ROLANDSLIED - historisierendes Gemälde:. W. v. Bibra, 19. Jahrhundert | RITTER ROLAND - Romanheftreihe des Bastei-Verlags, 1980er Jahre |
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Samstag, 1. März 2025
Heftroman - Schund oder wertvolles Kulturgut (Michael Sonntag)
HEFTROMAN – SCHUND ODER WERTVOLLES KULTURGUT?
In Deutschland wird Unterhaltungsliteratur oft nicht ernst genommen und gerade das Medium Heftroman sehr abfällig betrachtet.
Mit Recht? Sehen wir uns mal die Literaturgeschichte an. Das älteste erhaltene Literaturwerk ist der sumerische Gilgamesch-Mythos. Eine Heldenmythologie.
Von da lässt sich eine fast gerade Linie zu den Heldengeschichten der unterschiedlichsten Epochen ziehen. Von den religiösen Erzählungen der Antike sowie den verschiedensten Heldenepen der verschiedenen Kulturen. So finden wir in Gilgamesch die gleichen Erzählstrukturen wie in den Heldensagen Afrikas, Asiens oder der verschiedenen europäischen Kulturen. Oder auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Comics oder Pulpromanen. (Der Comic hat in den letzten Jahren viel an Ansehen dazu gewonnen, der Heftroman wird immer noch abgewertet. Literarisch sollte man beide Medien aber als etwa gleichwertig betrachten.) Es gibt also eine klare Tradition, die von Gilgamesch über Herakles zu König Artus zu Hamlet, Siegfried, den Nibelungen, dem Rolandslied, Robin Hood, dann zu Lederstrumpf und Old Shatterhand und Winnetou schließlich zu Flash Gordon, Captain America und Batman aber auch zu Conan, Perry Rhodan, Lassiter und John Sinclair führt. Zu jeder Zeit waren die Heldenfiguren Spiegel ihrer Zeit. Oder Projektionsflächen von Ängsten, aber auch Hoffnungen.
Nach dem Zusammenbruch der alten Hochkulturen gingen viele dieser Epen für eine lange Zeit verloren und wir wissen bis heute nicht, was es noch alles gab, werden es wohl nie erfahren.
Es folgte in gewisser Hinsicht ein kultureller Rückschritt. Nur wenige Menschen konnten lesen und schreiben. Gerade im Früh- und Hochmittelalter gab es Geschichtenerzähler, die durch die Dörfer, Städte und auch Burgen zogen und gegen kleine Almosen eben jene Heldenmythen oder Märchen erzählten. Heute denken wir bei dem Begriff „Märchen“ an Einschlafgeschichten für Kinder. Tatsächlich waren es aber zum Teil sehr düstere und harte Geschichten, die wir nach unserem heutigen Empfinden als Horror oder Fantasy für Erwachsene bezeichnen würden.
Betrachten wir die Literaturgeschichte unter diesem Aspekt, so liegt der Heftroman gemeinsam mit dem Comic tatsächlich näher an den Ursprüngen der Literatur als so manches, was wir heutzutage als „Hochliteratur“ ansehen.
Als ein Urtyp des Heftromans könnte hier ohne weiteres Homers „Odyssee“ angesehen werden. Es gibt eine Rahmenhandlung, die die einzelnen Episoden zusammen hält, die sich fortsetzen. Und es werden Stilmittel genutzt, die sich auch im modernen Heftroman finden, wie Rückblicke, Parallelhandlungen, Perspektivwechsel usw.
Einen Vorteil haben Comic und Heftroman zudem: Zeit. Geschichten können – wenn sie in Reihen mit Fortsetzungscharakter erscheinen - langsam aufgebaut werden und sich über Jahre hinziehen, ebenso die Entwicklung einer Figur. Da gibt es Handlungen, die sich 20 Jahre und länger erstrecken und es dabei schaffen, die Leser zu halten oder sogar neue hinzu zu gewinnen, die tatsächlich einen Einstieg in eine laufende Geschichte finden. Figuren können nach vielen Jahren wieder zurück kommen oder Ereignisse von vor langer Zeit können plötzlich wieder eine Rolle spielen. Oder eine monographische Erzählung kann eben auch mit einem einzelnen Heft abgeschlossen sein.
(Michael Sonntag)