Samstag, 21. Dezember 2024

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DER GATLING GUN-MYTHOS 
The Death-Dealing Machine That Never Won the West 
But Still Exist as Today’s Multi-Barrel Weapons System 
von MICHAEL STEMMER 

 Open Fire! 
Buchcover: Hughes (2000)
 (…) and a tower built over the humped shape of the water cistern, with a Gatling gun mounted there which could sweep the interior of the prison and two of the walls, as well as the gateway, with soft-nosed .45/70 slugs at the rate of 350 per minute.”
— Gordon D. Shirreffs, Judas Gun, zitiert nach: Gold Medal Book k1476, Chapter Three (dt.: „Lohn der Hölle”)

Michael Stemmer informiert in seinem umfassenden Beitrag ausführlich über die Gatling Gun. Gegliedert in drei Hauptabschnitte, zunächst einmal einen allgemein gehaltenen Teil, gefolgt dann von selektiven Filmografien sowie einer Auswahlbibliografie. Für die Webfassung habe ich folgende Aufteilung vorgenommen (K. J. Roth)  


Gatling Gun per definitionem ~ Gatling Gun und ihr Erfinder ~ Vorgang in der Gatling Gun beim Schuß ~ Ladeeinrichtung der Gatling Gun ~ Gatling Gun und der Sezessionskrieg ~ Gatling Gun in Good ol‘ Germany ~ Gatling Gun „Made in Russia“ ~ Gatling Gun contra Bisons ~ Gatling Gun am Großen Fluß ~ Gatling Gun im Genozid ~ Gatling Gun vs. Hotchkiss Gun ~ Gatling Gun im Krisenherd Kanada ~ Gatling Gun landet auf Kuba ~ Feuerpause für die Gatling Gun ~ Gatling auf hoher See ~ Gatling is back! ~ Gatling Gun im Wildwestroman ~ Gatling Gun aus Gummi ~ Gatling Gun ertönt im Radio ~ Sound der Gatling Gun ~ Gatling Gun als Kultgegenstand ~ Fabrikzeichen der Gatling Gun ~ Gatling Gun im Modell ~ Gatling Gun und ihr Resümee ~ Ein letztes Wort zur Gatling Gun ~~ Teil 2: Filmografie  ~ Teil 3: Bibliografien 


Gatling Gun und ihr Erfinder

Die “R.J. Gatling Revolving Battery Gun” (U.S. Patent № 36,836 vom Dienstag, den 4. November 1862) ist die erste funktionsfähige, von Hand betätigte schnellfeuernde Mehrschußwaffe, die es mit ausgesprochen unterschiedlichem Erfolg sowohl in die Serienproduktion als auch in die Waffengeschichte Nordamerikas geschafft hat. Sie wird späterhin einer der Vorläufer des modernen luftgekühlten MGs in leichter und schwerer Ausführung, sowie Begründer der sich daraus entwickelten Gatling-Waffenklasse unserer Tage. Die Munitionszuführung erfolgt seinerzeit durch Bedienungskurbelantrieb in Rotationsbewegung versetzte sechs zusammengefügte Rohre um eine Laufachse. Aus einer blechernen Schütte in Trichterform, angeschraubt vor dem Gehäusedeckel, werden lose per Hand eingefüllte, hinten mit separaten Pistons (Zündstifte) versehene Papierpatronen im Kal. .58 Musket (14,73 mm), die in einer Metallhülse stecken, aufgrund der Schwerkraft zugeführt und laden so jedesmal die Waffe — eine genreeigene Ikone ist geboren. 

Zunächst ein Exkurs: Der Kerngedanke stammt von einem gewissermaßen Universalgenie mit Namen Richard Jordan Gatling. Auf die Welt kommt er am Sonnabend, den 12. September 1818 im Maneys Neck Township, Hertford County, North Carolina, als Sohn britisch-stämmiger Ansiedler; ein nie praktizierender M.D. (Doctor of Medicine) – abgesehen für seine Familie –, stattdessen mit ausgeprägtem Hang zur Ingeniosität. So vereint er in besonderem Maße Erfindergeist und praktische Veranlagung, was in zahlreichen Fabrikationen seinen Niederschlag findet, die selbst in heutiger Zeit noch als modern gelten. 

Vorläufig jedoch versucht er sich auf unterschiedlichsten Betätigungsfeldern, so etwa als Ladeninhaber, Warenhausverkäufer oder bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Anstellungen wie Gerichtsschreiber und sogar Plantagenaufseher. 

Im Verlauf des Winters 1845/46 erkrankt R.J. Gatling während einer Flußfahrt auf dem Ohio River von Cincinnati nach Pittsburgh lebensbedrohend an Smallpox (Pocken), in der Folge an Pneumonia (Lungenentzündung) und verbringt daraufhin zwei Wochen ohne ärztlichen Beistand isoliert in einer Kajüte des im Packeis eingeschlossenen Raddampfers. Seine späterhin unverhoffte Gesundung einerseits, wie der frühe Tod seiner drei Schwestern Martha, Mary und Caroline andererseits, sind für ihn offenkundig Anlaß, sich dem Medizinstudium zuzuwenden. 1847 schreibt er sich an der LaPorte Medical School, Indiana, ein, zu dieser Zeit erste Ausbildungsstätte für angehende Doktoren im Mittleren Westen der U.S.A.; zwei Jahre später ist er am Medical College of Ohio in Cincinnati immatrikuliert. Dort besteht er die Abschlußprüfung, erwirbt besagten akademischen Grad, wird aber dieserhalb nie eine Praxis oder eine Station in einem Hospital führen, stattdessen widmet er sich ganz und gar seinem eigentlichen Lebensinhalt, was technische Tüfteleien anbelangt. 

Durch seinen Ideenreichtum entstehen etliche landwirtschaftliche Gerätschaften für unterschiedlichste Tätigkeiten, beispielsweise ein Entwurf zur Reisaussaat, modifiziert dann für die Verwendung auch bei anderweitigen Getreidearten, um darauffolgend in einen Mähdrescher umzuwandeln. Anschließend kommen noch eine Flachsbrechmaschine sowie ein durch Dampfkraft getriebenes Ackergerät hinzu. Von 1844 bis 1905 vereint er auf diese Weise 43 U.S.-Patente, davon allein 23 auf dem Waffensektor auf seine Person und kommt damit auch in die amerikanische Wirtschaftsgeschichte. 

„Doctor Gatling“ wird er zeitlebens genannt, obwohl er den Titel so nicht führt, erlangt aber ohne Frage in erster Linie wegen der nach ihm so bezeichneten ‘Gatling Gun’ überaus große Popularität; wird sie doch von zahlreichen Armeen auf nahezu allen Kontinenten eingeführt und deren System findet darüber hinaus etliche Nachahmer. Wie es die Ironie will, verkörpert der Farmerssohn unter diesen Umständen einen weiteren Mediziner, wie etwa der Dentist John H. „Doc“ Holliday (1851–1887) mit beträchtlicher Affinität zu Schußwaffen, welcher – unter Hintanstellung des hippokratischen Eids –, im historischen Westen durch ein ganzes Arsenal an Waffen (so ein vernickelter Patronenrevolver aus Teilen des Colt Navy Model 1851 für sechs Schuß im Kal. .38 Center Fire (9,65 mm) mit Elfenbeingriffschalen) zu fragwürdigen Ruhm sowohl als Gambler als auch Gunfighter Seite an Seite des Revolverhelden und zuweilen Law Mans Wyatt Earp (1848–1929), gelangt. 

Im Rahmen dieses Fachartikels würde es zu weit führen, auf die einzelnen Entwicklungsstadien der Gatling Gun, so interessant sie für Fachkundige auf diesem Gebiet auch sein mögen, in den folgenden Jahren detailliert einzugehen. Es sei hier nur auf einige verwiesen: 

Bereits im Jahr ihrer Patentierung gründet R.J. Gatling zwecks deren Kommerzialisierung sein eigenes Handelshaus, die Gatling Gun Co., und präsentiert am Montag, den 14. Juli 1862 der staunenden Öffentlichkeit am Graveyard Pond in der Nähe von Erie, einer Stadt im Nordwesten Pennsylvanias, als erstes Beispiel seiner Schöpfung einen Prototyp, dessen Dauerfeuer vom Testgebiet aus noch über fünf Meilen hinweg wahrzunehmen ist. Unter dem anwesenden Publikum des Versuchsschießens – 200 Sch/min. durchsägen in weniger als 30 Sek. glatt einen Baum mit einem Stammdurchmesser von 10 in. (25,40 cm) –, weilen auch drei kompetente Fachleute des amtierenden Gouverneurs des Staates, Oliver P. Morton (1823–1877), der ihre hierauf zum Ausdruck gebrachten äußerst positiven Eindrücke seinerseits dem Kriegsministerium übermittelt, indem er für die Lafetten-Waffe ihre Erprobung bei der Truppe anregt. 

Aber dazu kommt es dann doch nicht. Aufgrund innenpolitischer Dissense in jenen Kriegstagen gelangt sein Empfehlungsschreiben, wie es scheint, höheren Orts nicht in die richtigen Hände und bleibt in der Schublade liegen. 

R.J. Gatling gibt dennoch sechs Versuchsmuster des First Model 1862 mit sechs schmiedeeiserne Rohre im Kal. .58 Musket (14,73 mm), Fabrikationsnummern unbestimmt, bei Miles H. Greenwood Foundry & Machine Works, Cincinnati, Ohio, in Fertigungsauftrag. Durch im Ganzen drei Großfeuer geht deren Produktionsstandort kurz vor Ablieferung der mehrläufigen Schießsysteme mit samt aller dazugehörenden Konstruktionspläne, Versuchsmodelle, Entwurfsskizzen etc. in Flammen auf. Die genauen Umstände hierfür kennt man nicht. Die Annahme, es handele sich um gezielte Brandstiftungen durch konföderierte Saboteure, die weitere Belieferungen mit Kriegsgütern an die Union zu vereiteln trachten, ist nicht belegt. Auffällig ist immerhin, daß sein späterer Fabrikant Colt’s Pt. Fire Arms Mfg. Co. in South Meadow, Hartford, Connecticut, ein ähnliches Schicksal ereilt. So meldet die Firmengeschichte, daß am Donnerstagmorgen, dem 4. Februar 1864, ein verheerender Brand weite Teile der erst 1854 erbauten Fertigungsanlagen mit ihrem kennzeichnenden Zwiebelturm bis auf die Grundmauern in Schutt und Asche legt. Ob hierbei ein kausaler Zusammenhang in der Kriegslogik besteht, bleibt freilich Spekulation. 

So sieht Dr. Gatling sich, wenn auch ‘nur’ als Zufallsopfer genötigt, gestützt durch neue Kapitalgeber, wieder von vorn anzufangen. Durch sie läßt er sich die Ersatzherstellung von 13 Stück der Weiterentwicklung des Vorläufertyps als Second Model 1862 für das neuartige Kal. .58 Rim Fire (Randfeuermunition), Fabrikationsnummern unbestimmt, bei der ebenfalls vor Ort ansässigen Cincinnati Type Foundry Works der McWhinney, Rindge & Co. entsprechend vorfinanzieren. Die ersten Anfertigungen befriedigen in der Praxis aus Materialgründen jedoch keineswegs. Wegen auftretender Gasverluste durch den Spalt zwischen Schlagbolzengehäuse und nicht immer paßgerecht vor dem hinteren, konisch zulaufenden Rohrende liegenden Kammern sich zeigende Ungenauigkeiten ähnlich wie bei Revolvern, lassen den begnadeten Techniker an seiner Schöpfung bis zum Ende des Sezessionskrieges 1865 stetige Entwicklungsarbeit leisten. 

In den Monaten Mai und Juli des Bruderkriegsjahrs 1863 finden Praxistests auf der Schießanlage des Washington Navy Yard (WNY), 1799 bis 1961 Marinewerft, zudem Waffenfabrik der U.S. Navy in Washington D.C. erfolgversprechend statt, woraufhin die Feuerspritze, die es so noch nicht gegeben hat, nach einigen Verfeinerungen an den eben diesen Rohren zum individuellen Erwerb seitens der Herren Militärs freigegeben wird. Das Eisenwerk sieht sich jedoch außer Stande, zum damaligen Zeitpunkt ad hoc größere Mengen zu geringen Stückkosten herstellen zu können, weil es die entsprechende industrielle Kapazität nicht hergibt. 

Zur gleichen Zeit schaut sich R.J. Gatling nach weiteren Abnehmern um und bietet so R. Maldòn, Maj. du Corps Royal de L‘ Artillerie de France, im fachgemäßen Komitee des Kriegsministeriums unter Charles-Louis-Napoléon Bonaparte III., Kaiser der Franzosen (1808–1873), mit Schreiben vom Donnerstag, den 29. Oktober gleichen Jahres seine in puncto mechanischer Aufbau wie auch Wirkungsweise von allen herkömmlichen Schießgeräten andersgeartete Feuerwaffe an. Die Grande Nation zeigt sich zwar durchaus an einem Probestück interessiert, ist wiederum aber nicht gewillt, die von ihm aufgestellten Geschäftsbedingungen – Mindestbestellmenge seiner Auffassung nach als außerordentlich geschäftstüchtiger Verkäufer gleich 100 Stück oder mehr –, zu erfüllen. Ein kurz nachher verhängtes Waffenembargo der Regierung der Unionsstaaten, welche eine Seeblockade über die Küstenstriche des Südens verhängt, durchkreuzt ohnedies jede weitere Aktivität des Außenhandels in derlei Hinsicht. 
Mit Datum vom Donnerstag, den 18. Februar 1864, richtet Dr. Gatling ein Memorandum an den amtierenden 16. Präsidenten des amerikanischen Staatenbundes, Abraham Lincoln (1809–1865), daß dieser möglicherweise nie selbst zu Gesicht bekommt. Soweit bekannt, würdigt man ihn nämlich keiner, wie auch immer gearteten Replik. Als Absender hat er vermutlich zu lange gezögert, die präsidiale Aufmerksamkeit auf sich und sein Produkt zu lenken, um jetzt noch einen etwaigen Gewinn daraus zu ziehen. Der Enthusiasmus des Staatsmannes ist, was moderne Waffentechnologie anbelangt, mittlerweile als gering einzuschätzen; ihn beschäftigen andere Dinge, die Kriegsführung betreffend. 

Ein erster Schießtest nunmehr beim 1812 etablierten U.S. Arsenal, Washington D.C. am Greenleaf's Point, dem Zusammenfluß von Anacostia River und Potomac River gelegen und zuständig für die Versorgung mit Kriegsmaterial, wird durch Maj.-Gen. John Love (1820– 1881), in seiner Funktion als Akquisiteur der Gatling Gun Co. – Wirkungsbereich: Vereinigte Staaten, China, Japan, Türkei und ganz Europa –, für den Januar 1865 anberaumt; sieben Monate nachdem 108 [sic!] junge Arbeiterinnen auf tragische Weise durch Explosion und Brand in einer der dortigen Munitionsfabriken ihr Leben lassen mußten. Besonderheit: Die zu diesem Zweck vorgeführte Gatling Gun ist lediglich mit 4 [sic!] Rohren und Bedienungskurbel an der rechten Seite bestückt. Im Ergebnis wird die Konstruktionsentwicklung auch im Hinblick auf unterschiedlich zu verwendende Munitionsarten vorangetrieben, eine staatliche Auftragsvergabe erfolgt aber vorerst nicht. 

Im Frühjahr 1865 löst R.J. Gatling sein Vertragsverhältnis mit McWhinney, Rindge & Co. und wechselt zur 1850 bis 1869 bestehenden Cooper Firearms Mfg. Co. an ihrem Sitz in Philadelphia, Pennsylvania, um dort ein moderneres Vorserienmuster anfertigen zu lassen. Diese Waffendesigner, deren Erzeugnisse sich durch große Genauigkeitsarbeit und feinste äußere Fertigstellung auszeichnen, genießen in der Branche einen hervorragenden Ruf, exemplarisch der Cooper Pocket Double Action Five-Shot Percussion Revolver, und auch die letzten nach entsprechenden Umgestaltungen herausgebrachten Gatling Model 1865 im Kal. .58 Rim Fire (U.S. Patent № 47,631 von Dienstag, den 9. Mai 1865), gefolgt von acht aus Model 1866 im Kal. 1″ Long/Short (25,4 mm), und dessen Variante als Improved Model (Verbesserte Ausführung) im Kal. .50-70-450 Center Fire (12,7 mm) identischen Jahres, bekräftigen James M. Coopers Renommee. 

Der springende Punkt ist hierbei die von Grund auf neu konzipierte Munitionsversorgung und damit Abkehr vom vergleichbaren offenen Trichter der Union Gun. Jedes Rohr verfügt ab sofort über ein eigenes Patronenlager zur direkten Verwendung von Büchsenpatronen und kann Minié-Projektile (Bleigeschoßtyp für Vorderlader; später auch Kanonen) aus einer verkupferten Randfeuerpatrone verschießen. Die großkalibrige Ausführung, Gatling Model 1865, weist glatte, später auch gezogene Rohre auf und wird mit Kartätschen (Streuladung) bestückt, welche durch je 15 darin enthaltene Bleischrote von ca. 11 mm Durchmesser pro Patrone beim Streuschuß auf kurze Distanz mit denkbar grässlichen Auswirkungen; die zweite Variante ist für Weitschußzwecke ausgelegt. 

Frühsommer 1866 ist sonach ein wiederholter Parallel-Schießversuch mit drei Gatling Guns mit sechs Rohren und Bedienungskurbel an der rechten Seite gegenüber einer 24- pfündigen Flankenverteidigungs-Haubitze, Kaliberdurchmesser 5,82″ und 75 Infanteristen, diesmal auf dem Versuchsgelände im pentagonal angelegten, von einem Wall sowie einem Wassergraben umschlossenen Küstenfort Monroe in Hampton, Virginia, angezeigt, wo seit 1824 auch die Artillerieschule ihren Sitz hat. Die historische Wehranlage, deren erste Verschanzungen bis auf das Jahr 1608 zurückgehen, ist am Dienstag, den 1. November 2011 vom 2009 bis 2017 fungierenden 44. Präsidenten der U.S.A., Barack H. Obama (1961–), zur Gedenkstätte als National Monument erklärt worden. Was das Testschießen zu früherer Zeit anbelangt; die Feuergeschwindigkeit und Treffergenauigkeit der Schnellfeuerwaffe liegt dabei knapp achtmal so hoch wie die der Kanone und sechsmal höher als bei der Fußtruppe. 

Am Freitag, den 24. August 1866 wird die Neukonstruktion offiziell als Ordonanzwaffe, d.h. zu dienstlichen Zwecken eingeführt und an die kämpfende Truppe ausgegeben, woraufhin ein Beschaffungsauftrag seitens des Bureau of Ordnance an die Colt’s Pt. Fire Arms Mfg. Co., Hartford, Connecticut, geht über 50 Stück im Kal. 1″ Long/Short (25,4 mm) und die gleiche Anzahl im Kal. .50-70-450 Center Fire (12,7 mm) zu festgesetzter Lieferung darauffolgenden Jahres. Die U.S. Navy schließt sich mit 22 Stück des verbesserten Models 1866, eingerichtet für letztgenannten Kaliber, der Order ebenfalls an. 

In den späten 1860er Jahren bereist R.J. Gatling ausgiebig die ‘Alte Welt’, sprich: Europa und Anrainerstaaten, um für seine Bedienungskurbel-Kanone mit Hilfe von öffentlichen Schauen und Vorführungen ihrer Feuerkraft zu werben. So auf der Exposition universelle d’Art et d’industrie im 7. Arrondissement von Paris, die vom Montag, den 1. April bis Sonntag, den 3. November 1867 auf dem Champ de Mars abgehalten wird. Insgesamt 32 Nationen sind hierbei mit insgesamt 52,200 Ausstellern auf einer Gesamtfläche von 66,8 ha präsent, die zu einer Ausstellung der Superlative wird. Unter den alles in allem 10 Millionen Besuchern befinden sich herausragende Persönlichkeiten ihrer Zeit, wie etwa Charles-Louis- Napoléon Bonaparte, der Neffe des großen Korsen, welcher den Messestand der Nord- Amerikaner des öfteren mit seiner Visite am Ort der Fortschritte und Neuerungen beehrt, um zwei Musterwaffen eingehend zu begutachten: Ein verbessertes Model 1866 im Kal. 1″ Long/Short (25,4 mm) und ein ebensolches im Kal. .50-70-450 Center Fire (12,7 mm), beide stammen aus dem Kontingent von 100 Einheiten zur Erfüllung des Vertrags mit der U.S. Army vom Jahr davor. Begleitet wird Majestät von seiner liebreizenden Gattin, Kaiserin Eugénie Laetitia Bonaparte (1826–1920) beim Gang durch die Messehallen. Es wird erzählt, die Madame aus spanischem Adelshaus habe ein geradezu kindliches Vergnügen daran gefunden, einmal besagten Holzkurbelgriff in Tätigkeit zu versetzen, der über Zahnräder das Rohrbündel bewegt, um sich offenkundig an dem laut klickenden Geräusch des Leerschlagens der Schlosse zu erfreuen. Etwas, das man bei ungeladenen Feuerwaffen, weil dem Material abträglich, tunlichst vermeiden sollte; zumindest ohne Pufferpatrone als sicheren Schlagbolzenschutz. Wie dem auch sei: Ihr enthusiastischer Gemahl beordert eine der beiden Gatling Guns nach dem Schießplatz von Versailles, Stadt in der Region Île-de- France, zwecks Test-Schießen, woraufhin der Geschäftsmann R.J. Gatling sich völlig zu Recht einen lukrativen Regierungsauftrag erhofft. Aber es kommt anders: Die ‘Grand Armée’ läßt kein nennenswertes Interesse an einer Erwerbung erkennen. Das Marineministerium der ‘Franzmänner’ bezieht lediglich für sich zwei großkalibrige Exemplare mit zehn Rohren und Bedienungskurbel an der rechten Seite, für weitere Versuchsschießen im eigenen Land, daraus sich ergebende Bestellungen größeren Stils bleiben dennoch aus. Die Botschaft scheint klar: Man setzt in erster Linie auf die Eigenproduktion der ebenfalls manuell zu bedienenden belgischen Montigny-Mitrailleuse als Schnellfeuerkanone mit 37, nachher 25 [sic!] Läufen in einem einzigen Laufmantel, die anfangs Schrapnells (Hohlgeschosse, gefüllt mit Kugeln) verschießt. Im Verlauf des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 gibt es nur einzelne Gefechte, bei denen sie als Feldgeschütz zur direkten Stütze der Fußtruppe herbeigezogen wird. Im späteren Verlauf des Heereszugs legt sich das französische Militär, was Feuerunterstützung betrifft, im ersten Kriegsjahr neun Ex-U.S. Navy Gatling Guns, Kal. .50-70, über Waffenhersteller Remington Arms Co., Ilion, New York, zu. Eine in Folge hohe Anzahl im Kugelhagel Gefallener seitens der preußischen Truppe in der Bataille du Mans (Schlacht bei Le Mans) von Dienstag, den 10. bis Donnerstag, den 12. Januar 1871, verdeutlicht eins ums andere Mal deren grausige Ernte auf dem Schlachtfeld. 

© 1974 MICHAEL STEMMER / BERLIN

Des Weiteren läßt Dr. Gatling sich nach einem Comeback von seiner zweiten Werbetour durch Europa mit Familie 1870 im Waffenindustrieort Hartford, Connecticut, nieder, nachdem er mit der hier seit 1848 angesiedelten Colt’s Pt. Fire Arms Mfg. Co. vor Jahren einen Werksvertrag bezüglich Reihenfabrikation und Lieferung seiner Erfindung in Lizenz abgeschlossen hat. Die werksmäßige Beschriftung mit der Coltadresse in Hartford und den Gatling-Patentdaten ist darob in jedes Name Plate (Geschützplakette) auf dem messingenen Aufschraubdeckel des Systemkastens eingestanzt. Die Gatlings sind daselbst für 27 Jahre ansässig bis zu einer weiteren Verlegung ihres Domizils zu Tochter Ida Gatling Pentecost (1858–1911) nebst Schwiegersohn Hugh O. Pentecost (1848–1907) nach New York City, New York, im Jahre 1897. Beider Söhne, Richard H. Gatling (1870–1941) und Robert B. Gatling (1872–1903), leben bereits ebenfalls hier am Hudson und East River. Das Stammhaus der Gatling Gun Co. verbleibt des Weiteren im 1821 gegründeten Indianapolis bis zum Jahre 1874 und unter staatlicher Aufsicht bestehen. Trotz der für die damalige Zeit phänomenalen Feuergeschwindigkeit und Einsatzdauer von bis zu 200 Sch/min. bei den ersten Mustern dieser Art ab 1862 – bis zu 400 Sch/min. bei nachfolgenden Modellen –, hat man bei der Gatling Gun mit heißgeschossenen Rohren, anders als etwa beim einzelnen Lauf der zur selben Zeit hergestellten und von Präsident Abraham Lincoln (1809–1865) damalig favorisierten Union Repeating Gun, auch als Ager oder ‘Coffee Mill’ (Kaffeemühle) geläufig, kaum Schwierigkeiten, da sich ihre sechs bzw. zehn freiliegenden Rohre durch Luftkühlung vermittels ihrer Drehbewegung nach der Schußabgabe jedesmal ein Stück weiterrücken. Der dieser Bauart zugrundeliegende Gedanke ist an und für sich sehr zweckdienlich, doch steckt der Teufel im Detail: So kommt es bei Testschießen des öfteren zu Hülsenklemmungen und Materialversagen, gekoppelt mit ballistischen Problemen wegen deformierter Munition ausweislich der Versagerquote. Denn für etwaige Kampfhandlungen, bei denen so viele Kombattanten wie nur möglich mit längeren Schußintervallen niedergehalten werden, ist die Gatling Gun anfangs so nicht ausgelegt. Mit anderen Worten: Sicher ist, daß an dem schnellfeuernden Repetiergeschütz folglich noch etliche Fertigungsumstellungen am Lademechanismus vorzunehmen sind, ehe das zuständige U.S.-Heereszeugamt sich ernsthaft für Dr. Gatlings ‘Wunderwaffe’ zu interessieren beginnt. 

Mehrläufige Geschütze gehören danach erst von 1866 an bis einschließlich 1906 mit ca. 814 Einzelstücken zum normalen Beschaffungsprogramm von Rüstungsgütern der U.S. Army in den unterschiedlichsten Kalibern, werden jedoch selten zur militärischen Benutzung, beispielsweise während der Indianerkriege, herangezogen. Es sollen zunächst einige Jahre ins Land gehen, bis sich Kampfesweisen herausbilden, welche die sichere Tötungswirkung der Gatling Guns mit jeder vollen Drehbewegung ihrer Bedienungskurbeln im Anwendungsfall auf brutalste Weise vor Augen führen. Folgerichtig können sie im Moment die in sie gesetzten Militärstandards nicht erfüllen. Demgegenüber kaum auszumalen, wenn unter diesem Gesichtspunkt vordem beide kriegführenden Staatengebilde gleichermaßen in ausreichend großer Stückzahl über sie verfügt hätten! Die Reaktion darauf von Dr. Gatling, so dies jemals hätte stattgefunden, wäre aus humanistischer Weltanschauung heraus ein entscheidendes Kriterium … Diese nicht sehr angenehme Vorahnung bewahrheitet sich in der Tat rund 11 Jahre später mit dem gegenseitigen Köpfe-Einschlagen im Russisch- Türkischen Krieg von 1877 bis 1878. 

Einstweilen werden dargestellte Schießapparate gleichrangig wie leichte Feldgeschütze eingestuft und auf Grund dessen sukzessiv auch in vielen europäischen Heeren taktisch der Leichten Artillerie zugewiesen oder der Reiterei einbegriffen und nicht als Infanteriewaffe zur direkten Mitwirkung bei der Fußtruppe im Feuerkampf ausgelegt. 

Von Anfang an auf den internationalen Militärwaffen- wie auch Zivilmarkt abzielend, kommen die Gatling Guns im letzten Viertel des 19. Jh. bei den Streitkräften fast aller Länder rund um den Globus von A wie Argentinien bis T wie Türkei – Großherzogtum Baden im 19. Jh., wie auch Königreich Bayern im früheren Deutschen Kaiserreich als Abnehmer politisch separat einzuordnen –, aufgrund ihres vollen Tötungspotentials mit entsprechendem Effekt zum Einsatz. In mancher Hinsicht sogar als im jeweiligen Land genehmigte Nachbauten, wie vor 1869 bis zu deren Konkurs 1871 von Ed. A. Paget & Co. in der österreichischen Hauptstadt Wien, des Weiteren Vertragswerkstätten in China, Russland und im Vereinigten Königsreich. Eine erhebliche Stückzahl an Gatling Guns beschwört in diesem Zusammenhang bei westeuropäischen Kolonialkriegen in Afrika, Indien und Asien einmal mehr deren furchtbare Effizienz herauf. Stellvertretend seien allein von Seiten des British Empire genannt: The Third Anglo-Ashanti War (Dritter Aschanti-Krieg; 1873/74), The Second Anglo-Afghan War (Zweiter Anglo-Afghanischer Krieg; 1878 bis 1880) und The Anglo-Zulu War (Zulukrieg; 1879). 

In God’s Owen Country hat die wirkungsvolle Waffe auch eine erhebliche Abschreckungswirkung streikenden Gewerkschaftlern gegenüber und nimmt dabei Teilnehmer an Massenkundgebungen in Städten an der Ostküste ins Visier. Dokumentiert in einem aufschlußreichen Report über Gatling Guns, die zur Selbstverteidigung des Verlagsgebäudes der Tageszeitung „New York Times“ während der Lower Manhattan Draft Riots (New Yorker Draft-Unruhen) vom Montag, den 13. bis Donnerstag, den 16. Juli 1863 feuerbereit gemacht werden, in denen der Mob von 50,000 Menschen binnen kurzem 1,000 Tote und $ 2,000,000 an Sachbeschädigungen verursacht. 

Das vorhandene Gatling-Design erfährt gleichwohl bis zur Wende des 19. Jh. eine kontinuierliche Verbesserung; der gewünschte Kaliberdurchmesser wird jeweils auf die zu benutzenden Patronen abgestimmt. In erster Linie deren Lademechanismen hat man in Folge wiederholt verändert u.a.m. Ein in extenso werkseitiger Aufbau eines Stücks Feuerwaffengeschichte aber ist im Rahmen dieser Publikation bei weitem nicht beabsichtigt. Ein praktisches Beispiel: Dr. Gatling selbst führt noch in späteren Jahren unter Weglassung des Handbetriebs Versuche mit einem per Dampfkraft, später durch einen Generator betriebenen, wassergekühlten Model 1893 Electric durch, konzipiert für die U.S. Navy, und erreicht mit ihm eine für damalige Verhältnisse exorbitante Feuerrate von 3,000 Sch/min. Unbestritten sind die Möglichkeiten der Nutzung elektrischer Energie zu jener Zeit für derartige Technologien noch nicht ausgereift genug. 

Dennoch bewahrt sich R.J. Gatling auch weiterhin seine gedankliche Beweglichkeit gepaart mit dem ihm eigenen Erfindungsgabe ein Leben lang, kann aber an frühere daraus resultierende kommerzielle Erfolge seiner Tüftelarbeiten, wie etwa auf dem Sektor der Agrarwirtschaft und, last not least, seiner speziellen Waffenkreation, nicht mehr wie gewohnt anknüpfen. 

Heute verwundert es beinah‘, daß die Gatling-Saga nicht längst verfilmt ist. Zwar büßt er, der technisch immer Neues wagt, in Folge von Fehlinvestitionen mit Eisenbahnaktien einiges an Vermögen ein; trotz alledem verstirbt der „Father of the Machine Gun“ im 84. Lebensjahr am Donnerstag, den 26. Februar 1903 in New York, New York County (Manhattan), New York, wo seitdem sesshaft, als ebenso gemachter wie auch geachteter Mann. Seine letzte Ruhestätte findet Dr. Richard Jordan Gatling auf dem Crown Hill Cemetery in Indianapolis, Marion County, Indiana. Sein Epitaph ist in Section 3, Lot 9, zu finden. 

Das Handelshaus, welches bis dahin seinen Namen trägt, geht Jahre später voll und ganz in der Waffenschmiede von Colt’s Pt. Fire Arms Mfg. Co., Hartford, Connecticut, auf; der englische Partner, Gatling Arms & Ammunition Co., Ltd., gegr. 1888, nach handelsrechtlichen Differenzen bereits Ende 1890 in Liquidation. 

NB: Seinen letzten Patentschutz mit № 705,337 erwirbt Dr. Gatling mit Datum von Dienstag, 22. Juli 1902, für – einen Motorpflug …