Dienstag, 14. Januar 2025

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DER GATLING GUN-MYTHOS 
The Death-Dealing Machine That Never Won the West 
But Still Exist as Today’s Multi-Barrel Weapons System 
von MICHAEL STEMMER 

 Open Fire! 
Buchcover: Hughes (2000)
 (…) and a tower built over the humped shape of the water cistern, with a Gatling gun mounted there which could sweep the interior of the prison and two of the walls, as well as the gateway, with soft-nosed .45/70 slugs at the rate of 350 per minute.”
— Gordon D. Shirreffs, Judas Gun, zitiert nach: Gold Medal Book k1476, Chapter Three (dt.: „Lohn der Hölle”)

Michael Stemmer informiert in seinem umfassenden Beitrag ausführlich über die Gatling Gun. Gegliedert in drei Hauptabschnitte, zunächst einmal einen allgemein gehaltenen Teil, gefolgt dann von selektiven Filmografien sowie einer Auswahlbibliografie. Für die Webfassung habe ich folgende Aufteilung vorgenommen (K. J. Roth)  


Gatling Gun per definitionem ~ Gatling Gun und ihr Erfinder ~ Vorgang in der Gatling Gun beim Schuß ~ Ladeeinrichtung der Gatling Gun ~ Gatling Gun und der Sezessionskrieg ~ Gatling Gun in Good ol‘ Germany ~ Gatling Gun „Made in Russia“ ~ Gatling Gun contra Bisons ~ Gatling Gun am Großen Fluß ~ Gatling Gun im Genozid ~ Gatling Gun vs. Hotchkiss Gun ~ Gatling Gun im Krisenherd Kanada ~ Gatling Gun landet auf Kuba ~ Feuerpause für die Gatling Gun ~ Gatling auf hoher See ~ Gatling is back! ~ Gatling Gun im Wildwestroman ~ Gatling Gun aus Gummi ~ Gatling Gun ertönt im Radio ~ Sound der Gatling Gun ~ Gatling Gun als Kultgegenstand ~ Fabrikzeichen der Gatling Gun ~ Gatling Gun im Modell ~ Gatling Gun und ihr Resümee ~ Ein letztes Wort zur Gatling Gun ~~ Teil 2: Filmografie  ~ Teil 3: Bibliografien 

Gatling Gun in Good ol' Germany 

Im August des Jahres 1869 erprobt das deutsche Militär die mehrläufige Drehkanone des amerikanischen Doktors erstmalig auf heimischen Boden. Zu diesem Zweck treten in der Großherzoglich-badischen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe – nicht im tschech. Karlsbad (Karlovy Vary), wie manche Quellen fälschlicherweise angeben – 100 ausgesuchte Schützen aus den Reihen der ‘Stoppelhopser’ (Soldatensprache für Infanteristen), bewaffnet mit dem 1827 von Nikolaus v. Dreyse (1787–1867) erfundenen, und 1841 bei der preußischen Truppe eingeführten Zündnadelgewehr, gegen eine einzige Gatling Gun Model 18?? mit zehn Rohren und Bedienungskurbel an der rechten Seite, eingerichtet für Kal. 1″ Long/Short (25,4 mm), zu einer Übung im Vergleichsschießen an. 

Beide Parteien feuern in einer Minute die gleiche Anzahl an Schüssen über eine Distanz von 800 m ab, was ebenso der Reichweite des Hinterlader-Militär-Gewehres entspricht. Die Trefferauswertung ergibt folgende Schußbilder: Das der Preußen weist 721 abgegebene Schüsse mit 196 Volltreffern aus, jenes der Gatling Gun hingegen 246 Schüsse bei 216 Auftreffpunkten; ein möglichenfalls prestigeträchtiger Lieferauftrag ergeht dennoch nicht. 

Im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. 4, Generallandesarchiv Karlsruhe, ist Archivgut über „Schießversuche mit der Gatling-Kanone aus der Zeit 1867 bis 1869“ überliefert. Weitere Artillerie-Schießversuche, insbesondere mit der Gatling-Kanone von 1868 bis 1870 sind in dieser Urkundensammlung ebenso verzeichnet. In diesem Kontext auch zu erwähnen: Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. 5, Staatsarchiv Ludwigsburg: „Patent des Richard Jordan Gatling aus Indianapolis auf eine neue Revolverkanone 1867“. 

 Begünstigt durch vergleichbares Probeschießen und eine vorangegangene Demonstration der Feuerkraft und Funktionszuverlässigkeit in Wien am Freitag, den 17. Juli 1868, erwächst bei den europäischen Staaten, und nicht nur diesen, eine gesteigerte Teilhabe an dergleichen mechanischer Schnellfeuerwaffen. 

Bereits zwei Jahre zuvor jedoch hat ausgerechnet Frankreichs Erbfeind, das ehemalige Königreich Preußen, am Mittwoch, den 9. Oktober 1867 mit der Gatling Gun Co. einen Vertrag über je ein Model 18??, Kal. 1″ Long/Short (25,4 mm), mit sechs Rohre und Bedienungskurbel an der rechten Seite., und ein Model 18??, im Kal. .50-70-450 Center Fire (12,7 mm) mit zehn Rohren und Bedienungskurbel an der rechten Seite, Fabrikationsnummern unbestimmt, erst einmal als Testwaffen abgeschlossen. Die daneben ausgehandelte Option auf die Abnahme weiterer 97 Stück wird aber seitens des Beschaffungsamtes zugegebenermaßen nicht wahrgenommen. Entsprechende Verlautbarungen hierüber dürften sich gleichermaßen im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. 7, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, finden lassen, nämlich „Berichte des Zivilingenieurs August Fischer und des Militärbevollmächtigten in Berlin, Major Faber du Faur, über die französische Mitrailleuse- und die amerikanische Gatling-Schnellfeuerkanone 1867 bis 1868“. 

Historisch verbürgt: Der US-amerikanische Unternehmer Lewis W. Broadwell (1803–?), auch er ein Europa-Vertreter der Gatling Gun Co., nichtsdestoweniger aber Entwickler der nach ihm bezeichneten Munitionszuführung ‘Broadwell Drum’, außerdem Direktor der Karlsruher Maschinenbau AG, und in der heute nach Stuttgart zweitgrößten Stadt des Landes Baden-Württemberg sesshafter Vertragszulieferer von Radlafetten passend zu den Gatling Guns für den Markt des jungen Staatenverbunds. Eine solche ist in Kombination mit 1"- Gatling-Repetiergeschütz Patent 1865, Kaliber 1 Zoll (2,54 cm), sechs Rohre, Bedienungskurbel an der rechten Seite, Fabrikationsnummer unbestimmt, in der Kanonenhalle des Kgl. Dänischen Zeughausmuseums, Kopenhagen, zu besichtigen.

© 1974 MICHAEL STEMMER / BERLIN

Es sollen an sich noch 152 Jahre vergehen, bevor Dr. Gatlings geniale Konstruktion im Herbst 2019 auch beim deutschen Heer gebräuchlich wird: 

 „Das Maschinengewehr MG6. Vorteil der Waffe: Die sechs Rohre rotieren, dadurch laufen sie nicht heiß. Die Waffe hat ein Kaliber von 7,62 Millimetern und eine Feuerrate von etwa 3000 Schuss pro Minute. Gezielt wird über ein Rotpunktvisier. Am Maschinengewehr stehen die Tactical Operator – die sogenannten TacOp´s – des Hubschraubers. Bei „Heli Dust“ trainieren sie ihre Fertigkeiten als Bordschütze. Für den Feuerkampf sind 4.000 Schuss an Bord. Je nach Einsatz kann auch ein zweites MG6 mit ebenso viel Munition eingesetzt werden.“ (FOCUS online – Nachrichten, zitiert nach: https://www.focus.de/politik/deutschland/mg6- 3000-schuss-pro-minute-das-ist-die-erste-minigun-der-bundeswehr_id_11310329.html, abgerufen am 8. August 2022) 

 Zum besseren Verständnis: Die formale Bezeichnung ‘Minigun’ besagt eine nach dem Gatling-System der kreisenden Rohre verkleinerte Version der Kanone Dillon Aero M134D zur Bekämpfung von Erd- wie auch Luftzielen. Die gurtzuführende vollautomatische Maschinenwaffe, Standardkaliber 7,62×51 mm NATO, wird elektrisch gezündet und ist verschiedentlich als Zusatzbewaffnung in Kampfhubschraubern der Truppengattung Heeresflieger eingebaut.

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