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Gerichtsscene
Stockton, am San Joaquin, ist nach San Francisco und Sacramentocity die bedeutendste Stadt Alta California’s, und rivalisirt besonders mit Sacramento. In letzter Zeit hat sich auch sein Umfang bedeutend vergrößert, der Handel ist blühend, und zweigt von dort überall in die südlichen Minen aus. Seit lange schon war es dabei der Sitz eines District Court, und Jugde Reynolds präsidirte über diese als „Richter in Frieden und Unfrieden.“
Um diese Zeit, und zwar im Sommer des Jahres 1850 begab es sich, dass ein Deutscher Namens Kadisch, Waaren in die Minen zu versenden hatte, zu gleicher Zeit aber sein Aufenthalt in San Francisco zum Empfang anderer Güter nöthig war. Er accordirte also mit einem dort ansässigen Spanier, ihm die |82| schon bereitliegenden Güter auf seinen eigenen (Kadisch) Maulthieren in die Minen zu schaffen, die Thiere dann wieder zurückzubringen, und, sollte Kadisch um diese Zeit noch nicht wieder zurück sein, eine neue Ladung zu besorgen.
Das geschah; José der Spanier reiste mit den Gütern ab, holte aber weder neue Waaren ab, noch lieferte er selber die Thiere wieder aus, und gab, als ihn Kadisch später dafür zur Rede stellte, vor, sie seien ihm unterwegs gestohlen worden. Das war übrigens eine offenbare Lüge, denn in der nämlichen Zeit befand sich sogar ein Theil derselben Maulthiere in Jose’s Besitz in Stockton, und Kadisch hatte Zeugen genug, welche die Maulthiere kannten, und das Recht zu sehr auf seiner Seite, es dießmal nicht zu „riskiren“, Gerechtigkeit vor dem Richter zu suchen. Dennoch fühlte er sich nicht ganz sicher, ging aber doch zu Judge Reynolds, und brachte seine Sache vor.
Er fand den Richter in ziemlich guter Laune auf seinem Sopha liegend, ein Bein über der Lehne desselben, das andere auf einem davorgerückten Stuhl. Er that für diesen Augenblick eigentlich gar nichts, als dass er sich vielleicht seinen angenehmen Gedanken überließ, dabei wälzte er ein nicht unbedeutendes Priemchen Tabak im Munde herum, und drehte nur |83| manchmal den Kopf nach der Kammerecke herum in ein dort stehendes, etwa fünf Schritt entferntes Spuckkästchen mit ungemeiner Fertigkeit den Tabakssaft hineinzusenden.
„Guten Morgen, Judge“ – sagte der Kläger, als er zu ihm in die Stube trat, und die Thür hinter sich zumachte.
„How d’y do“ lautete die kurze Antwort, der Jugde drehte den Kopf ein klein wenig herum, zu sehen wer der Kommende wäre, und fiel dann in seine alte Lage zurück.
„Judge, ich hier, um den Spanier José Tonguras zu verklagen, der mir meine sämmtlichen Maulthiere vorenthält, während ich beweisen kann, dass sie sich zu gleicher Zeit, wenigstens die meisten davon, in seiner eigenen Fenz befinden.
Der Richter drehte hier wieder den Kopf, visirte das Spuckkästchen, nach dessen Richtung hin Kadisch stand, und spritzte den gelben Saft zwischen seinen Zähnen durch so dicht an dem Knie seines Besuchs vorbei, dass dieser erschreckt zurückfuhr. Es war aber nicht die mindeste Gefahr, und das Kästchen richtig getroffen worden. Der Richter schien aber die Befürchtung, die er erregt, gar nicht zu achten, sondern benutzte nur die günstige Gelegenheit, da er |84| seinen Mund, gerade vom Tabaksaft frei hatte, und frug den Kläger.
„Hat José – wie heißt der Kerl?
„José Tonguras -
„Ahem – hat er Geld?“
„Er ist ansässig hier und wohl 10,000 Dollar werth,“ lautete die befriedigende Antwort.
Der Richter blieb jetzt eine Weile, ohne fernere Antwort zu ertheilen, in nachdenkender Stellung auf dem Sopha liegen, zielte dann wieder nach dem Spucknapf, während dießmal der Deutsche aber aus dem Weg trat, da er doch nicht wußte ob der Schütze jedesmal schwarz treffen würde, klingelte dann, und sagte zu dem eintretenden Constable:
„Bitte, Mr. Brown, rufen Sie mir doch mal den Sherif herüber.“
Als sich der Constable entfernt hatte, ließ sich der Richter die ganze Sache mit den Maulthieren ausführlich von dem Kläger erzählen, der ihm das so kurz wie möglich, aber klar und deutlich auseinandersetzte.
„Gut, gut!“ sagte der Richter, als er zu Schluß kam, und schien mit dem Gehörten vollkommen zufrieden – „sehr gut, den Burschen wollen wir schon kriegen. Er ist ein Mexikaner, nicht wahr?“ |85|
„Ich glaube wohl – er trägt wenigstens die mexikanische Tracht.“
„Desto besser – ah Jenkins“, wandte er sich dann zu dem eintretenden Sheriff – „kommt einmal einen Augenblick hierher – setzten Sie sich so lange, Kadisch – wir wollen das bald in Ordnung bringen, ich habe gerade Zeit heute morgen.“
Er unterhielt sich jetzt eine Zeitlang leise mit dem Sheriff, dieser verließ dann das Zimmer, und wohl eine volle Stunde lang blieben die beiden Männer allein im Zimmer, ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Die geheimnisvolle Stille unterbrach nur dann und wann der Tabakssaft des Richters, aus dessen Bereich sich Kadisch wohlweislich begeben hatte.
Endlich klopfte jemand an die Thüre.
„Walk in“ sagte der Richter.
Die Thür ging auf und der Mexikaner José Tonguras trat ein, während der hinter ihm stehende Constable seinen Namen laut ankündigte.
„All right“ sagte der Richter, ohne aber auch nur einmal aufzusehen – take a seat, José.“*) {*) Setzt Euch, José.}
Der Mexikaner war eine kurze gedrängte sonn-|86|verbrannte Gestalt, mit glänzend schwarzen gelockten Haaren, einer buntgestreiften Sarape, einem Wachstuch überzogenen breitrandigem Hut, an den Seiten bis an die Hüftknochen aufgeschlitzten braun sammetnen Ober- und schneeweißen baumwollenen Unterhosen, weißem Hemde und schwarzgewichsten Schnürstiefeln. Als er ins Zimmer trat, machte er eine halbe Verbeugung gegen den Richter und seinen Ankläger und sagte artig, während er den glänzend blanken Hut mit beiden Händen vom Kopfe nahm:
„Buenos dias, Seňores.“
Kadisch machte eine leichte Verbeugung gegen ihn, der Richter aber sagte gar nichts weiter, und da der Mexikaner die vorherige Einladung sich zu setzen wahrscheinlich nicht verstanden oder vielleicht nicht einmal gehört hatte, wiederholte sie der Deutsche noch einmal auf Spanisch.
José dankte schweigend, rückte sich dann einen der Rohrstühle heran und ließ sich langsam darauf nieder. Die dunklen verschmitzten Augen liefen aber indessen rasch von einem Gegenstand im Zimmer zum anderen und hafteten auf nichts. Nur dann und wann suchte er dem Blick des Richters zu begegnen, wenn dieser zu seinen regelmäßigen Expectorationen den Kopf wandte. Dieser aber hatte vielleicht schon ganz wieder |87| vergessen, dass Jemand anders mit ihm im Zimmer war, oder nahm doch wenigstens nicht die geringste Notur, weder vom Kläger noch Verklagten.
So verging eine Viertelstunde nach der andern, und Kadisch, der andere Geschäfte zu besorgen hatte, stand schon einmal auf und bat den Richter ihn zu entschuldigen, er wolle lieber in einer Stunde etwa oder zu jeder andern Zeit, die er ihm bestimmen möchte, wieder kommen, denn er habe zu Hause nothwendige Geschäfte.
„Never mind, Kadish“, sagte aber der Richter, und winkte ihm mit der Hand sitzen zu bleiben; „der Sheriff muß den Augenblick hier seyn, und wir machen Ihre Sache dann ohne weiteres ab. Sie treffen’s vielleicht nicht allmal so günstig.“
Der Deutsche sah dass der Richter guter Laune schien, und war klug genug zu bleiben, der Mexikaner aber, der von den gewechselten Worten nichts verstand, schaute mißtrauisch bald den einen, bald den andern an, und mochte aus der Freundlichkeit des Richters gegen seinen Ankläger, nicht ohne Grund, keine der besten Folgerungen für sich ziehen.
So verging wieder eine zweite Viertelstunde, als die Thür aufging und der Sheriff hereintrat. |88|
„Alles in Ordnung, Jenkins?“ frug ihn der Richter.
„Alles“, lautete die bündige Antwort des Schwertes der öffentlichen Gerechtigkeit.
„Alles so gewesen?“ frug aber der Richter noch einmal, der in dieser Sache wohl seine guten Gründe haben mochte, ganz sicher zu gehen.
„Alles“, klang aber wiederum das bestimmt abgegebene Echo aus seines Merkurs Munde.
„Gut, dann können wir die Court eröffnen“, erwiderte der Richter, erhob sich aus seiner liegenden Stellung, setzte sich aufrecht an den Tisch und rückte einige Bücher in Ordnung, „ruft den Dolmetscher herein.“
Jenkins öffnete die Thür, winkte hinaus und gleich darauf trat eine der wunderlichsten Figuren herein, die man sich nur auf der Welt denken kann. Es war eine breitschultrig gedrungene, grobknochige Gestalt, mit rothen, krausen Haaren, Pockennarben und die Hände dicht mit Sommersprossen bedeckt. In der Hand hielt der Mann einen alten, in die unbestimmteste Form hineingedrückten, weißen Filzhut, an dem nur Rand und Deckel fehlte, über den Schultern hing ihm ein kleiner blauer, an den Rändern grün und roth gestreifter chilenischer Poncho, die |89| Beine bedeckten auch eine Art mexikanischer Hosen aber die Unterbeinkleider waren beschmutzt und von höchst zweifelhafter Farbe, und die Füße stacken in groben, stark genähten und ungeschwärzten Schuhen. Die Figur hatte allerdings nicht viel Empfehlendes, aus den kleinen grünen Augen blitzte aber ein eigener wilder Humor, und der Blick, den er bei seinem Eintreten nur einmal, aber rasch und entschieden über die Gruppe sandte, wie die zuversichtliche Art mit der er überhaupt auftrat, verriethen, dass er nicht das erstemal zu diesem Amt berufen sei, und es liebe vorher zu wissen, mit welchen Leuten er es hier zu thun habe. Sein nachheriges ganz gleichgültiges Wesen, wobei er weder nach der einen noch andern der Parteien auch nur den Kopf wandte, sollte anzeigen wie gänzlich unparteiisch er beide Theile höre, und nur darauf denke ihre geäußerte Meinung Wort für Wort dem Richter treu wiederzugeben.
Dieser schien aber mit seinem Dolmetscher auf einem ganz freundschaftlichen Fuß zu stehen, rückte ihm, als er die Thür hinter sich zugemacht hatte, einen Stuhl dicht neben sich, nahm dann die neben ihm liegende Bibel in die Höhe, und sagte, nach der ersten Begrüßung gleich in die aufzugebende Schwurfoemel einfallend: |90|
„Wie geht’s Patrick? Ihr schwört hiermit feierlich die zwischen beiden Parteien vorkommenden Aussagen und Antworten treu und ehrlich zu übersetzen, so helfe Euch Gott.“
„Dank Euch, Sir, Yes“, sagte Patrick mit ächt irischer Brogue und ungemeiner Feierlichkeit, ebenfalls Morgengruß und Schwur zu gleicher Zeit beantwortend, dann küßte er mit vieler äußerer Andacht die ihm vorgehaltene Bibel, und ließ sich, seinen kurzen Poncho unnöthigerweise etwas weiter noch heraufschlagend, auf den ihm hingerückten Stuhl nieder. Den Hut drückte er, rücksichtslos gegen jede Façon zwischen die Knie.
Der Richter hatte indessen einen reinen Bogen Papier hergenommen, und schrieb jetzt sehr emsig die Anklage des Deutschen nieder, die er diesem dann gar nicht erst weiter zeigte, sondern sich damit, als er sie beendet, gleich unmittelbar an den Verklagten – durch den Dolmetscher natürlich – wandte.
Der Mexikaner, der übrigens mehr Englisch verstehen mochte als er zu zeigen für räthlich hielt, hatte der vorstehenden Schwurscene sehr aufmerksam zugeschaut, und ein leises verstohlenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, das sich auch kaum verlor, während der Richter dem Dolmetscher die Klage auf |91| englisch vorlas. Er wußte recht wohl dass seine Sache ging sie den gewöhnlichen Gang Rechtens, noch lange nicht verloren sein brauchte, war aber freilich nicht auf gleich folgende summarische Verfahren vorbereitet,
Als der Dolmetscher alles angehört hatte, wandte er sich, die Augen dabei fest auf das Blatt Papier gerichtet, gegen den Verklagten, der jetzt seinerseits ebenfalls mit der ernsthaftesten Miene und größten Aufmerksamkeit dasaß, und übersetzte ihm lesend, wessen er beschuldigt sey, und frug ihn, ob er die Wahrheit der Sache zugestehe.
Der Mexikaner sah hierauf erst ein paar Secunden, wie in tiefem Nachdenken, still vor sich nieder, und erwiederte dann in der eigenen singenden Weise der Spanier:
„Si Seňor, ich habe die Maulthiere von dem Mann mit den Waaren bekommen, und die Waaren an der bestimmten Stelle abgeliefert, ist dem nicht so?“
Die Frage wurde dem Kläger gestellt, und dieser bejahte sie, fügte aber hinzu, „dass er wegen der Waare nicht geklagt habe, sondern nur wegen der zurückgehaltenen Thiere.“
Der Deutsche hatte diese Antwort ebenfalls in |92| Spanisch gesprochen, und Don José wollte gerade darauf erwiedern, als ihn der Richter unterbrach:
„Stop“, sagte er, „ich möchte auch wissen, was ihr da zusammen verhandelt, God damn it, Ihr verlangt doch nicht, dass ich Euer verwünschtes Espagnole auch noch verstehen soll? Patrick, wie war die Geschchte?“
Patrick übersetzte dem Richter das, was beide Parteien gesagt, und dieser frug dann weiter:
„Aber wo sind jetzt die Maulthiere? Habt ihr die nachher ihrem rechtmäßigen Eigenthümer zurückgegeben, oder was ist mit ihnen geschehen?“
Der Mexikaner ließ sich die Frage erst übersetzen, dann sagte er achselzuckend:
„Quien sabe? – als ich nach Stockton zurückkam, war der Mann noch immer nicht zurück. Ich mußte die Thiere einem andern zur Aufsicht übergeben, was ich aus meiner eigenen Tasche bezahlt habe, der wurde aber krank, und Amerikaner oder meine eigenen Landsleute haben die Maulthiere indessen gestohlen. Mein Bruder ist aber nach, und wenn er sie wieder findet, soll der Mann ebenfalls keinen Schaden leiden.“
Patrick übersetzte das und der Richter frug hierauf schnell: |93|
„Also er läugnet nicht, dass sie, während sie ihm übergeben waren, abhanden gekommen sind.“
„No no es verdad“, sagte José, „pero ….“
„Well, well, all right“, unterbrach ihn der Richter, und als er sah, dass der Mexikaner noch Einwendungen machen wollte, sagte er zu Patrick: „stop him, Pat’, laß ihn mich nicht weiter unterbrechen, ich weiß jetzt alles, was ich wissen will. Kadisch, wie viel Maulthiere waren das, sagt Ihr, die Ihr ihm übergeben habt?“
„Vierzehn, Sir, mit Packsätteln.“
„Jenkins, was sind Maulthiere wohl jetzt durchschnittlich werth, der Sattel macht da weiter keinen großen Unterschied.“
Der Sheriff besann sich eine kleine Weile, und sagte dann, sich das Kinn streichend:
„Hm, ich weiß nicht genau, ich denke so etwa 80 bis 90 Dollars durchschnittlich. Vielleicht mehr.“
„Nun gut, wir wollen durchschnittlich 90 Dollars annehmen, seid ihr damit zufrieden, Kadisch?“
Dieser bejahte es, etwas verdutzt, und der Richter fuhr fort: „Das sind also vierzehnmal neunzig, viermal neun ist sechsunddreißig, einmal neun ist neun und drei sind zwölf – gerade 1260 Dollars – außerdem für die Court 50, und für Warrant und Verhör |94| 50 D., macht 1360, für Sheriff 50, sind 1410 – und dann – ja so Patrick, wie viel bekommt Ihr für Euer Dolmetschen?“
„Ih nun, ich weiß nicht“, sagte Patrick etwas verlegen, „ich denke etwa zwei Unzen.“
„Ah was, sagt drei“, meinte der Richter mit etwas leiserer Stimme und einem vertrauten Nicken des rechten Augenlids.
„Oh, meinetwegen auch drei“, schmunzelte Patrick, und der Mann des Gesetzes nahm seine Rechnung wieder auf:
„Also 1410, und 50 D. Fürs Dolmetschen, sind gerade zusammen 1460 D., Patrick, sagt einmal dem José Tonsuras oder Tonjuras, wie er heißt, dass ihn die Court zu 1460 Dollars Strafe verurteilt hat, und zwar 1260 für den Kläger, 100 für Courtgebühren, 50 für Sheriff und 50 für Dolmetschen – 1660 zusammen.“
„1460“ erinnerte Patrick.
„1460? – ja das ist recht, 1460 – nun es kommt auf eine Kleinigkeit nicht an. Die Summe ist übrigens in Zeit von drei Stunden zu entrichten.
José war leichenblaß geworden, und konnte kaum die Zeit abwarten, dass ihm der Spruch übersetzt war, als er aufstand und dagegen protestiren wollte; Judge |95| Reynolds war aber nicht der Mann, der sich in einem einmal gethanen Spruch irre machen ließ.
„Patrick“ rief er diesem zu, „sagt dem Mann einmal, dass er, wenn ihm sein Geldbeutel lieb ist, sein Maul halten soll. Herunter disputiren kann er gar nichts mehr, nur noch hinauf, und ich glaube kaum, dass ihm daran gelegen ist. Macht ihm übrigens auch noch nebenbei bemerklich, dass der Sheriff seine sämmtlichen Maulthiere hinter dem Hause hat – wie Sheriff?“ – Dieser nickte bejahend, und der Richter fuhr, „und dass die, wenn das Geld nicht in drei Stunden hier ist, heute Nachmittag dem Sheriff verkauft werden – verstanden ? Wer nachher dabei zu kurz kommt, wird José schon wissen – ein Nicken ist gerade so gut wie ein Wink für ein blind Pferd.“
José erbot sich jetzt in letzter Verzweiflung, denn er sah wohl, dass er hier vollständig in der Falle saß, bis in acht Tagen wenigstens die Mehrzahl der Maulthiere wieder an Ort und Stelle zu liefern. Judge Reynolds sagte aber nur kurz zu Patrick:
„Habt ihr dem Manne alles ordentlich verspanischt, was er wissen soll?“
„Alles, your honor.“
„All right then, in drei Stunden die landesübliche Münzsorte oder – Auction – und damit stand |96| er auf, machte eine graziöse Bewegung mit der Hand gegen Kläger und Verklagten und sagte: „die Court ist aufgehoben. Jenkins, kommen Sie, wir wollen einmal gegenüber gehen und einen nehmen, ich bin ganz trocken im Halse geworden.“
Drei Stunden später stand José Tonjuras mit vollem Geldbeutel und betrübtem Gesicht am Tische des Richters und zahlte diesem die ihm auferlegte Summe. Er wußte recht gut, dass ihm weiter gar kein Mittel blieb; der Richter hätte ihm das letzte Maulthier aus der Fenz verauctioniren lassen, und Maulthiere hatten gerade in dem Augenblick keinen besonders guten Preis. Judge Reynolds strich aber, jetzt ohne Dolmetscher, das Geld mit sehr wohlgefälligem Antlitz ein und sagte, als der Spanier etwas niedergeschlagen Abschied nahm, indem er das Geld in seinen Tischkasten einschloß, das einzige spanische Wort, was er wahrscheinlich wußte, „Mucho gracias,“ (Muchas gracias!)
San Francisco, um 1875 - kolorierter Stahlstich