs.
Fast 40 Jahre im öffentlichen Dienst für München Tourismus, zuletzt Pressestelle.
Im 33. Jahr verheiratet, ein Sohn (31).
Leidenschaftlicher Frühschwimmer im Münchner Dante-Winterfreibad.
AW: Wie kam es zum Interesse für das Westerngenre? Hast Du bestimmte Autoren, die Du gerne liest, und haben sie Dich in irgendeiner Weise beeinflusst?
LW: Generationsbedingt begann es mit Karl May und anderen Jugendbüchern, dann mit den TV-Westernserien. Wobei „Die Leute von der Shiloh Ranch“ meine Favoriten waren und bis heute sind. Natürlich habe ich sie auf DVD, wie die anderen damals populären Serien („Bonanza“, „Big Valley“, „High Chapparal“ u.a.m.). Danach kamen die Romanhefte. Da wurden „Wyatt Earp“ und „Skull Ranch“ meine Lieblinge. Von den deutschen Autoren waren Konrad Kölbl und Albrecht Peter Kann (alias William Mark/Frank Laramy) meine Favoriten, von den Amerikanern ist James Reasoner bei mir vorn. Keiner von ihnen hat mich stilistisch oder inhaltlich beeinflusst. Aber du warst es, der mich überhaupt auf den Weg gebracht hat. -
Somit war ich immer Serienjunkie, egal in welchem Western-Medium. Nicht zu vergessen der italienische Western-Comic „Tex“, der seit 1948 bis heute läuft und von dem ich ca. 800 Bände habe.
AW: Warum ausgerechnet Kit Carson? Du hast ja bisher weitestgehend Romane über ihn geschrieben? Warum ist das so?
LW: Der historische Kit Carson war ein Kind seiner Zeit. Aus heutiger Sicht kann ihm manches vorgeworfen werden. Nicht wenige, auch selbst ernannte „Historiker“ nageln ihn einseitig auf die Vertreibung der Navajos fest, als hätte er nichts anderes geleistet. Diese unangenehme Aufgabe aber hat er womöglich auf sich genommen, weil er überzeugt war, dass jeder andere noch weit schlimmer gehandelt hätte. Berühmt wurde er bereits als Trapper, blieb es als Scout, Indianeragent und Brigadegeneral im Bürgerkrieg.
Als Symbol des „Wilden Westens“ aber wurde er, meist allerdings verfremdet, zum Helden von Dutzenden von Romanen und Hunderten von Bildergeschichten. Es gab auch Kinofilme und eine Fernsehserie. Ein völlig unhistorischer Kit Carson ist seit über 75 Jahren die zweite Hauptfigur der oben erwähnten italienischen Westerncomicserie „Tex“. Somit wollte auch ich einen „eigenen“ Kit Carson mit dem historischen Hintergrund des echten schaffen.
"Wenn die Legende zur Tatsache wird, drucke sie" ist ein berühmter Satz aus dem Film "Der Mann, der Liberty Valance erschoss". Er drückt aus meiner Sicht die Idee aus, dass eine populäre Idealvorstellung mehr Konstruktives bewirken kann als die tatsächliche Wahrheit. Ich wollte, dass „mein“ Kit Carson Sympathie auslöst, so wie man William Marks Wyatt Earp mag. Ich schätze auch Karl Mays Ich-Erzählungen aus dem Wilden Westen. Nicht wegen ihrer Authentizität, an der es bekanntlich mangelt, sondern wegen ihrer Botschaft.
AW: Was zeichnet Deine Romane im Besonderen aus?
LW: Die EK-2-Edition meiner frühen Romane bietet Interessierten endlich die Möglichkeit nachzuvollziehen, wie ich mich in dieses Genre „hineingeschrieben“ habe, zunächst mit konventionelleren Inhalten. Nicht ohne Reiz ist das dortige Mitwirken von Figuren aus deinem Westernkosmos, Alfred, das wir bereits vor ungefähr 40 Jahren so abgesprochen haben.
AW: Wie wichtig ist Dir historische Genauigkeit?
LW: Der historische Hintergrund muss stimmen, unbedingt und absolut. Aber „mein“ Kit Carson spult nicht einen geschichtlichen Ablauf ab, sondern handelt vor dessen Hintergrund eigenständig.
AW: Welche Herausforderungen stellst Du selbst an Deine Romane?
LW: Inzwischen: ungewöhnliche Themen, die bisher noch keiner (?) in einen “Western“ eingebracht hat, die aber tatsächlich einen historischen Hintergrund haben!
Beispiele:
Die Suche nach einem Jesuitenschatz aus dem 18. Jahrhundert im Golf von Kalifornien (Quelle: Erle Stanley Gardner, er war auch Hobby-Archäologe). Eine Verschwörung, die 1832 bei Gelingen die junge amerikanische Nation in drei Teile gespalten hätte (die 1803 ein historisches Vorbild hatte). Steinzeitmenschen, die es vom heutigen Europa bis nach Amerika schafften (und dort nachweisbare genetische Spuren bei den Chippewa-Indianern hinterließen). Ein Königreich im Michigansee (1850). Eine gigantische „gay party“ in den Rocky Mountains (1843). Versunkene Schiffe in den Großen Seen. Ein exzentrischer Millionär, der beweisen will, dass die Griechen bereits vor 2500 Jahren Amerika erreicht haben (an dieser Stelle das einzige fiktive - ? – Thema).
Darüber hinaus: Beim Lesen den der Science Fiction gewährten „sense of wonder“ auch in „meinen“ unberührten Landschaften des amerikanischen Westens spüren lassen. Eine sorgfältige Sprache. Und bei aller Spannung doch eine gewisse „Behaglichkeit“ und den Eindruck vermitteln, etwas „Altes“ zu lesen.
AW: Wie ist die Resonanz auf Deine Romane bisher? Gibt es Leser, mit denen Du in Kontakt stehst?
LW: Tatsächlich sind aus einigen Lesern Freunde geworden. Besonders gefreut hat mich, von professionell schreibenden Kollegen öffentlich positive Bewertungen bekommen zu haben.
AW: Wie siehst Du den Markt für Westernromane heute?
LW: Der Heftromansektor kann sich halten, Leser aller Geschlechter sind dort treu. Und so lange gute Autoren und Autorinnen nachwachsen und Verlage wie EK-2, BLITZ und Christian Dörges APEX sich für sie einsetzen, wird der Western auch in Buchhandlungen vertreten sein. Es gibt mindestens ein halbes Dutzend hervorragende Newcomer unterschiedlichen Alters im Western. Ich nenne keine Namen, um niemanden zu übersehen.
AW: Wenn du noch etwas anmerken oder hinzufügen möchtest, dann wäre jetzt die Gelegenheit dazu:
LW: Wer schreibt, der bleibt. Wer liest, der genießt. – Im Ernst: Der „Western“ hat so unglaublich viele Gesichter, er kann einfach nicht sterben. Somit ein aufrichtiger Dank an alle Leserinnen und Leser, die diesem Genre treu bleiben. Und natürlich an alle anderen Kontribuenten, in welcher Form auch immer.