Über Robert Ervin Howard (1906 – 1936) muss man nicht viel sagen; es gibt wohl kaum einen anderen Verfasser von Pulp Fiction, der so gründlich erforscht wurde wie der Texaner, auf den sich im Bereich der Fantasy viele spätere Autoren als Inspiration und Vorbild berufen haben. Im deutschsprachigen Raum überwiegend als Erfinder von „Conan“ bekannt, hinterließ er tatsächlich auch im Western-Genre Spuren, insbesondere mit den humoristischen Geschichten um Breckinridge Elkins, die seit 1934 im Magazin „Action Stories“ erschienen und so gut ankamen, dass andere Verlage wegen ähnlicher Geschichten bei Howard anfragten.
Dies führte dazu, dass er sich Pike Bearfield (für das Magazin „Argosy“) und Buckner J. Grimes ausdachte. Zu seinen Lebzeiten erschien allerdings nur eine einzige der von diesen Figuren handelnden Geschichten, nämlich die hier präsentierte, deren Original sein Agent Otis Kline Ende Dezember 1934 von Howard erhalten und Anfang 1936 für $ 55 (was heutzutage $ 1.250 entspricht) an den Verlag Street & Smith verkauft hatte. Veröffentlicht wurde sie in der Juni-Ausgabe von „Cowboy Stories“ (Vol. 29, No. 6), die acht Tage vor Howards Tod auf den Markt kam. Acht Tage nach seinem Tod wurde sie mit einer Ausnahmegenehmigung des Verlags im „The Cross Plains Review“, der Zeitung seines Heimatortes, nachgedruckt.
Spanische, italienische und französische Versionen der Story gibt es bereits – und nun endlich auch eine deutsche.
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Ich bin ein friedfertiger Mensch und halte mich an die Gesetze, soweit es mir, ohne mich zu überanstrengen, möglich ist. Und es ärgert mich immer, wenn ein Fremder hinter einem Felsen hervorkommt und brüllt: „Bleib’ da stehen, bevor ich dir deinen dummen Schädel wegpuste!“
Nachdem mir das passiert war, blieb ich still auf dem Pferd meines Bruders Bill sitzen, denn das ist das Beste, was man tun kann, wenn ein Kerl mit einem gespannten .45er mitten auf deine Brust zielt. Dieser Kerl war ein gemein aussehender hombre in einem verschwitzten Hickory-Hemd mit Messingnieten in seinem ledernen Hutband, und er hatte eine Rasur nötig.
Er sagte: „Wer bist du? Wo kommst du her? Wo willst du hin? Was hast du vor, wenn du da ankommst?“
Ich sagte: „Ich bin Buckner J. Grimes aus Knife River, Texas, und ich bin auf dem Weg nach Kalifornien.“
„Ach, und warum bist du nach Süden abgebogen?“ fragte er.
„Ist das hier nicht der Weg nach Piute?“ erkundigte ich mich.
„Nein, ist er nicht“, antwortete er. „Piute liegt genau westlich von hier.“
Mit einem Mal hielt er inne und schien zu überlegen, obwohl die Mündung seiner Pistole sich kein bisschen bewegte. Ich hatte sie wie ein Falke im Blick.
Es dauerte nicht lange, und er zeigte eine Art von unechtem Grinsen, von dem ich denke, dass er es als ein Lächeln verstanden wissen wollte, und sagte: „Tut mir leid, Fremder. Ich habe dich für jemand anderen gehalten. War nur ein Versehen, war nicht bös’ gemeint. Dieser Weg hier, der nach Westen, der geht nach Piute. Der andere geht nach Süden zu meinem Claim. Ich habe dich für einen von diesen gewissenlosen Claimräubern gehalten.“ Er senkte seine Pistole, steckte sie, wie mir auffiel, aber nicht zurück in das Halfter.
„Ich wusste nicht, dass es in Arizona Claims gibt“, sagte ich.
„Oh doch“, sagte er. „Die Wüste ist richtig voll davon. Zum Beispiel“, sagte er, „habe ich gerade ein Stück Quarz in meiner Tasche, das vor reinem Erz nur so strotzt. Steig’ ab“, sagte er und kramte dabei in seiner Tasche, „und ich zeig’s dir.“
Tja, ich wollte unbedingt einmal Erz sehen, denn Pap hatte mir gesagt, dass ich es in Kalifornien wahrscheinlich zu Reichtum bringen würde. Er sagte, ein Blödmann habe von Natur aus mehr Glück als Verstand, und für den Fall, dass ich auf Erz stoßen sollte, wollte ich wissen, wie es aussieht. Also kletterte ich von Bruder Bills Pferd herunter, und der Fremde holte etwas aus seiner Tasche, aber als er es mir entgegenstreckte, rutschte es ihm aus der Hand und fiel zu Boden.
Natürlich bückte ich mich, um es aufzuheben, und als ich das tat, machte es plötzlich bumm!, und ich sah eine Million Sterne. Zuerst dachte ich, ein Felsbrocken wäre auf mich gefallen, aber fast gleichzeitig wurde mir klar, dass der Fremde mir mit dem Lauf seiner Pistole auf den Kopf geschlagen hatte.
Der Hieb ließ mich taumeln, aber ich hätte nicht so stürzen müssen, wie ich es tat. Instinktiv ließ ich mich auf die Seite fallen, kippte auf den Rücken und blieb still liegen. Meine Augen hielt ich soweit geschlossen, dass er nicht erkennen konnte, dass ich ihn durch schmale Schlitze beobachtete. Unmittelbar nachdem er mich getroffen hatte, hob er schnell seine Waffe, um mich zu erschießen, falls ich nicht umfallen sollte, aber er fiel auf meinen vorgetäuschten Sturz herein.
Er sah verächtlich auf mich herab und bildete sich viel zu viel auf seine Schlauheit ein, als dass er bemerkt hätte, dass ich meine schlaffe Hand auf einen Felsbrocken von der Größe einer Melone gelegt hatte, und er sagte laut zu sich selbst: „Noch ein Idiot aus Texas! Häh!“ sagte er. „Glaubst du, ich lasse dich nach Piute weiterreiten, damit du denen erzählen kannst, dass man dich davon abgehalten hat, weiter nach Süden zu reiten, und die Teufel da vielleicht eine Ahnung davon kriegen, was hier vor sich geht? Ganz bestimmt nicht. Ich werde auch kein Stück Blei für dich verschwenden. Ich denke, ich werde dir einfach mit meinem Bowiemesser die Kehle durchschneiden.“
Mit diesen Worten schob er seine Pistole ins Halfter zurück, zog sein Messer aus seinem Stiefel, bückte sich und fing an, an meinem Halstuch herumzufummeln. Also haute ich ihm mit Vergnügen und Wucht meinen Felsbrocken über die Birne. Dann stieß ich seinen schlaffen Kadaver von mir und stand auf.
„Wenn du so wie ich in Texas aufgewachsen wärst“, sagte ich mehr traurig als wütend zu dem besinnungslosen Flegel, „dann wüsstest du, dass, wenn ein Mann umfällt, das nicht unbedingt bedeutet, dass er außer Gefecht ist.“
Er sagte nichts, denn er war außer Gefecht. Das Blut sickerte aus der tiefen Platzwunde auf seinem Kopf, und ich wusste, dass es Stunden dauern würde, bis er wieder zu sich kam, und vielleicht Tage, bis er sich an seinen eigenen Namen erinnern würde.
***
Ich bestieg Bruder Bills Pferd, das ich den ganzen Weg von Texas her geritten hatte, weil es besser war als meins, und ich hielt inne und grübelte. Genau dort zweigte ein schmaler Weg von der Hauptstraße ab und bog durch eine tiefe Spalte in den Klippen nach Süden ab, und der Fremde hatte dort an der Biegung gelauert.
Hmm, dachte ich, irgendetwas geht da diesen Weg hinunter nicht mit rechten Dingen zu, warum sonst hätte er mich aufhalten sollen, als er dachte, ich würde da entlang weiterreiten? Ich war gar nicht auf dem Weg nach Süden. Ich hatte nur angehalten, um dem Pferd meines Bruders Bill im Schatten der Klippen eine Ruhepause zu gönnen, und dieser Wegelagerer dachte einfach nur, ich würde abbiegen. Das ist ein Zeichen für böse Absichten. Als er dann überzeugt war, dass ich nicht nach Süden reiten wollte, wollte er mir die Kehle durchschneiden, damit ich den Leuten in Piute nicht berichten konnte, dass er mich angehalten hatte. Und er hatte über den Claim gelogen. Er hatte kein Stück Quarz; das Ding, das er aus seiner Tasche gezogen hatte, war ein Messingknopf.
Tja, natürlich bin ich auf den Weg nach Süden abgebogen, um zu erfahren, warum er nicht wollte, dass ich das tue. Ich bewegte mich sehr vorsichtig und hielt meine Pistole in der rechten Hand, weil ich nicht wieder überrumpelt werden wollte. Mir kam der Gedanke in den Sinn, dass er vielleicht von der Posse eines Sheriffs gejagt wurde. Das ging mich zwar nichts an, aber Pap sagte immer, meine Neugierde würde mich noch ins Verderben stürzen.
Ich ritt ungefähr eine Meile weiter, bis ich zu einer Stelle kam, wo der Weg über einen auf beiden Seiten von dichtem Dickicht gesäumten Bergsattel hinauf führte. Ich verließ den Pfad und quetschte mich durch das Dickicht, um zu sehen, was sich auf der anderen Seite des Kamms befand. In der Gegend um Knife River herum wartete regelmäßig jemand darauf, jemand anderen zu erschießen.
Ich blickte in eine große Mulde hinunter, und in der Mitte war eine große Ansammlung von Felsbrocken, größer als ein Haus. Ich sah einige Pferde, die zum Teil hinter diesen Felsbrocken hervorlugten, und ein Pferd, das ein Stückchen weiter unter einem Baum angebunden war. Er war ein Pinto von sehr heller Farbe mit silberbeschlagenem Zaumzeug und Sattel. Ich sah, wie das Sonnenlicht auf den Beschlägen funkelte.
Ich wusste, dass die Männer sich auf der anderen Seite dieser Felsen befinden mussten, und ich zählte neunzehn Pferde. Neunzehn Männer waren eine ganze Menge, um mich mit ihnen anzulegen, falls sie sich Fremden gegenüber als feindselig erwiesen. Und ich hatte reichlich Grund zu der Annahme, dass sie es wahrscheinlich tun würden. Also entschloss ich mich, den Rückzug anzutreten.
Wie auch immer, wahrscheinlich waren diese Männer nur gerade dabei, Kühen, die einem anderen gehörten, neue Brandzeichen aufzudrücken, oder sie besprachen die Einzelheiten eines Postkutschenüberfalls oder irgendeine andere private Angelegenheit dieser Art, was nur sie und sonst niemanden etwas anging. Also machte ich kehrt und ritt zurück bis zur Weggabelung.
Als ich an dem Fremden vorbeikam, den ich mit dem Felsbrocken niedergestreckt hatte, war er immer noch bewusstlos, und ich fragte mich schon, ob er jemals wieder zu sich kommen würde. Aber auch das ging mich nichts an, also schleifte ich ihn einfach unter die Büsche, wo er im Schatten liegen würde, falls er zu sich kam, und dann ritt ich weiter Richtung Westen. Ich schätzte, dass es bis Piute nicht mehr als ein paar Meilen sein könnten, und ich bekam langsam Durst.
Und tatsächlich, nach ein paar Meilen stieß ich auf die besagte Stadt, die auf einer auf allen Seiten von Hügeln umgebenen Ebene in der Sonne brutzelte – gerade einmal eine Ansammlung von Adobehäusern mit mexikanischen Frauen und Kindern überall, dazu Hunde, ein Laden, ein kleines Speiselokal und ein großer Saloon. Es war kurz nach Mittag und heißer als in der Hölle.
Ich band Bruder Bills Pferd neben den anderen dort bereits angebundenen Pferden im Schatten des Saloons an das Haltegeländer und ging selbst in den Saloon. Dort gab es einen recht langen Tresen und Männer, die an ihm tranken, während andere an Tischen Poker spielten.
Ich kam zu dem Schluss, dass es nicht sehr üblich war, dass ein Fremder nach Piute kam, denn als ich hereinkam, stellten alle ihre Whiskygläser ab oder legten ihre Karten auf die Tische und starrten mich mit ausdruckslosen Gesichtern an, und ich wurde nervös und trank fünf oder sechs kleine rote Schnäpse, um zu überspielen, wie unwohl ich mich fühlte.
Es wurde unruhig mit den Stiefeln auf dem Fußboden gescharrt, es wurde auf den von Sägemehl bedeckten Boden gespuckt, und Männer zupften an ihren Schnurrbärten, und ich fragte mich, ob ich mir meinen Weg aus dieser Bude würde freischießen müssen. Was ist das hier bloß für eine Gegend!
Genau in diesem Moment kam ein Mann an die Bar geschlendert, und die Männer, die an der Bar tranken, drängten sich irgendwie um mich und ihn herum, und ein paar von denen, die pokerten, erhoben sich von ihren Tischen und machten sich gemächlich auf den Weg, um sich hinter mich zu stellen, was ich zu verhindern wusste, indem ich mich schnell umdrehte und mich mit dem Rücken an den Tresen lehnte. Dieser Kerl war fast so groß wie ich und deutlich schwerer. Er hatte einen großen Schnurrbart wie ein Walross.
„Wer sind Sie?“ erkundigte er sich misstrauisch.
„Ich bin Buckner J. Grimes“, sagte ich geduldig. „Ich komme aus Texas und bin nur auf der Durchreise. Ich bin auf dem Weg nach Kalifornien.“
„Wofür steht das Jot?“ fragte er.
„Jeopardy“, sagte ich.
„Was bedeutet das?“ wollte er als nächstes wissen.
„Das weiß ich nicht“, gestand ich. „Es stammt aus einem Buch. Ich denke, es bedeutet etwas, das mit einem Gepard zu tun hat.“
„Und was ist bitteschön ein Gepard?“ fragte er.
„Das ist ein Tier mit Flecken wie ein Panther“, sagte einer der Männer. „Ich hab’ ’mal einen in einem Zirkus in Santa Fe geseh’n.“
Der große Kerl ließ sich das eine Weile durch den Kopf gehen, und dann sagte er, dass er einen ausgäbe, also tranken wir alle.
„Kennen Sie Swag McBride?“ fragte er schließlich.
„Ich habe noch nie von ihm gehört“, sagte ich. Alle beobachteten mich, als er mich das fragte, und einige von ihnen hatten ihre Hände an ihren Pistolen. Aber als ich sagte, dass ich ihn nicht kenne, entspannten sie sich etwas und gingen wieder zurück, um Poker zu spielen und Alkohol zu trinken. Ich nehme an, sie haben mir geglaubt. Pap sagte immer, ich hätte ein ehrliches Gesicht. Er sagte, jeder könne sehen, dass ich nicht genug Verstand hatte, um mir eine Lüge auszudenken.
„Setzen Sie sich“, sagte der große Mann, ließ seine massige Gestalt schwerfällig auf einen Stuhl sinken und tauchte seinen Schnurrbart in einen Krug mit Bier. „Ich bin Navajo Beldon. Ich bin der Boss von Piute und der ganzen umliegenden Gegend, und lassen Sie sich von niemandem etwas anderes erzählen. Entweder ist jemand für mich oder er ist gegen mich, und wenn er gegen mich ist, ist er für Swag McBride und hat in dieser Stadt rein gar nichts verloren.“
„Wer ist Swag McBride?“ fragte ich.
„Eine Kreuzung zwischen einer Klapperschlange und einem Stinktier“, sagte Beldon und nahm einen Schluck Bier. „Aber sagen Sie nicht ,Stinktier‘ in seiner Gegenwart, es sei denn, Sie wollen umgelegt werden. Als die Vigilanten ihn aus Nevada vertrieben, banden sie ihm einen toten Skunk um den Hals, als Zeichen ihrer Verbundenheit und ihres Respekts, und jagten ihn so ausstaffiert davon. Seitdem sind Stinktiere ein wunder Punkt für ihn. Wenn jemand in Hörweite von ihm ein Stinktier auch nur erwähnt, empfindet er das als persönliche Beleidigung und reagiert dementsprechend. Er zieht blitzschnell seine Pistole, und als die Seelen verteilt wurden, hat die Natur völlig vergessen, ihm eine zu geben. Er regierte diese Stadt, bis ich beschloss, sie zu übernehmen.“
Er wischte sich mit dem Handrücken über seinen Schnurrbart und sagte: „Wir hatten letzte Woche eine Auseinandersetzung, und die Einwohnerzahl ist plötzlich und nicht unerheblich gesunken. Aber wir haben diese Ratten in die Berge getrieben, wo sie sich seitdem herumtreiben, wenn sie das Land nicht schon ganz verlassen haben.“
Ich dachte an die Kerle, die ich oben in den Bergen gesehen hatte, aber ich sagte nichts. Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem den Mund zu halten eine Kunst ist, die jeder beherrscht, der ein hohes Alter erreichen möchte.
„Diese Gegend hier braucht eine Art Boss“, sagte der Mann, der sich Navajo nannte, und schenkte mir einen Drink ein. „Hier gibt es kein Gesetz, und jemand muss die Dinge in die Hand nehmen. Ich bin kein Heiliger, aber ich bin ein viel besserer Mensch als Swag McBride. Wenn Sie das nicht glauben, fragen Sie ruhig die Bürger von Piute. Das Leben eines Mannes ist hier sicher, wenn ich das Sagen habe, solange er seine Nase nicht in meine Angelegenheiten steckt, und eine Frau kann auf die Straße gehen, ohne von einem Raufbold belästigt zu werden. Ganz ehrlich, wenn ich Ihnen einiges von dem erzählen würde, was McBride und seine Teufel hier angestellt haben —“
„Jetzt sieht alles ziemlich friedlich aus“, gab ich zu.
„Ist es auch, solange ich die Zügel in der Hand halte“, sagte Beldon. „Sagen Sie, hätten Sie Lust, für mich zu arbeiten?“
„Als was?“ fragte ich.
„Es ist so“, sagte er, „ich habe neben meinen Interessen in Piute auch eine Menge Vieh. Die Männer, die Sie hier sehen, sind natürlich nicht alle Jungs, die für mich arbeiten. Eine Gruppe ist im Moment in der Nähe vom Eagle River und treibt eine Herde von der Grenze herauf, was nicht so schrecklich weit weg ist von Ihnen, wissen Sie.“
„Sie kaufen Rinder in Mexiko?“ fragte ich.
„Sagen wir so“, sagte er, „ich hole ziemlich viele Stiere von der anderen Seite der Grenze. Ich brauche Männer, die die ganze Zeit aufpassen und verhindern, dass die Greaser ’rüberkommen und klauen, was ich mir geholt habe. Was ist los?“
Von draußen war lautes Hufgetrappel zu hören, und eine Stimme rief laut: „Beldon! Beldon!“
„Wer ist das?“ wollte Beldon wissen. Er mühte sich von seinem Stuhl und packte seine Pistole.
„Das ist Richards!“ rief einer der Männer an, der mit einem Gewehr in der Hand aus dem Fenster schaute. „Er kommt den Weg von Süden in einem Tempo ’rauf, als ob der Teufel hinter ihm her ist.“
Beldon machte sich schwerfällig auf den Weg zur Tür, doch da kam das Pferd schon zwischen aufgewirbelten Kieselsteinen am Rand des Vordaches zum Stillstand, und ein Mann, völlig verschwitzt und von Staub bedeckt, stürmte herein.
„Was ist denn mit dir los, Richards?“ wollte Navajo wissen.
„Die Greaser!“ keuchte Richards. „Heute Morgen haben wir eine Herde von Diego González’ Rindern über die Grenze getrieben, und weißt du, was passiert ist? Wir waren kaum wieder zurück über die Grenze, als seine verdammten Vaqueros uns überholten und jeden Mann außer mir abgeknallt und die Stiere wieder nach Hause getrieben haben!“
„Was?“ brüllte Navajo, und die Enden seines Schnurrbarts zitterten in gerechtem Zorn. „Herrje, diese diebischen feigen Stinktiere! Haben die denn keinen Respekt vor Gesetz und Ordnung? Wo kommen wir denn da hin? Gibt es denn außer mir keine ehrlichen Männer mehr? Glauben die, dass sie so mit mir umspringen können? Glauben die, dass wir zu unserem Vergnügen im Rindergeschäft sind? Glauben die, dass sie uns auf die Füße treten können, nachdem wir keine Kosten und keine Mühen gescheut haben, diese Stiere selbst zu stehlen?“ Er holte Luft.
„Donnelly, nimm deine Männer und mach’ dich auf die Socken! Ich werde diesen Greasern zeigen, dass sie nicht mein Viehzeug stehlen und damit durchkommen können. Du holst die Viecher zurück und wenn du ihnen bis direkt in Diegos patio hinterherreiten musst – und puste ihm seine diebische Seele aus seinem Kopf!“
Der Kerl, den er Donnelly nannte, stand auf und sagte seinen Männern, sie sollten mitkommen. Sie nahmen noch einen Drink an der Bar, zogen ihre Revolvergurte fest und stapften in Richtung des Haltegeländers hinaus. Richards begleitete sie, um ihnen den Weg zu zeigen.
„Wollen Sie nicht mitgehen?“ fragte mich Navajo und schnaubte immer noch vor Empörung. „Die Jungs brauchen vielleicht Hilfe, und an der Art und Weise, wie Sie Ihre Waffen tragen, kann ich sehen, dass Sie wissen, wie man damit umgeht. Ich werde Sie gut bezahlen.“
Wenn es etwas gibt, das ich verachte, dann ist es ein verdammter Dieb, also sagte ich zu Beldon, dass ich mitgehen und helfen würde, sein Eigentum zurückzuholen. Als ich ging, brüllte er den kahlköpfigen alten Barkeeper und dessen Gehilfen, einen Mexikanerjungen, die als einzige im Saloon übriggeblieben waren, an und beklagte sich bitterlich.
***
Richards war mit seinem Sattel auf ein frisches Pferd gewechselt, und als wir losritten, warf ich einen Blick auf das Pferd, mit dem er hergeritten war. Es war ein Pinto, und mir kam es so vor, als hätte ich ihn schon irgendwo einmal gesehen, aber es fiel mir nicht ein. Er war so verschwitzt und voller Staub, dass er fast nicht mehr zu erkennen war.
Auf dem staubigen Weg ritten wir zu neunt oder zehnt, Richards vorneweg, nach Süden, und waren bald außer Sichtweite von Piute. Die Kerle legten ein Tempo vor, als läge Mexiko gleich hinter dem nächsten Hügel, aber die Meilen vergingen, und ich kam zu dem Schluss, dass sie einfach gedankenlose, verdammte Idioten waren. Ich versuchte dauernd, mich zu erinnern, wo ich diesen Pinto von Richards gesehen hatte, und plötzlich fiel es mir wieder ein.
Vor uns verlief der Weg hinunter in ein Gewirr von Klippen und Canyons, und Richards war dem Rest von uns weit voraus. Er drehte sich um und gab uns ein Zeichen, dass wir uns beeilen sollten, und als er sich umdrehte, wurden die Sonnenstrahlen von den silbernen Beschlägen an seinem Sattel und dem Zaumzeug zurückgeworfen, und die Erinnerung traf mich wie ein Blitz — mir fiel wieder ein, wo ich diese Beschläge gesehen hatte und wo ich diesen Pinto gesehen hatte. Es war das Pferd, das ich in der Nähe der großen Felsen östlich von Piute angebunden gesehen hatte.
Unwillkürlich ließ ich Bruder Bills Pferd auf die Hinterhand steigen. Der Rest der Bande stob davon, ohne es zu bemerken, aber ich saß da und dachte nach. Wenn Richards bei dieser Bande im Osten gewesen war, wie konnte er dann bei der Gruppe gewesen sein, die das Vieh südlich von Piute über die Grenze getrieben hatte? Er war aus Richtung Süden nach Piute gekommen, aber was hätte ihn daran hindern sollen, quer durch die Hügel zu reiten, um von da kurz vor der Stadt auf diesen Weg zu stoßen? Richards hatte Beldon angelogen, und Beldon hatte gesagt, wenn ein Mann nicht für ihn war, dann war er für McBride.
Auf einer Anhöhe zog ich die Zügel an und starrte nach Osten, und schon bald sah ich, was ich erwartet hatte: eine Staubwolke, die sich von Südosten nach Nordwesten bewegte, in Richtung Piute. Ich wusste, was diesen Staub aufwirbelte: Männer auf Pferden, die äußerst schnell ritten.
Nach Süden hielt ich Ausschau nach Donnelly und seinen Männern. Sie verschwanden gerade in einem tiefen Hohlweg mit steilen Wänden auf beiden Seiten aus meinem Blickfeld. Ich schrie, aber sie hörten mich nicht. Richards war ihnen um ungefähr hundert Meter voraus und war bereits durch den Hohlweg hindurch und außer Sichtweite. Sie galoppierten alle in den Hohlweg und waren nicht mehr zu sehen. Und dann hörte es sich an, als ob alle Schusswaffen im südlichen Arizona auf einmal losgingen. Ich riss mein Pferd herum und ritt so schnell, wie Bruder Bills Pferd nur laufen konnte, Richtung Piute.
Der Staub am Horizont verschwand hinter einem großen Felsbrocken, der himmelhoch aufragte. Dann hörte ich nach einer Weile vor mir plötzlich Schüsse knallen und etwas, das wie das Schreien einer Frau klang, und dann herrschte wieder Stille.
Vor mir führte der Weg um eine Biegung, die mich in Sichtweite von Piute bringen würde. Ich verließ den Weg und ritt in das Dickicht hinein. Bruder Bills Pferd schnaubte und zitterte, es war fast am Ende. In der Stadt war es furchtbar ruhig — keine Menschenseele war zu sehen, und alle Türen waren geschlossen. Ich machte einen Bogen um das Kaff, band Bills Pferd in einem Gebüsch hinter dem Saloon an und schlich mit meinen Pistolen in den Händen zur Hintertür.
Am Haltegeländer waren keine Pferde angebunden. Alles war erschreckend ruhig, bis auf die Fliegen, die um die Blutlachen auf dem Boden schwirrten. Der alte Barkeeper lag quer über dem Tresen, immer noch mit einer Pistole in der Hand. Er war mit Blei vollgepumpt. Sein Mexikanerjunge lag zusammengesackt in der Nähe der Tür. Sein Kopf war gespalten — es sah aus, als wäre er mit einer Axt erschlagen worden. Ein Fremder, den ich noch nie gesehen hatte, lag ausgestreckt im Staub vor dem Vordach, mit einem Einschussloch in seinem Schädel. Er war ein großer, dunkler, hart aussehender Bursche. Ein Revolver mit einer einzigen leeren Kammer lag neben seiner rechten Hand.
Ich nahm an, sie hätten Navajo Beldon lebend gefangen genommen. Seine Leiche war nirgends zu sehen, und außerdem waren alle Tische und Stühle zerbrochen, genau wie ich mir vorgestellt hatte, dass es aussehen würde, nachdem es einem Haufen Männer gelungen war, Beldon an Händen und Füßen zu fesseln. Das wäre ein Vorhaben, nach dem jeder Saloon in Trümmern liegen würde. Auf dem Boden lagen leere Patronenhülsen, ein zerbrochenes Messer, Knöpfe, die vom Hemd eines Mannes abgerissen waren, ein plattgeschlagener Hut und ein Notizbuch – Sachen, wie sie in einem allgemeinen Durcheinander verstreut werden.
Ich hob das Notizbuch auf, und oben auf der ersten Seite stand geschrieben: „Swag McBride schuldet mir 100 Dollar für den Überfall auf Braxtons Ranch.“
Ich steckte es in meine Tasche, aber ich brauchte keine Beweise, um zu wissen, wer Piute überfallen hatte.
***
Ich schaute vorsichtig in die Stadt. Niemand war zu sehen, und alle Türen und Fenster waren geschlossen. Dann war plötzlich ein Gepolter von Pferdehufen zu hören, und ich sprang aus dem Türrahmen zurück ins Innere und schaute durch ein Fenster. Sieben Männer auf Pferden, die von einem Weg kamen, der sich durch die Dickichte hinter der Stadt schlängelte, preschten in das Dorf, aber sie hielten nicht an.
Mit Gewehren in ihren Händen galoppierten sie den Weg nach Süden hinunter. Sie schauten nicht zum Saloon hinüber, und niemand steckte seinen Kopf aus einem Haus, um ihnen von mir zu erzählen, obwohl irgendjemand mich gesehen haben musste, als ich mich in die Stadt geschlichen hatte. Offensichtlich verhielten sich die Einwohner strikt neutral, was klug ist, wenn zwei Banden sich gegenseitig abschlachten — falls man die Möglichkeit hat.
Sobald die Reiter aus der Stadt heraus waren, rannte ich durch den Saloon zurück und eilte den Hügel hinauf, parallel zu dem Weg, den sie heruntergekommen waren. Wer sagt, dass mich das alles nichts anging? Beldon hatte mich engagiert, und ich wäre kein anständiger Mann gewesen, wenn ich ihn im Stich gelassen hätte.
Ich war noch nicht weit gegangen, als ich Männer reden hörte — zumindest hörte ich einen Mann reden. Es war Beldon, und er brüllte wie ein Stier.
Eine Minute später kam ich zu einer Blockhütte, die vollständig von Bäumen umgeben war. Fünf Pferde waren draußen angebunden. Das Gebrüll kam aus der Hütte, und ich konnte jemand anderen in einem hämischen, spöttischen Tonfall sprechen hören. Ich schlich mich an das hintere Fenster und spähte hinein. Mir war bewusst, dass ich mein Leben riskierte. Aber das Fenster war mit Brettern vernagelt, und ich spähte durch einen Spalt.
Durch die Ritzen fiel allerdings viel Licht hinein, und ich sah Beldon, dem Blut aus einer Risswunde in seiner Kopfhaut sickerte, auf einem geborstenen Stuhl neben einem staubigen alten Tisch sitzen. Er sah aus wie ein Grizzlybär, der in eine Falle getappt war. Vier weitere Männer standen auf der anderen Seite des Tisches, zwischen ihm und der Tür, und hielten ihre Waffen auf ihn gerichtet. Einer von ihnen war furchtbar groß und schlaksig und flink in seinen Bewegungen, wie ein Berglöwe. Er kämmte seinen lang herabhängenden Schnurrbart mit einer Revolvermündung, während er die andere in Beldons Ohr steckte und herumdrehte, bis Navajo einen schrecklichen Fluch ausstieß.
„So so!“ sagte dieser Mann. „Boss von Piute! Ha! Ein guter Boss bist du. Der erste und größte Fehler, den du gemacht hast, war, Richards zu vertrauen. Er war ganz begeistert, dich zu verraten. Du dachtest, er wäre mit deinen Männern am Eagle River, oder nicht? Tatsächlich war er den ganzen Morgen bei mir in den Hügeln östlich von hier, während wir unsere Pläne geschmiedet haben, um dich zu kriegen. Er hat sich letzte Nacht am Eagle River von deinen Leuten weggeschlichen. Er hat dir die Lüge über das gestohlene Vieh aufgetischt, nur damit dafür gesorgt war, dass mir deine Männer nicht im Weg sind. Ich wusste, dass du jeden Mann losschicken würden, den du hattest. Du wirst sie nie wiedersehen. Richards wird sie in eine Falle in der Devil's Gorge führen, wo meine Männer ihnen einen Hinterhalt gelegt haben. Wahrscheinlich brutzeln sie jetzt schon in der Hölle. Die sieben Mann, die ich gerade losgeschickt habe, werden sich mit meinen übrigen Männern in der Devil's Gorge treffen und deine Mannschaft am Eagle River ausradieren. Ich mache das ganz gründlich, Beldon.“
„Ich krieg’ dich trotzdem, McBride“, versprach Beldon mit belegter Stimme, und unter seinem dichten Schnurrbart knirschte er mit den Zähnen. McBride kämmte seinen Schnurrbart sehr gewissenhaft. Ich fragte mich, warum sie Beldon lebend geschnappt hatten. Er war nicht einmal gefesselt. Ich sah, wie seine Finger sich auf dem Tisch verkrampften und zitterten. Ich wusste, dass er jeden Moment einen Fluchtversuch machen und niedergeschossen werden konnte, und ich war in einer Zwickmühle. Natürlich konnte ich durch das Fenster schießen und die meisten von ihnen erwischen, aber einem von ihnen würde es sicher gelingen, Beldon umzulegen.
Ich wusste sehr gut, dass sie ihn beim ersten Alarm durchlöchern würden. Ich wünschte, ich hätte eine Schrotflinte gehabt, denn dann hätte ich sie vielleicht alle mit einem einzigen Schuss erwischt — und wahrscheinlich Beldon gleich mit. Aber alles, was ich hatte, war ein Paar .45er und ein klarer Verstand. Wenn ich Beldon nur wissen lassen könnte, dass ich zur Stelle war, könnte er sich vielleicht eine List einfallen lassen und etwas Schlaues tun, um sich selbst zu helfen, anstatt einen Ausbruch zu versuchen und getötet zu werden, denn ich wusste, dass er das jeden Moment tun würde. Die Adern an seinem Hals schwollen an, sein Gesicht wurde rot, und seine Barthaare sträubten sich.
Auf einmal sagte McBride: „Ich lasse dich gehen und am Leben, wenn du mir sagst, wo du dein Geld versteckt hast. Ich weiß, dass du mehrere tausend Dollar hast.“
Deshalb also hatten sie ihn lebendig geschnappt. Ich hätte es mir vielleicht denken können. Aber die Erwähnung von Geld erinnerte mich an etwas, und das brachte mich auf eine Idee. Ich holte das Notizbuch heraus, das ich gefunden hatte, riss die erste Seite heraus und machte mich mit einem kurzen Bleistift, den ich in meiner Tasche hatte, an die Arbeit. Geschrieben habe ich nichts. Was ich tun wollte, war, Beldon eine Botschaft zukommen zu lassen, die er verstehen konnte, die aber für McBride keine Bedeutung hätte, falls er sie sehen sollte.
Mir fiel das Gespräch über einen Gepard wieder ein, als ich Beldon zum ersten Mal begegnet war. Daher zeichnete ich ein Bild von einem Tier, das wie ein Panther aussah. Aber ich konnte mich nicht erinnern, ob dieser Kerl aus Santa Fe gesagt hatte, dass ein Gepard Flecken oder Streifen hatte. Mir schien, als hätte er Streifen gesagt, also malte ich einen dicken Streifen auf den Rücken des Tieres. Beldon würde wissen, dass das Bild bedeutete, dass Buckner Jeopardy Grimes in der Nähe lauerte und bereit war, ihm bei der ersten Gelegenheit zu helfen, die sich mir bot. Und wenn er das wusste, würde er nichts Verwegenes tun.
Während ich damit beschäftigt war, dachte Beldon darüber nach, was McBride gerade zu ihm gesagt hatte. Er hatte kein größeres Verlangen nach einer Bleivergiftung als jeder Durchschnittsmensch, und er war eine dieser vertrauensseligen Kreaturen, die denken, dass jeder sein Wort hält. Es ist schwer zu glauben, ich weiß, aber es sah so aus, als wäre er tatsächlich überzeugt, dass McBride sein Wort halten und ihn gehen lassen würde, falls er ihm sagte, wo er seinen Zaster versteckt hatte.
Mich konnte McBride nicht täuschen. Ich wusste ganz genau, dass Beldon in dem Moment, in dem er es ihnen sagte, durchsiebt werden würde. Ich wusste, dass es McBride juckte, ihn umzubringen. Ich sah es daran, wie er seine dünnen Lippen verzog und wie seine Hand nervös zuckte, wenn er an seinem Schnurrbart zupfte. Ich las den Hunger eines Killers in seinen gelben Augen, in denen es wie bei einer Katze aufblitzte. Aber Navajo schien diese Zeichen nicht zu erkennen. Er war in gewisser Hinsicht furchtbar langsam im Denken.
McBride zupfte an seinem Schnurrbart und wollte gerade etwas sagen, als ich einen Kieselstein nahm und ihn über die Hütte warf, sodass er das Vordach traf und ein Geräusch machte. Sofort machten alle eine Kehrtwendung und schauten zur Tür, und ich warf mein zusammengeknülltes Stück Papier durch den Spalt zwischen den Fensterbrettern, sodass es direkt vor Beldon auf dem Tisch landete. Aber er sah es überhaupt nicht.
Er hatte sich halb aufgerichtet, als wäre er kurz davor, seinen Ausbruchsversuch zu machen, aber blitzschnell drehte sich McBride wieder um und hielt ihn in Schach. Er zog die Lippen so zurück, dass sich seine Zähne wie die Reißzähne eines Wolfs zeigten, und seine Augen waren wie feurige Schlitze. Wenn er nicht auf diesen Zaster aus gewesen wäre, den er haben wollte, hätte er Beldon auf der Stelle niedergeschossen. Ich sah, wie sein Finger am Abzug zitterte, und ich hatte ihn genau im Visier.
Aber er schoss nicht. „Ihr Idioten, haltet ihn in Schach! Ich sehe nach!“ bellte er.
Die anderen drei richteten ihre Waffen wieder auf Beldon, und der ließ sich mit einem Stoßseufzer auf seinen Stuhl zurücksinken. Sie waren ein hartes Trio — einer klein, einer groß, einer mit vernarbtem Gesicht. McBride schritt schnell zur Tür, riss sie mit einem Ruck auf und streckte seine Waffe hinaus.
„Hier draußen ist nichts“, schnaubte er. „Muss ein Specht gewesen sein.“
Ich schwitzte und zitterte wie Espenlaub vor Nervosität, während ich darauf wartete, dass Beldon das Papierknäuel direkt vor sich liegen sah, aber er bemerkte es einfach nicht. Er hatte nicht gesehen, wie es auf den Tisch gefallen war, und ein Papierknäuel hatte keine Bedeutung für ihn. Er konnte immer nur an eine Sache zur Zeit denken. Er hatte gute Nerven, und Männer mochten ihn; das war der einzige Grund, warum er es überhaupt zum Chef gebracht hatte.
McBride drehte sich um und stolzierte durch die Hütte zurück.
„Also“, sagte er, „sagst du mir jetzt, wo der Zaster ist?“
„Das muss ich wohl“, murmelte Beldon schwerfällig, und ich fluchte im Stillen bitter vor mich hin. Beldon war schon so gut wie tot. Alles, was ich tun konnte, war, anzufangen zu schießen und so viele von ihnen zu erwischen, wie ich konnte. Aber sie würden ihn sicher abknallen. Dann sah McBride das zusammengeknüllte Stück Papier. Er war nicht wie Beldon; er war aufmerksam und schnell im Denken. Ihm fiel ein, dass das Knäuel vor ein paar Minuten noch nicht dagewesen war. Er schnappte es sich.
„Was ist das?“ wollte er wissen, und mir sank das Herz glatt bis in meine Stiefelspitzen. Er würde nicht erkennen, was es bedeutete, aber es war für immer außerhalb von Beldons Reichweite.
McBride fing an, es glatt zu streichen.
„Aber“, sagte er, „da steht ja mein Name drauf, in deiner Handschrift, Joe.“
„Lass’ mich ’mal sehen“, sagte der große Bursche, stand auf und griff danach. Aber McBride hatte das Blatt ganz glatt gestrichen, und mit einem Mal wurde sein Gesicht rot vor Zorn. Eine Sekunde lang hätte man eine Stecknadel fallen hören können. McBride stand wie eine zu Eis erstarrte Statue, nur seine Augen waren lebendig, und sie glühten wie Höllenfeuer, während die anderen hombres ihn mit offenen Mündern anstarrten.
Dann stieß er ein Kreischen aus wie ein Berglöwe, warf Joe das Blatt Papier ins Gesicht, dann ruckte sein Revolver hoch und spuckte Feuer. Joe krachte zu Boden, wo er mit zuckenden Armen und Beinen liegen blieb. Die anderen beiden Kerle waren kreidebleich und blickten wild, aber der kleine sagte mit fast erstickter Stimme: „Himmelherrgott, McBride, das kannst du mit meinem Kumpel nicht machen!“
Sein Revolver ruckte hoch, aber McBrides Revolver hatte das erste Wort. Der Schuss aus Shortys Waffe fuhr in den Boden, und er brach zusammen und fiel auf Joe. In diesem Moment riss ich ein Brett vom Fenster ab und schoss „Narbengesicht“ durchs Ohr. McBride heulte vor Überraschung auf, und unsere Pistolen krachten gleichzeitig. Oder besser gesagt, ich schätze, meine tat es den Bruchteil einer Sekunde vor seiner, denn sein Stück Blei brachte nur mein Ohr ein bisschen zum Schwingen, während meines ihn tot zu Boden stürzen ließ.
Dann kletterte ich durch das Fenster in die Hütte, wo der blaue Rauch in Wolken waberte und die toten Männer regungslos auf dem Boden lagen. Wenn der Kampf ein Tornado gewesen wäre, der die Hütte getroffen hätte, hätte er nicht kürzer sein und nicht mehr Schaden anrichten können.
Beldon war geistesgegenwärtig genug gewesen, sich hinter den Tisch fallen zu lassen, als das Feuerwerk losging, und nun erhob er sich und starrte mich an, als würde er mich für einen Geist halten.
„Was zum Teufel?“ fragte er mit klarer Stimme.
„Wir dürfen keine Zeit verschwenden“, erklärte ich ihm. „Wir müssen in den Wald. Die sieben Männer, die McBride nach Süden geschickt hat, sind noch nicht außer Hörweite. Sie werden die Schüsse hören und zurückkommen. Denen wird klar sein, dass dieses ganze Geballer nicht nötig war, um Sie zu erledigen, deshalb werden sie zurückkommen und nachsehen.“
Er kam leicht schwankend auf die Beine, und ich sah, dass er eines seiner Beine nicht belastete.
„Ich habe mir beim Kampf den Knöchel verstaucht“, knurrte er. „Die waren in Piute und haben meinen Saloon gestürmt, bevor ich wusste, was los ist. Hilf mir, zurück zum Saloon zu kommen. Mein Zaster ist unter der Theke versteckt. Wenn alle meine Männer umgebracht worden sind, müssen wir da weg, und ich muss meinen Zaster holen. In einem Corral nicht weit weg vom Saloon sind Pferde.“
„In Ordnung“, sagte ich und hob das Papierknäuel auf, das ich durch das Fenster geworfen hatte, aber ohne mir die Zeit zu nehmen, um darüber zu diskutieren. „Dann los“, sagte ich, und wir machten uns auf den Weg.
Wenn jemand denkt, es wäre ein Kinderspiel, einem Mann von der Größe Navajo Beldons mit einem verstauchten Knöchel einen Bergpfad hinunterzuhelfen, dann ist er völlig loco. Er musste auf einem Bein hüpfen, und ich musste die Rolle seines anderen Beins übernehmen, und bevor wir die Hälfte des Weges nach unten hinter uns gebracht hatten, hätte ich ihn am Liebsten den Rest des Weges hinunter geworfen und mich aus der ganzen Angelegenheit verabschiedet. Aber das habe ich natürlich nicht getan.
***
Piute war genauso ruhig und leer wie zuvor — Köpfe tauchten ein Stück weit aus Türen auf, um uns anzustarren, und zuckten dann schnell zurück, und unter der heißen Sonne war alles still und atemlos.
Beldon fluchte, als er die toten Männer in der Bar sah, und er hörte sich krank an.
„Ich komme mir vor wie ein Stinktier“, sagte er, „so abzuhauen und Piute der Gnade dieser Teufel zu überlassen, die zu McBride gehört haben. Aber was kann ich anderes tun? Ich —“
„Pass’ auf!“ schrie ich, sprang von der Tür zurück und fing an, mit meinem Sechsschüsser zu feuern, denn das Getrappel von Hufen kam den nach Süden führenden Weg herauf, und die sieben Teufel aus McBrides Truppe kamen zurück in die Stadt gestürmt. Sie hatten mich schon gesehen, bevor ich schoss, und sie heulten wie Wölfe und kamen direkt auf uns zu.
Beim Knall meines Sechsschüssers flog einer von ihnen aus dem Sattel und blieb still liegen, dann machten sie einen Schwenk zur Seite und preschten hinter ein altes Adobehaus direkt gegenüber vom Saloon.
Beldon fluchte und besetzte mit einem Gewehr, das er aus der Hütte mitgebracht hatte, eines der Fenster, und ich übernahm das andere Fenster. Das alte Adobehaus, hinter dem sie in Deckung gegangen waren, hatte kein Dach, und die Mauer war teilweise eingestürzt, aber es war eine erstklassige Festung, und nach etwa einer Sekunde klatschte Blei gegen die Wände des Saloons, zerfetzte die Fenster und zerschmetterte Flaschen hinter der Bar, und als Beldon sah, wie sein Alkohol auf diese Weise verschwendet wurde, brüllte er wie ein Stier, dessen Schwanz im Tor eines Corrals eingeklemmt ist.
Sie hatten Schießscharten in die Adobemauern geschlagen. Alles, was wir sehen konnten, waren ab und zu Gewehrmündungen und die Spitzen ihrer Hüte. Natürlich schossen wir zurück, aber an der Heftigkeit ihrer Schimpfwörter erkannte ich, dass wir nicht mehr ausrichteten, als ihre Gesichter mit Staub einzudecken.
„Sie haben uns“, sagte Beldon verzweifelt. „Sie halten uns hier fest, bis der Rest von diesen Teufeln aufkreuzt. Dann greifen sie uns von drei oder vier Seiten gleichzeitig an und erledigen uns.“
„Wir könnten uns hinten ’rausschleichen“, sagte ich, „aber wir müssten zu Fuß gehen, und mit deinem Knöchel kämen wir nicht weit.“
„Geh’ du“, sagte er, visierte am Lauf seines Gewehrs entlang und feuerte ein weiteres Geschoss in die Adobemauer. „Mit mir ist es aus. Auf diesem lahmen Bein könnte ich nicht entkommen. Ich halte sie auf, während du dich wegschleichst.“
Da das zu lächerlich war, um darauf zu antworten, bewahrte ich ein würdevolles Schweigen und sagte nichts, außer dass ich ihn aufforderte, sich nicht wie ein Dummkopf zu benehmen.
Eine Minute später stöhnte er auf wie ein Büffelbulle mit Bauchschmerzen.
„Jetzt sind wir endgültig erledigt!“ sagte er. „Da kommt der Rest von ihnen!“
Und tatsächlich hörte ich das Trommeln von weiteren Hufen aus Richtung Süden, und das Schießen quer über die Straße hörte auf, als die Kerle lauschten. Dann stießen sie begeisterte Freudenschreie aus und begannen wieder in wilder Ausgelassenheit zu feuern.
„Ich habe nicht die Art von Leben geführt, wie ich es hätte tun sollen“, bedauerte Beldon. „Meine Tage waren voller Eitelkeit und Sünde. Die Früchte des Fleisches sind süß für die Zunge, Buckner, aber sie sind die Hölle für den Bauch. Ich wünschte, ich hätte mehr Aufmerksamkeit spirituellen Dingen geschenkt, und weniger darauf, meine Mitmenschen zu hintergehen — hörst du mir zu?“
„Halt die Klappe!“ sagte ich ärgerlich. „Da drüben ist ein Kerl, der immer wieder seinen Kopf hinter der Mauer ’rausstreckt, und wenn er das das nächste Mal tut, möchte ich gerne seinen Schädel durchlüften, wenn du mir nicht mit deinem Geschwätz mein Ziel verdirbst.“
„Zu einer Zeit wie dieser solltest du dich mit höheren Dingen befassen“, tadelte er. „Wir stehen an der Schwelle zur Ewigkeit, und das ist eine Zeit, in der du deine sündigen Taten bereuen solltest, so wie ich, und den Staub des Fleisches von deinen Füßen schütteln — Höllenfeuer und Verdammnis!“ brüllte er plötzlich und zog sich von seinem Platz hinter der Fensterbank hoch. „Das sind gar nicht die Männer von McBride! Das ist Donnelly!“
Die Kerle hinter der Adobemauer fanden das auch gerade heraus, aber es nützte ihnen nichts. Donnelly und sechs der Männer, die mit ihm losgeritten waren, jagten von hinten auf sie zu, und es waren noch weitere zehn Männer bei ihm, die ich nie zuvor gesehen hatte. Die sechs Männer hinter der Adobemauer rannten in Richtung ihrer Pferde, aber sie hatten keine Chance. Sie waren sich so sicher, dass es ihre Kumpel waren, dass sie nicht genau hingesehen hatten, und Donnelly und seine Jungs waren schon direkt hinter ihnen, als sie endlich ihren Irrtum erkannten.
Natürlich konnten wir nicht sehen, was hinter der Adobemauer geschah. Wir sahen nur, wie Donnelly und seine hombres das Adobehaus umkreisten, und dann hörten wir Schüsse krachen und Männer schreien. Aber bis ich über die Straße gelaufen und um die Ecke des Adobehauses gebogen war, war die McBride-Bande bereits Geschichte, und drei von Donnellys Männern lagen mit mehr oder weniger Blei im Leib am Boden.
„Tragt sie in den Saloon, Jungs“, sagte Donnelly, der selbst einen verletzten Arm in einem blutgetränkten Ärmel hatte. Das taten wir, während Navajo, der es auf seinem gesunden Bein bis zum Vordach geschafft hatte, brüllte und sein rauchendes Gewehr wie ein Zepter schwenkte.
„Legt sie auf den Fußboden und gebt ihnen was Alkoholisches zu trinken“, sagte Beldon. „Was zum Teufel ist passiert?“
„Richards hat uns in eine Falle geführt“, knurrte Donnelly und nahm selbst einen tiefen Schluck. „Sie haben Bill, Tom und Dick erwischt, aber ich habe Richards abgeknallt, als er sich in die Büsche schlagen wollte. Sie hätten uns alle niedergemacht, wenn diese Jungs nicht gewesen wären. Sie waren bei der Truppe am Eagle River, und als Richards letzte Nacht wegritt, wurden sie misstrauisch und sind ihm gefolgt. Sie waren knapp südlich von der Devil's Gorge, wo der Hinterhalt gelegt wurde, als sie die Schüsse hörten, und sie waren rechtzeitig da, um uns zu Hilfe zu kommen.“
„Und wenn Grimes nicht gewesen wäre“, knurrte Beldon, „wäre McBride jetzt der Boss von Piute. Was guckst du dir an?“
„Dieses Blatt hier“, sagte ich. „Ich versuche herauszufinden, warum ein Bild von einem Gepard McBride dazu gebracht hat, seine eigenen Männer umzulegen.“
„Zeig’ ’mal her“, sagte er, nahm es, sah es sich an und sagte: „Na, kein Wunder, verdammt noch ’mal! Da oben steht McBrides Name, über dem Bild. Er hat geglaubt, dass dieser Kerl, Joe, es gezeichnet hatte, um ihn zu beleidigen.“
„Aber das Bild von einem Gepard —“ protestierte ich.
„Deiner Meinung nach sollte es vielleicht ein Gepard sein“, sagte er, „aber für mich sieht es, verdammt nochmal, eher aus wie ein gestreiftes Stinktier, und ich schätze, das ist es, wofür McBride es gehalten hat. Ich habe dir ja erzählt, dass er durchgedreht ist, wenn das Thema Stinktiere angeschnitten wurde. Mach’ dir nichts draus; ein hombre, der so schnell mit dem Revolver ist wie du, braucht keine anderen Fähigkeiten. Wie wär’s mit einem festen Job bei mir?“
„Wozu?“ sagte ich. „Jetzt, wo die McBride-Bande vernichtet ist, wüsste ich nicht, was es in dieser Gegend für einen gesunden kräftigen Mann zu tun gibt. Außerdem sehe ich, dass hier niemand einen Sinn für Kunst hat. Ich reite weiter nach Kalifornien, wie Pap es mir gesagt hat.“
© für die deutsche Übersetzung: Reinhard Windeler, 2025
Anmerkungen des Übersetzers:
1) Ein wesentliches Element der Geschichte ist das Wortspiel mit „Jeopardy“ und „Jeopard“. Allerdings ist es etwas rätselhaft. „Jeopardy“ bedeutet – vom altfranzösischen „Jeu parti“ abgeleitet – „Gefahr“ bzw. „Risiko“. (Das Spiel mit diesem Namen kannte Howard selbstverständlich nicht, denn die so betitelte TV-Show wurde erst in den 1960er Jahren erfunden.) „Jeopard“ als Bezeichnung für ein pantherähnliches Tier hingegen gab und gibt es gar nicht, sondern hat sich der Autor – so scheint es zumindest – schlicht ausgedacht, denn der Gepard heißt auf Englisch „Cheetah“ und der Leopard – wer hätte es gedacht – „Leopard“ (was zumindest ähnlich klingt). Und auch in anderen Sprachen gibt es nichts, was die Vorlage für „Jeopard“ gewesen sein könnte.