Freitag, 3. Januar 2025

COLDSMITH: Die Wächter


Die Wächter

von Don Coldsmith


(Orig.: „The Guardians“, 2001; übersetzt von Reinhard Windeler)

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Donald Charles Goldsmith (1926 – 2009) ist vor Allem für seine im 16. Jahrhundert spielende Spanish Bit Saga bekannt, die vom Aufeinandertreffen eines fiktiven Prärieindianerstammes mit den Conquistadores handelt, von der in deutscher Sprache aber nur fünf der im Original neunundzwanzig Bände erschienen sind. Die hier vorgelegte Geschichte basiert auf einem Vorfall, der sich um 1860 im Wabaunsee County im Osten des damaligen Territoriums Kansas tatsächlich ereignet haben soll. Sie wurde dem Autor, der aus dieser Gegend stammte, von den Nachkommen der beteiligten Familien erzählt, die dort noch immer lebten. Die Namen sind allerdings geändert. Nur einen Tagesritt von den damaligen Heimstätten entfernt zogen die berüchtigten Guerilla-Truppen sowohl der Nord- wie auch der Südstaaten plündernd und brandschatzend durch das Land, das in jener Zeit zu „Bleeding Kansas“ wurde.


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James schlug ungeduldig mit den Leinen auf die Hinterteile der Pferde, und sie verfielen in einen trägen Trab. Zu langsam, schimpfte er vor sich hin. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause zu Rebecca. Er war fast eine Woche weg gewesen, viel länger als sie geplant hatten, und er machte sich Sorgen um sie. Er hatte sie ohnehin nur äußerst ungern zurück gelassen. Sie waren noch nicht einmal ein Jahr verheiratet, und das unbekannte Land an der Grenze zu Kansas machte ihr noch immer Angst. Ein weiter Himmel, weniger Bäume als zu Hause in Ohio … Und Indianer – sie hatte immer noch schreckliche Angst vor Indianern. Das Reservat lag nur ein paar Meilen weiter westlich. Zu nah, um sich wohl zu fühlen. Jedenfalls zu nah, als dass sie sich hätte wohl fühlen können. Er war überzeugt, dass sie sich ständig deswegen Sorgen machte. Nun, sie sagte es ja selbst, oft genug. Es stimmte, dass sie manchmal Indianer sahen, meist einen oder zwei Krieger, zu Pferd und bewaffnet. Sie verließen das Reservat, um Büffel zu jagen, was ihnen erlaubt war. Aber seit er sich hier niedergelassen hatte, hatte James mehr Indianer als Büffel gesehen. Die Herden befänden sich jetzt größtenteils weiter westlich, hieß es. Vielleicht sogar ein paar Tagesreisen entfernt. 

 Dennoch hatten viele Leute ein ungutes Gefühl in Bezug auf die Indianer. Was wäre, wenn sie das Reservat verlassen und auf Raubzug gehen würden? Und das betraf nur die „zahmen“ Indianer. Von den Cheyennes wusste man, dass sie manchmal so weit nach Osten kamen, und einige von ihnen waren immer noch ziemlich wild. Ganz zu schweigen von den Kiowas … 

 Aber er hatte Becky (und sich selbst) davon überzeugt, dass diese Reise wirklich notwendig war. Sechs Nachbarn, die sich aus Sicherheitsgründen gemeinsam auf den Weg machten, um ihre erste Weizenernte zur Mühle zu bringen. Drei Tage – ein Tag für die Fahrt nach Topeka, ein Tag zum Mahlen und ein Tag für den Heimweg. Sie machten sich weniger Sorgen wegen Indianern als wegen Wegelagerern. Es war viel von Krieg die Rede. Es war bekannt, dass Terroristen entlang der Grenze zu Missouri abgelegene Farmen und Heimstätten überfielen. Viele Menschen waren getötet worden. Einige Familien waren von beiden Seiten überfallen worden. 

 Es ging nicht so sehr um die politischen Ansichten eines Mannes, sondern darum, zu überleben, glaubte James. Er hoffte, dass sie weit genug im Westen waren, um vom überwiegenden Teil des Mordens an der Grenze verschont zu bleiben. Aber man konnte sich nicht wirklich sicher sein. „Dir wird es gut gehen, Becky“, hatte er ihr versichert, als er ging. „Schau mal, da drüben kannst du das Haus der Phillips sehen. Nicht ’mal eine halbe Meile entfernt. Wenn du Angst bekommst, dann läufst du da rüber. Bleib’ bei Hannah. Wir kommen am Mittwoch zurück. Drei Tage. Nur zwei Nächte. Aber wenn du möchtest, dann geh’ jetzt schon rüber.“ 

 „Nein, die Kuh muss gemolken werden“, hatte sie gesagt. Aber er wusste, dass sie Angst hatte. 

 Jetzt waren sie auf der letzten Etappe. Im warmen Sonnenschein sonderte sein Gespann, ein ungleiches Paar alter Stuten, schäumenden Schweiß ab. Er sollte ihnen wirklich eine Verschnaufpause gönnen, aber sie waren jetzt schon so nah an ihrem Zuhause. Nur noch ein paar Meilen. 

 „Treib’ sie nicht zu sehr an, James“, rief Ben Phillips vom Wagen hinter ihm. Die anderen waren hinter Ben aufgereiht. 

 Drei Tage … Fünf Tage waren sie schon weg. Am ersten Abend waren sie in Topeka angekommen und mussten feststellen, dass die Mühle außer Betrieb war. 

 „Wir warten auf Ersatzteile aus Kansas City“, sagte der Müller. „Tut mir leid, Jungs.“ 

 „Wie lange wird das dauern?“ fragte Mercer, einer der anderen Nachbarn.

 „Ich weiß es nicht. Vielleicht muss ich in St. Louis bestellen. Aber ich sag euch was … in Lawrence gibt es eine Mühle. Die würden euren Weizen nehmen.“ 

 „Die Stadt gehört zur Union, oder?“ sagte Phillips. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. 

 „Nun, diese hier auch“, sagte der Müller. „Wollt ihr Politik machen oder euren Weizen mahlen? Es gibt Lecompton, die Hauptstadt, auf halbem Weg nach Lawrence, und sie gehört zur Sezession. Ich weiß allerdings nicht, ob sie da schon eine Mühle haben.“ 

 „Nein, nein. Wir werden es uns überlegen. Vielleicht fahren wir weiter nach Lawrence.“ 

 Sie besprachen die Angelegenheit ausführlich, und es wurde beschlossen, die sechs Wagenladungen Weizen nach Lawrence zu bringen. Drei Tage mehr, dachte James. Aber auf lange Sicht war es praktischer. David, der halbwüchsige Sohn der Phillips, sollte auf einem geliehenen Pferd nach Hause reiten, um den Frauen zu erzählen, was los war, und dann dort bleiben, bis die Männer mit dem Mehl nach Hause kamen. Aber das war vor vier Tagen gewesen. Fast fünf. James machte sich Sorgen um Rebecca.

 *** 
 
Kurz nach der Abfahrt der Männer war Rebecca in einen Zustand dicht am Rande zur Panik verfallen. Der Tag hatte kaum begonnen, als sie die beiden Indianer entdeckte. Sie saßen hoch zu Ross auf dem niedrigen Hügel, von dem man einen Überblick über das Haus und die Nebengebäude hatte. Sie unterhielten sich offenbar miteinander, und ihre Aufmerksamkeit war auf das Gehöft gerichtet. Einer zeigte sogar auf das Haus. Das war an sich schon ungewöhnlich. Indianer zeigten selten mit dem Finger. Dann nickte der andere zu dem entfernten Phillips-Haus hinüber und ritt in jene Richtung davon. 

 
Postkarte zu einer deutschen
Karl May-Verfilmung
Sie wurde von Entsetzen gepackt, als sie sah, wie der verbleibende Krieger sein Pferd langsam um das Haus und das Gehöft herumgehen ließ, ungefähr hundert Meter von der Stelle entfernt, an der sie kauerte. Während er in Bewegung war, huschte Rebecca von einem Fenster zum anderen und spähte hinaus, um zu sehen, ob die Bedrohung größer wurde. Was konnte sie tun? Du musst jetzt nachdenken … Keine Panik. Was hatte James ihr über das Gewehr beigebracht? 

 Sie eilte hinüber und nahm die lange Waffe von den Haken über der Tür. Sie hasste es, wie sie aussah und wie sich das kalte Metall anfühlte. James hatte darauf bestanden, dass sie zumindest in den Grundzügen lernte, wie man sie zur Selbstverteidigung einsetzte. Sie hatte kaum aufgepasst. Es schien unwahrscheinlich, dass sie jemals Wild erlegen musste, um etwas zu essen zu haben. Der andere Verwendungszweck, einen anderen Menschen zu erschießen oder zu bedrohen, war noch unwahrscheinlicher. Ihre Familie waren Quäker, „Freunde“, und als solche hielten sie nichts davon, Leute umzubringen. Nicht, dass Indianer „Leute“ waren, wenn man es genau nahm. 

 Aber dieser hier interessierte sich viel zu sehr für die Heimstätte. Im Laufe des restlichen Tages drehte er mehrere Runden um das Anwesen. Aus Angst wurde bei Rebecca Empörung über die schiere Dreistigkeit des Wilden. Dann Wut … Er hatte kein Recht, in ihr Leben einzudringen, das Leben, das sie und James sich hier im Grenzland aufbauten. Zu allem Überfluss hatte sie den starken Verdacht, dass sie ein Kind erwartete. Sie hatte es James noch nicht gesagt. Ich werde nicht zulassen, dass dieser Heide uns das wegnimmt, schwor sie sich. Sie musste kämpfen und, wenn es nötig war, auch töten. 

 Rebecca blickte noch einmal auf das Gewehr. Es war immer geladen, aber ohne Zündhütchen. Vielleicht könnte sie es benutzen, wenn es nötig wäre. Und so wie es aussah, könnte es nötig werden. Versuchsweise hob sie die Waffe und peilte mit einem Auge den Lauf entlang. Die Kimme vorne genau in die kleine Kerbe im Korn hinten setzen, hatte James erklärt. Und dann in dieser Stellung auf das zielen, was du treffen musst. Er hatte sie einen oder zwei Schüsse abfeuern lassen, aber sie mochte weder den Rauch noch den Krach. 

 Jetzt war es möglicherweise anders. Vielleicht würde ein Schuss in die Richtung des Wilden auf dem Hügel ihn zum Rückzug bewegen. Sie könnte es versuchen. Sie öffnete die Schachtel mit den Zündhütchen und setzte den kleinen Kelch sorgfältig auf den Piston, wozu sie den Hahn zurückzog. Sie hob das Gewehr wieder an ihre Schulter und visierte durch das offene Fenster den Reiter an. 

 Zitternd richtete sie ihr Visier aus und schwenkte den Lauf langsam zu dem Indianer auf dem Pferd. Er saß lässig auf dem Rücken des Tieres und hatte die Hände über dem Widerrist gefaltet. Was für eine Frechheit, dieser Kerl! Ihr Finger schloss sich immer fester um den Abzug … 

 Nein! Ich kann das nicht, wurde ihr klar. Niemals könnte ich das tun

 Sie nahm das Hütchen von dem Piston und ließ den Hahn vorsichtig zurück gleiten. Was also jetzt tun? Die Kuh sollte gemolken und die Hühner sollten gefüttert werden. Die Hühner kämen schon zurecht, nahm sie an, sie würden den ganzen Tag Grashüpfer suchen. Natürlich sollten sie über Nacht in den Stall gesperrt werden. Aber die arme Butterblume würde ihr geschwollenes Euter nicht besonders gut ertragen. Rebecca war zum Heulen zumute. 

 Die Sonne ging jetzt unter, die Schatten wurden länger … Moment! Was hatte James ihr für den Fall geraten, dass sie Hilfe brauchte? Zum Haus der Phillips gehen. Ja, natürlich! 

 Sie entriegelte die Tür und trat hinaus in die abendliche Kühle. Sie wollte nicht hinsehen, aber sie musste … Ja, er war immer noch da. Vielleicht könnte sie auf der anderen Seite um das Haus herum schleichen. Unbemerkt, und dann davon rennen. Nur eine halbe Meile … 

 Sie nahm das Gewehr mit, hauptsächlich, um nicht wehrlos zu wirken; hätte es aber genauso gut zurücklassen können, wie sich herausstellte. Sie wurde entdeckt, ehe sie auch nur hundert Meter zurückgelegt hatte. Der Indianer wendete sein Pferd und ritt, dem Kamm des Hügels folgend, im Schritt parallel zu ihrem Fluchtweg. 

 Was tun? Anhalten und versuchen zu schießen? Weiter zum Haus der Phillips laufen? Ihr Mut verließ sie, und sie rannte zurück zum Haus, das Gewehr fest umklammert. Der Indianer wendete sein Pferd und ritt zurück. 

 Nach Luft ringend stürzte sie hinein. Sie schlug die Tür zu, verriegelte sie und sank schluchzend zu Boden. Sie würden in der Dunkelheit angreifen, da war sie sich sicher. Wahrscheinlich das Haus niederbrennen und sie schnappen, wenn sie zu fliehen versuchte. Und dann … Darüber wollte sie nicht einmal nachdenken. 

 Sie verbrachte die schlaflose Nacht, indem sie weinte, das Gewehr in den Armen hielt und zuhörte, wie Butterblume ihr Unwohlsein mit empörtem Gebrüll kundtat. 

 *** 

 Rebecca wachte voller Panik auf. Es war helllichter Tag. Sie war eingeschlafen, obwohl sie es nicht wollte. Verzweifelt rannte sie zum Fenster. Ja, er war noch da. Oder war das ein anderer Indianer? Sie war sich nicht sicher. Die sehen doch alle gleich aus, sagte sie sich. 
 
Plakat zu einer amerikanischen Wild-West-Show

Der Morgen zog sich hin, und der Wilde schien nicht näher kommen zu wollen. Er saß einfach nur da und beobachtete. Ab und zu drehte er eine Runde um das Gehöft. Butterblumes flehendes Rufen ging ihr langsam auf die Nerven. Vielleicht könnte sie gehen und sie melken, wenigstens ein bisschen. Die Bedrohung schien nicht größer geworden zu sein, außer, als Rebecca versucht hatte wegzulaufen. Sie würde das Gewehr nehmen und mit ihrem Milcheimer zur Scheune gehen. Sie dachte, sie könnte die Kuh und sich selbst so ausrichten, dass sie den Störenfried beobachten konnte, während sie molk. Schon wenn sie jede Zitze nur ein wenig melken würde, sollte das der armen Butterblume etwas Erleichterung verschaffen. 

 Da die Hühner über Nacht nicht eingesperrt gewesen waren, waren sie bereits auf Futtersuche. Sie kämen schon zurecht, und vielleicht könnte sie ihnen ein wenig Getreide zuwerfen. 

 Aus dem anderen Blickwinkel von der Scheune aus konnte sie nun erkennen, dass sich drüben bei dem Phillips-Anwesen ein weiterer Indianer befand. Das Haus der Mercers konnte sie von hier aus nicht sehen, aber sie fragte sich, ob alle Nachbarn belagert wurden. Allerdings hatte sie keine Schüsse gehört. Seltsam, was da vor sich ging … Vielleicht hatten sie vor, überall gleichzeitig anzugreifen. Die Männer würden morgen Abend zurück sein. Würde das zu spät sein? 

 Sie gab die halbherzige Tätigkeit des Melkens auf, wohl wissend, dass es nicht genügte, aber in der Hoffnung, dass es doch etwas geholfen hatte. Sie eilte zurück zum Haus, den Eimer mit der darin schwappenden Milch in der einen Hand und das Gewehr in der anderen. Sie schlug die Tür zu, verriegelte sie und setzte sich hin, verschwitzt und zitternd. 

 *** 

 Später an diesem Tag hörte sie, während sie den Indianer beobachtete, Hufschläge aus der anderen Richtung. Oh Gott, sie kommen, dachte sie und stürmte mit dem Gewehr in der Hand vom rückwärtigen Fenster zum vorderen. 

 „Halloo, Miz Brighton“, rief eine Stimme. „Ich bin’s. David. David Phillips.“

 Rebecca riss die Tür auf und rannte nach draußen. Noch nie war sie so froh gewesen, jemanden zu sehen. 

 „David!“ rief sie aus. „Indianer! Siehst du?“ Sie zeigte auf den Hügelkamm. Dann: „Du bist früh zurück. Wo sind die anderen? Sind sie …“ Wieder wurde sie von Entsetzen gepackt. 

 „Es geht ihnen gut“, erklärte der schlaksige junge Bursche. „Die Mühle in Topeka ist kaputt gegangen. Sie mussten weiter nach Lawrence. Sie werden Freitagabend zurück sein. Haben mich geschickt, um es auszurichten. Aber was soll das mit den Indianern bedeuten?“ 

 Sie bedeutete ihm, zur Ecke des Hauses zu kommen, und zeigte auf den Hügelkamm. 

 „Es ist immer mindestens einer da, die ganze Zeit“, platzte es aus ihr heraus. „Sie reiten immer im Kreis herum. Bei euch zu Hause ist auch einer. Freitag, sagst du? Heute ist doch erst Dienstag!“ 

 „Hmm“, sagte der Junge nachdenklich und fragte sich wahrscheinlich, was sein Vater tun würde. „Ich sag’ Ihnen was … Sie kommen mit mir zu uns. Wir werden sehen, was meine Mutter davon hält. Ich gehe zu Fuß mit Ihnen und führe das Pferd. Nehmen Sie Ihr Gewehr mit.“ 

 „Vielleicht stecken sie das Haus in Brand“, sagte sie ängstlich. 

 „Ja, vielleicht. Wenn die das tatsächlich tun, ist es aber besser, wenn Sie nicht drin sind.“ 

 Die halbe Meile bis zum Haus der Phillips verlief reibungslos. Hannah ließ sie schnell herein. Auch sie war verwirrt über das Verhalten der Indianer.

 *** 

James wusste von all dem nichts, als er sein schweißnasses Gespann auf den Hof lenkte. Es war Freitag, und die Sonne stand schon tief im Westen. Eine lange sorgenvolle Woche war vorüber. Auf der Ladefläche des Wagens lag unter einer Plane ein Haufen Baumwollsäcke, vollgestopft mit frisch gemahlenem Mehl. Trotz aller Schwierigkeiten war er mit dem Ertrag der Reise zufrieden. Er hatte einen Teil des Weizens an den Müller verkauft und dem Müller einen weiteren Teil im Tausch dafür gegeben, dass er den Rest mahlte. Jetzt war er zu Hause. 

 Er brachte die Stuten zum Stehen, sprang hinunter, rannte zur Tür, riss sie mit einem Ruck auf und stürmte hinein. 

 „Becky?“ rief er. 

 Keine Antwort. Das Haus war leer. Er trat wieder nach draußen und blickte die Straße hinauf zu der Stelle, wo Ben Phillips gerade den Hügel hinauf fuhr. 

 Zu seiner Linken blitzte eine Bewegung auf, und er blickte in diese Richtung. Ein hochgewachsener Krieger auf einem gefleckten Pferd trabte langsam vom Hügelkamm herab, direkt auf ihn zu. Die rechte Hand des Indianers war zum friedlichen Gruß erhoben, die offene Handfläche zeigte keine Waffe. Nun preschte ein anderer Indianer aus der Richtung des Phillips-Anwesens heran und zügelte neben dem ersten sein Pferd. 

 „Hallo“, begann der erste Indianer, die Hand noch immer erhoben. 

 „Was willst du?“ fragte James. „Was machst du hier?“ 

 „Deine Frau ist da.“ Der Krieger zeigte auf das Haus der Phillips. „Sie ist in Sicherheit.“ 

 „Du sprichst gut“, sagte James vorsichtig. „Aber ich habe gefragt, was du willst.“ 
 
 „Ich war auf der Schule des weißen Mannes“, erklärte der Indianer. „Ich bin gekommen, um dir zu sagen … wir haben gesehen, dass eure Männer alle mit den Wagen voll Getreide weggefahren sind. Wir wissen, dass die weißen Männer dabei sind, sich gegenseitig zu töten. Es ist gefährlich… böse Männer sind in der Nähe … wir haben auf eure Frauen aufgepasst, bis ihr zurückkommt. Die Häuser von jedem … wir beschützen sie vor Plünderern.“ 
 
Aber es gab keine Plünderer, wollte James widersprechen, doch dann hielt er inne. Es hätte welche geben können. Es war riskant gewesen, die Frauen allein zu lassen, und es hatte länger gedauert als erwartet. Es war peinlich berührt. 

 „Was ist los?“ rief Ben Phillips, der auf den Hof gefahren kam und sein Gewehr unter dem Sitz hervorholte. 

 „Steck’s weg, Ben“, sagte James. „Diese Burschen hier haben gesehen, dass wir weg waren, und beschlossen, nach dem Rechten zu sehen, falls irgendwelche Räuber auftauchen.“ 
 „Was wollen sie?“ fragte Ben, immer noch misstrauisch. 

 „Haben sie noch nicht gesagt.“ James lächelte. „Ich nehme aber an, dass sie sich über einen Sack Mehl freuen würden. Oder vielleicht über Brot, wenn die Frauen backen.“ 

 „Ja, das wäre gut“, sagte der Indianer mit der Schulbildung. „Wir kommen wieder, oder?“ 

 „Ja … morgen?“ schlug James vor. 

 „Das ist gut“, sagte der Indianer, wendete sein Pferd und ließ es antraben. „Wir werden kommen!“ rief er über seine Schulter hinweg. 

** reprinted with permission from the beneficiaries and Cherry Weiner Literary Agency **
 © für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 202

 Wir danken den Rechtsnachfolgern des verstorbenen Autors sowie der Cherry Weiner Literary Agency für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieser Übersetzung.