DER GATLING GUN-MYTHOS
The Death-Dealing Machine That Never Won the West
But Still Exist as Today’s Multi-Barrel Weapons System
von MICHAEL STEMMER
Open Fire! |
Buchcover: Hughes (2000) |
(…) and a tower built over the humped shape of the water cistern, with a Gatling gun mounted there which could sweep the interior of the prison and two of the walls, as well as the gateway, with soft-nosed .45/70 slugs at the rate of 350 per minute.”
— Gordon D. Shirreffs, Judas Gun, zitiert nach: Gold Medal Book k1476, Chapter Three (dt.: „Lohn der Hölle”)
Michael Stemmer informiert in seinem umfassenden Beitrag ausführlich über die Gatling Gun. Gegliedert in drei Hauptabschnitte, zunächst einmal einen allgemein gehaltenen Teil, gefolgt dann von selektiven Filmografien sowie einer Auswahlbibliografie. Für die Webfassung habe ich folgende Aufteilung vorgenommen (K. J. Roth)
Gatling is back!
Die Ideengeschichte der Gatling Gun bietet darüberhinaus einen interessanten Einblick in die Entwicklung des modernen Militärwesens.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) nämlich besinnt man sich auf der Suche nach einer neuzeitlichen Art von Maschinenwaffe alsbald wieder auf die Gatling-Funktionsmethode. Die Forschungsabteilung des Waffenbeschaffungsamtes ruft daraufhin ‘Project Vulcan’ ins Leben und der Waffenproduzent GEC (General Electric Co., New York) entwirft von 1946 bis 1956 schnellschießende, elektrisch gezündete MGs als Bordwaffe von Kampfflugzeugen zum Unterfeuernehmen von Bodenzielen und landgebundenen Fahrzeugen aus Hubschraubern heraus wie dem von Bell Helicopter Services Inc., Texas, entwickelten Model 205A (Iroquis) UH-1 D/H. Standard-Abwehrgeschütz bei der U.S. Air Force und Army wird die Weiterentwicklung des Prototyps T-171, 20 mm, später eingeordnet als M 61, 20 mm, Vulcan Aircraft Gun; ein fremdangetriebenes MG mit fünf oder sechs um eine Drehachse angeordneten Rohre, dessen Feuerfolge nicht mehr vom Bordschützen allein, sondern durch elektrischen Strom aus der Batterie des Drehflüglers bestimmt wird. Der Verbrauch an Gewehrpatronen liegt bei annähernd 6,000 Sch/min. ohne Feuerpause. Zur Fliegerabwehr vom Boden aus kommt demgegenüber das M 163 Vulcan Air Defense System (Vulcan- Abwehrsystem) in einen Flugabwehrpanzer installiert oder auf Lafette zum Kampfeinsatz.
Es ist über eine Feuerleitanlage verbunden mit einem Radarrichtgerät, das Zielobjekte mit hoher Fluggeschwindigkeit über große Distanz hinweg erfaßt und die sechs Rohre des 20- mm-M 168-Gatling-Geschützs automatisch ausrichtet; Kadenz 4,000 Sch/min.
Zwischenzeitlich veraltet, werden die Einheiten im Laufe der 1990er Jahre gegen effizientere Waffensysteme ausgetauscht.
Mit weiter fortschreitender Entwicklung automatischer Schußwaffen zum wirkungsvollen Ausschalten von Panzern, Marschflugkörpern, Raketen sowie Kampfdrohnen gleichermaßen, überträgt sich im Lauf der Zeit die Kennzeichnung ‘Gatling Gun’ auf jede Hochkadenzwaffe, die dasselbe rotierende Mehrrohrsystem wie das ursprüngliche Repetiergeschütz aufweist.
Sie ermöglichen es letzten Endes fast jedes Land- oder Luftziel massiv unter Beschuß zu nehmen. Die sechs Rohre des perfektionierten Gatling-Systems verfügen jedes über ein eigenes Schloßwerk, das sich abwechselnd bewegt, während sie sich um dieselbe Achse drehen. Dieses Kriegsgerät feuert die Geschosse mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 1,030 m/sek. ab und tut dies in Korea (1950 bis 1953), Vietnam (etwa 1955 bis 1975), im Golfkrieg (1980 bis 1988) und im Zweiten Golfkrieg (Erster Irakkrieg; 1990/91) gleichermaßen. Zuverlässigkeit, extrem hohe Feuerrate, vereint mit einfacher Funktionsweise und einem schnellen Nachladevorgang, haben den Begriff ‘Gatling’ bis heute zu einem Synonym für neuzeitliche automatische Rotationskanonen wie die GAU-8 Avenger, sieben Rohre im Kal. 30 mm, Kadenz 3,900 Sch/min. u.a. sowohl zur Infanterieunterstützung als auch Flugabwehr oder festinstallierte Bordbewaffnung werden lassen.
Dementsprechend auch im hierzulande berühmt-berüchtigten Lockheed F-104
„Starfighter“, bestückt mit, neben anderen Kampfmitteln, einer sechsrohrigen 20-mm- Gatling-Maschinenkanone General Electric T171 (M61) Vulcan, voll aufmunitioniert mit 725 Schuß an Bord. Bis 1991 sind 916 Überschallmaschinen bei der Bundesluftwaffe im Einsatz, 269 dieser einstrahligen Abfangjäger gehen durch Abstürze wegen technischer Probleme verloren, 116 Piloten werden dabei getötet, der letzte erst im Jahre 1984!
Selbst dieses Waffensystem kommt letzten Endes zu Film-Ehren, genauer gesagt 1983 im Action-Thriller BLUE THUNDER („Das fliegende Auge“), Regie: John Badham (1939–),
mit einem Helikopter der französischen Marke Aérospatiale SA-341G Gazelles, fiktiv geflogen von Schauspieler Roy Scheider (1932–2008) in der Hauptrolle.
„For the movie SA-341G Gazelles were modified with bolt-on parts and a canopy patterned after the AH-64 Apache. (…) Described in the film as having 1 in (25 mm) "NORDOC-NATO armor" Blue Thunder had a chin turret with an electric 20 mm (0.79 in) six-barrel rotary cannon capable of a rate of fire of 4,000 rounds per minute.”
(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Blue_Thunder_(helicopter), abgerufen am 22. Februar 2022)
„When the Gatling gun on Blue Thunder is shown firing one can easily recognize the individual shots, however, at its claimed 4000 rounds per minute rate the muzzle fire should appear to be continuous.”
(Quelle: https://www.imdb.com/title/tt0085255/goofs?ref_=ttfc_ql_trv_2, abgerufen am 22. Februar 2022)
Mehr als eine makabre Pointe: Dr. Richard J. Gatling wäre heutigen Tags, ob der aufgelisteten Innovationen seines Grundgedankens, auf eine gewisse Art bestimmt sehr stolz. Auch wenn sich sein entrücktes Märchenbild von daraus sich ergebener Verkürzung jedweder Kriegsgräuel nicht erfüllt hat – ohne dabei aber den Glauben an die Menschheit zu verlieren. Rückblickend kann man ihm eine visionäre Gabe nicht so ohne weiteres absprechen.